das Volk während des Conclaves seinen Namen unter den Portici von S. Peter rief, und die öffentliche Meinung sich befriedigt fühlte, als er mit der Tiare geschmückt aus dem- selben hervorging. (21. Sept. 1676.)
Ein Mann der seine Diener wohl unter der Bedin- gung rufen ließ, wenn sie keine Abhaltung hätten -- von dem sein Beichtvater betheuerte, er habe nie etwas an ihm wahrgenommen was die Seele von Gott entfernen könnte -- mild und sanftmüthig, den aber dieselbe Gewissenhaf- tigkeit, die sein Privatleben bestimmte, nun auch antrieb die Verpflichtungen seines Amtes rücksichtslos zu erfüllen.
Wie gewaltig griff er die Uebelstände besonders der finanziellen Verwaltung an. Die Ausgaben waren auf 2,578106 Sc. 91 Baj. gestiegen; die Einnahmen, Data- ria und Spolien mit eingeschlossen, betrugen nur 2,408500 Sc. 71 Baj.; ein so großes Deficit, jährlich von 170000 Sc., drohte den offenbaren Bankrutt herbeizuführen 1). Daß es zu diesem Aeußersten nicht kam, ist ohne Zweifel das Verdienst Innocenz XI. Er enthielt sich endlich des Ne- potismus durchaus. Er erklärte, er liebe seinen Neffen Don Livio, der das durch seine Bescheidenheit verdiene, eben darum aber wolle er ihn nicht in dem Pallaste. Alle Aemter und Einkünfte die bisher den Nepoten zu Gute gekommen, zog er geradezu ein. So verfuhr er nun aber auch mit vielen andern Stellen, deren Daseyn mehr eine Last war. Unzählige Mißbräuche und Exemtionen schaffte er ab: da es ihm endlich der Zustand des Geldmarktes er-
1)Stato della camera nel presente pontificato di Innocenzo XI. MS (Bibl. Alb.)
BuchVIII.Spaͤtere Epochen.
das Volk waͤhrend des Conclaves ſeinen Namen unter den Portici von S. Peter rief, und die oͤffentliche Meinung ſich befriedigt fuͤhlte, als er mit der Tiare geſchmuͤckt aus dem- ſelben hervorging. (21. Sept. 1676.)
Ein Mann der ſeine Diener wohl unter der Bedin- gung rufen ließ, wenn ſie keine Abhaltung haͤtten — von dem ſein Beichtvater betheuerte, er habe nie etwas an ihm wahrgenommen was die Seele von Gott entfernen koͤnnte — mild und ſanftmuͤthig, den aber dieſelbe Gewiſſenhaf- tigkeit, die ſein Privatleben beſtimmte, nun auch antrieb die Verpflichtungen ſeines Amtes ruͤckſichtslos zu erfuͤllen.
Wie gewaltig griff er die Uebelſtaͤnde beſonders der finanziellen Verwaltung an. Die Ausgaben waren auf 2,578106 Sc. 91 Baj. geſtiegen; die Einnahmen, Data- ria und Spolien mit eingeſchloſſen, betrugen nur 2,408500 Sc. 71 Baj.; ein ſo großes Deficit, jaͤhrlich von 170000 Sc., drohte den offenbaren Bankrutt herbeizufuͤhren 1). Daß es zu dieſem Aeußerſten nicht kam, iſt ohne Zweifel das Verdienſt Innocenz XI. Er enthielt ſich endlich des Ne- potismus durchaus. Er erklaͤrte, er liebe ſeinen Neffen Don Livio, der das durch ſeine Beſcheidenheit verdiene, eben darum aber wolle er ihn nicht in dem Pallaſte. Alle Aemter und Einkuͤnfte die bisher den Nepoten zu Gute gekommen, zog er geradezu ein. So verfuhr er nun aber auch mit vielen andern Stellen, deren Daſeyn mehr eine Laſt war. Unzaͤhlige Mißbraͤuche und Exemtionen ſchaffte er ab: da es ihm endlich der Zuſtand des Geldmarktes er-
1)Stato della camera nel presente pontificato di Innocenzo XI. MS (Bibl. Alb.)
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Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
das Volk waͤhrend des Conclaves ſeinen Namen unter den
Portici von S. Peter rief, und die oͤffentliche Meinung ſich
befriedigt fuͤhlte, als er mit der Tiare geſchmuͤckt aus dem-
ſelben hervorging. (21. Sept. 1676.)
Ein Mann der ſeine Diener wohl unter der Bedin-
gung rufen ließ, wenn ſie keine Abhaltung haͤtten — von
dem ſein Beichtvater betheuerte, er habe nie etwas an ihm
wahrgenommen was die Seele von Gott entfernen koͤnnte
— mild und ſanftmuͤthig, den aber dieſelbe Gewiſſenhaf-
tigkeit, die ſein Privatleben beſtimmte, nun auch antrieb
die Verpflichtungen ſeines Amtes ruͤckſichtslos zu erfuͤllen.
Wie gewaltig griff er die Uebelſtaͤnde beſonders der
finanziellen Verwaltung an. Die Ausgaben waren auf
2,578106 Sc. 91 Baj. geſtiegen; die Einnahmen, Data-
ria und Spolien mit eingeſchloſſen, betrugen nur 2,408500
Sc. 71 Baj.; ein ſo großes Deficit, jaͤhrlich von 170000
Sc., drohte den offenbaren Bankrutt herbeizufuͤhren 1). Daß
es zu dieſem Aeußerſten nicht kam, iſt ohne Zweifel das
Verdienſt Innocenz XI. Er enthielt ſich endlich des Ne-
potismus durchaus. Er erklaͤrte, er liebe ſeinen Neffen
Don Livio, der das durch ſeine Beſcheidenheit verdiene,
eben darum aber wolle er ihn nicht in dem Pallaſte.
Alle Aemter und Einkuͤnfte die bisher den Nepoten zu Gute
gekommen, zog er geradezu ein. So verfuhr er nun aber
auch mit vielen andern Stellen, deren Daſeyn mehr eine
Laſt war. Unzaͤhlige Mißbraͤuche und Exemtionen ſchaffte
er ab: da es ihm endlich der Zuſtand des Geldmarktes er-
1) Stato della camera nel presente pontificato di Innocenzo
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/174>, abgerufen am 25.11.2024.
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