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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch V. Gegenreformationen.
Calvinismus neigte, die Gesandten von Lübek versäumten
nichts, um diese wachsende Abneigung anzufachen. Nur
in der Königin, und nachdem diese gestorben, in dem Thron-
folger, behielten die Katholiken einen Anhalt, eine Hoff-
nung. Für die nächste Zeit blieb die Staatsgewalt in
Schweden wesentlich protestantisch1).

In England ward sie dieß unter Königin Elisabeth
von Tage zu Tage mehr. Es gab aber hier Angriffspunkte
anderer Art: das Reich war erfüllt mit Katholiken. Nicht
allein hielt die irische Bevölkerung an dem alten Glau-
ben und Ritus fest: in England war vielleicht die Hälfte
der Nation, wo nicht gar eine noch größere Anzahl, wie
man behauptet hat, demselben zugethan. Sonderbar ist
es immer, daß sich die englischen Katholiken wenigstens
in den ersten funfzehn Jahren Elisabeth's den protestanti-
schen Gesetzen dieser Königin unterwarfen. Sie leisteten
den Eid, den man von ihnen forderte, obwohl er der päpst-
lichen Autorität schnurstracks entgegenlief: sie besuchten die
protestantischen Kirchen, und glaubten schon genug zu thun,
wenn sie sich beim Kommen und Gehn zusammenhielten
und die Gesellschaft der Protestanten vermieden2).


1) Ich halte mich bei dieser ganzen Darstellung an die bisher,
so viel ich finden kann, nicht benutzten Berichte der Jesuiten, wie sie
in Sacchinus: Hist. societatis Jesu pars IV, lib. VI, n. 64--76
und lib. VII, n. 83--111 ausführlich zu lesen sind.
2) Relatione del presente stato d'Inghilterra, cavata da una
lettera scritta di Londra etc. Roma 1590
(gedruckte Flugschrift)
stimmt hierüber mit einer Stelle von Ribadaneira de schismate, wel-
che schon Hallam (the constitutional history of England I, p. 162)
anführt, genau überein, und ist ohne Zweifel die Quelle davon. "Si
permettevano giuramenti impii contra l'autorita della sede apo-

Buch V. Gegenreformationen.
Calvinismus neigte, die Geſandten von Luͤbek verſaͤumten
nichts, um dieſe wachſende Abneigung anzufachen. Nur
in der Koͤnigin, und nachdem dieſe geſtorben, in dem Thron-
folger, behielten die Katholiken einen Anhalt, eine Hoff-
nung. Fuͤr die naͤchſte Zeit blieb die Staatsgewalt in
Schweden weſentlich proteſtantiſch1).

In England ward ſie dieß unter Koͤnigin Eliſabeth
von Tage zu Tage mehr. Es gab aber hier Angriffspunkte
anderer Art: das Reich war erfuͤllt mit Katholiken. Nicht
allein hielt die iriſche Bevoͤlkerung an dem alten Glau-
ben und Ritus feſt: in England war vielleicht die Haͤlfte
der Nation, wo nicht gar eine noch groͤßere Anzahl, wie
man behauptet hat, demſelben zugethan. Sonderbar iſt
es immer, daß ſich die engliſchen Katholiken wenigſtens
in den erſten funfzehn Jahren Eliſabeth’s den proteſtanti-
ſchen Geſetzen dieſer Koͤnigin unterwarfen. Sie leiſteten
den Eid, den man von ihnen forderte, obwohl er der paͤpſt-
lichen Autoritaͤt ſchnurſtracks entgegenlief: ſie beſuchten die
proteſtantiſchen Kirchen, und glaubten ſchon genug zu thun,
wenn ſie ſich beim Kommen und Gehn zuſammenhielten
und die Geſellſchaft der Proteſtanten vermieden2).


1) Ich halte mich bei dieſer ganzen Darſtellung an die bisher,
ſo viel ich finden kann, nicht benutzten Berichte der Jeſuiten, wie ſie
in Sacchinus: Hist. societatis Jesu pars IV, lib. VI, n. 64—76
und lib. VII, n. 83—111 ausfuͤhrlich zu leſen ſind.
2) Relatione del presente stato d’Inghilterra, cavata da una
lettera scritta di Londra etc. Roma 1590
(gedruckte Flugſchrift)
ſtimmt hieruͤber mit einer Stelle von Ribadaneira de schismate, wel-
che ſchon Hallam (the constitutional history of England I, p. 162)
anfuͤhrt, genau uͤberein, und iſt ohne Zweifel die Quelle davon. „Si
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[84/0096] Buch V. Gegenreformationen. Calvinismus neigte, die Geſandten von Luͤbek verſaͤumten nichts, um dieſe wachſende Abneigung anzufachen. Nur in der Koͤnigin, und nachdem dieſe geſtorben, in dem Thron- folger, behielten die Katholiken einen Anhalt, eine Hoff- nung. Fuͤr die naͤchſte Zeit blieb die Staatsgewalt in Schweden weſentlich proteſtantiſch 1). In England ward ſie dieß unter Koͤnigin Eliſabeth von Tage zu Tage mehr. Es gab aber hier Angriffspunkte anderer Art: das Reich war erfuͤllt mit Katholiken. Nicht allein hielt die iriſche Bevoͤlkerung an dem alten Glau- ben und Ritus feſt: in England war vielleicht die Haͤlfte der Nation, wo nicht gar eine noch groͤßere Anzahl, wie man behauptet hat, demſelben zugethan. Sonderbar iſt es immer, daß ſich die engliſchen Katholiken wenigſtens in den erſten funfzehn Jahren Eliſabeth’s den proteſtanti- ſchen Geſetzen dieſer Koͤnigin unterwarfen. Sie leiſteten den Eid, den man von ihnen forderte, obwohl er der paͤpſt- lichen Autoritaͤt ſchnurſtracks entgegenlief: ſie beſuchten die proteſtantiſchen Kirchen, und glaubten ſchon genug zu thun, wenn ſie ſich beim Kommen und Gehn zuſammenhielten und die Geſellſchaft der Proteſtanten vermieden 2). 1) Ich halte mich bei dieſer ganzen Darſtellung an die bisher, ſo viel ich finden kann, nicht benutzten Berichte der Jeſuiten, wie ſie in Sacchinus: Hist. societatis Jesu pars IV, lib. VI, n. 64—76 und lib. VII, n. 83—111 ausfuͤhrlich zu leſen ſind. 2) Relatione del presente stato d’Inghilterra, cavata da una lettera scritta di Londra etc. Roma 1590 (gedruckte Flugſchrift) ſtimmt hieruͤber mit einer Stelle von Ribadaneira de schismate, wel- che ſchon Hallam (the constitutional history of England I, p. 162) anfuͤhrt, genau uͤberein, und iſt ohne Zweifel die Quelle davon. „Si permettevano giuramenti impii contra l’autorità della sede apo-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/96>, abgerufen am 24.11.2024.