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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Königin Christine von Schweden.
streuten Gedanken, die wir als eine Arbeit ihrer Neben-
stunden besitzen 1). Bei so viel feinen Bemerkungen, so vie-
ler Einsicht in das Getriebe menschlicher Leidenschaften, so
vielem Sinn für die Welt, doch eine entschiedene Richtung
auf das Wesentliche, lebendige Ueberzeugung von der Selbst-
bestimmung und dem Adel des Geistes, gerechte Würdigung
der menschlichen Dinge, welche weder zu gering, noch auch
zu hoch angeschlagen werden, eine Gesinnung die nur Gott
und sich selbst genug zu thun sucht. Die große Bewegung
des Geistes, die sich gegen das Ende des siebzehnten Jahr-
hunderts in allen Zweigen der menschlichen Thätigkeit ent-
wickelte und eine neue Aera eröffnete, vollzog sich auch in
dieser Fürstin. Dazu war ihr der Aufenthalt in einem
Mittelpunkte der europäischen Bildung und die Muße des
Privatlebens wenn nicht unbedingt nothwendig, doch ge-
wiß sehr förderlich. Leidenschaftlich liebte sie diese Umge-
bung: sie glaubte nicht leben zu können wenn sie die Luft
von Rom nicht athme.

Verwaltung des Staates und der Kirche.

Es gab schwerlich noch einen andern Ort in der dama-
ligen Welt, wo sich so viel Cultur der Gesellschaft, so man-
nigfaltiges bestreben in Literatur und Kunst, so viel hei-
teres geistvolles Vergnügen, überhaupt ein Leben so erfüllt

1) Wir haben sie in zwei von einander etwas abweichenden
Redactionen: Ouvrage de loisir de Christine reine de Suede im
Anhange des zweiten und Sentimens et dits memorables de Chri-
stine
im Anhange des vierten Bandes von Arckenholtz.

Koͤnigin Chriſtine von Schweden.
ſtreuten Gedanken, die wir als eine Arbeit ihrer Neben-
ſtunden beſitzen 1). Bei ſo viel feinen Bemerkungen, ſo vie-
ler Einſicht in das Getriebe menſchlicher Leidenſchaften, ſo
vielem Sinn fuͤr die Welt, doch eine entſchiedene Richtung
auf das Weſentliche, lebendige Ueberzeugung von der Selbſt-
beſtimmung und dem Adel des Geiſtes, gerechte Wuͤrdigung
der menſchlichen Dinge, welche weder zu gering, noch auch
zu hoch angeſchlagen werden, eine Geſinnung die nur Gott
und ſich ſelbſt genug zu thun ſucht. Die große Bewegung
des Geiſtes, die ſich gegen das Ende des ſiebzehnten Jahr-
hunderts in allen Zweigen der menſchlichen Thaͤtigkeit ent-
wickelte und eine neue Aera eroͤffnete, vollzog ſich auch in
dieſer Fuͤrſtin. Dazu war ihr der Aufenthalt in einem
Mittelpunkte der europaͤiſchen Bildung und die Muße des
Privatlebens wenn nicht unbedingt nothwendig, doch ge-
wiß ſehr foͤrderlich. Leidenſchaftlich liebte ſie dieſe Umge-
bung: ſie glaubte nicht leben zu koͤnnen wenn ſie die Luft
von Rom nicht athme.

Verwaltung des Staates und der Kirche.

Es gab ſchwerlich noch einen andern Ort in der dama-
ligen Welt, wo ſich ſo viel Cultur der Geſellſchaft, ſo man-
nigfaltiges beſtreben in Literatur und Kunſt, ſo viel hei-
teres geiſtvolles Vergnuͤgen, uͤberhaupt ein Leben ſo erfuͤllt

1) Wir haben ſie in zwei von einander etwas abweichenden
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[103/0115] Koͤnigin Chriſtine von Schweden. ſtreuten Gedanken, die wir als eine Arbeit ihrer Neben- ſtunden beſitzen 1). Bei ſo viel feinen Bemerkungen, ſo vie- ler Einſicht in das Getriebe menſchlicher Leidenſchaften, ſo vielem Sinn fuͤr die Welt, doch eine entſchiedene Richtung auf das Weſentliche, lebendige Ueberzeugung von der Selbſt- beſtimmung und dem Adel des Geiſtes, gerechte Wuͤrdigung der menſchlichen Dinge, welche weder zu gering, noch auch zu hoch angeſchlagen werden, eine Geſinnung die nur Gott und ſich ſelbſt genug zu thun ſucht. Die große Bewegung des Geiſtes, die ſich gegen das Ende des ſiebzehnten Jahr- hunderts in allen Zweigen der menſchlichen Thaͤtigkeit ent- wickelte und eine neue Aera eroͤffnete, vollzog ſich auch in dieſer Fuͤrſtin. Dazu war ihr der Aufenthalt in einem Mittelpunkte der europaͤiſchen Bildung und die Muße des Privatlebens wenn nicht unbedingt nothwendig, doch ge- wiß ſehr foͤrderlich. Leidenſchaftlich liebte ſie dieſe Umge- bung: ſie glaubte nicht leben zu koͤnnen wenn ſie die Luft von Rom nicht athme. Verwaltung des Staates und der Kirche. Es gab ſchwerlich noch einen andern Ort in der dama- ligen Welt, wo ſich ſo viel Cultur der Geſellſchaft, ſo man- nigfaltiges beſtreben in Literatur und Kunſt, ſo viel hei- teres geiſtvolles Vergnuͤgen, uͤberhaupt ein Leben ſo erfuͤllt 1) Wir haben ſie in zwei von einander etwas abweichenden Redactionen: Ouvrage de loisir de Christine reine de Suede im Anhange des zweiten und Sentimens et dits mémorables de Chri- stine im Anhange des vierten Bandes von Arckenholtz.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/115>, abgerufen am 27.11.2024.