tische England, welches die Entscheidung über die letzte Be- stimmung der spanischen und katholischen Monarchie herbei- führte: welchen Einfluß konnte dann der Papst noch aus- üben.
Im Frieden von Utrecht wurden Länder, die er als seine Lehen betrachtete, Sicilien, Sardinien, an neue Für- sten gewiesen, ohne daß man ihn dabei auch nur zu Rathe gezogen hätte 1). An die Stelle der unfehlbaren Entschei- dung des geistlichen Oberhirten trat die Convenienz der gro- ßen Mächte.
Ja es widerfuhr dem päpstlichen Stuhle hiebei be- sonderes Unglück.
Es war allezeit einer der vornehmsten Gesichtspunkte seiner Politik gewesen, auf die italienischen Staaten Ein- fluß zu besitzen, wo möglich eine indirecte Hoheit über die- selben auszuüben.
Jetzt aber hatte sich nicht allein das deutsche Oestreich fast in offenem Kampfe mit dem Papste in Italien festge- gesetzt: auch der Herzog von Savoyen gelangte im Wider- spruch mit ihm zu königlicher Macht und großen neuen Besitzthümern.
Und so ging das nun weiter.
Um den Streit zwischen Bourbon und Oestreich zu versöhnen, gaben die Mächte dem Wunsche der Königin von Spanien Gehör, einem ihrer Söhne Parma und Pia- cenza zu überlassen. Seit zwei Jahrhunderten war die päpst-
liche
1) Wie bedenklich das Betragen von Savoyen war, Lafitau: Vie de Clement XI tom. II, p. 78.
BuchVIII.Spaͤtere Epochen.
tiſche England, welches die Entſcheidung uͤber die letzte Be- ſtimmung der ſpaniſchen und katholiſchen Monarchie herbei- fuͤhrte: welchen Einfluß konnte dann der Papſt noch aus- uͤben.
Im Frieden von Utrecht wurden Laͤnder, die er als ſeine Lehen betrachtete, Sicilien, Sardinien, an neue Fuͤr- ſten gewieſen, ohne daß man ihn dabei auch nur zu Rathe gezogen haͤtte 1). An die Stelle der unfehlbaren Entſchei- dung des geiſtlichen Oberhirten trat die Convenienz der gro- ßen Maͤchte.
Ja es widerfuhr dem paͤpſtlichen Stuhle hiebei be- ſonderes Ungluͤck.
Es war allezeit einer der vornehmſten Geſichtspunkte ſeiner Politik geweſen, auf die italieniſchen Staaten Ein- fluß zu beſitzen, wo moͤglich eine indirecte Hoheit uͤber die- ſelben auszuuͤben.
Jetzt aber hatte ſich nicht allein das deutſche Oeſtreich faſt in offenem Kampfe mit dem Papſte in Italien feſtge- geſetzt: auch der Herzog von Savoyen gelangte im Wider- ſpruch mit ihm zu koͤniglicher Macht und großen neuen Beſitzthuͤmern.
Und ſo ging das nun weiter.
Um den Streit zwiſchen Bourbon und Oeſtreich zu verſoͤhnen, gaben die Maͤchte dem Wunſche der Koͤnigin von Spanien Gehoͤr, einem ihrer Soͤhne Parma und Pia- cenza zu uͤberlaſſen. Seit zwei Jahrhunderten war die paͤpſt-
liche
1) Wie bedenklich das Betragen von Savoyen war, Lafitau: Vie de Clément XI tom. II, p. 78.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0188"n="176"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Buch</hi><hirendition="#aq">VIII.</hi><hirendition="#g">Spaͤtere Epochen</hi>.</fw><lb/>
tiſche England, welches die Entſcheidung uͤber die letzte Be-<lb/>ſtimmung der ſpaniſchen und katholiſchen Monarchie herbei-<lb/>
fuͤhrte: welchen Einfluß konnte dann der Papſt noch aus-<lb/>
uͤben.</p><lb/><p>Im Frieden von Utrecht wurden Laͤnder, die er als<lb/>ſeine Lehen betrachtete, Sicilien, Sardinien, an neue Fuͤr-<lb/>ſten gewieſen, ohne daß man ihn dabei auch nur zu Rathe<lb/>
gezogen haͤtte <noteplace="foot"n="1)">Wie bedenklich das Betragen von Savoyen war, Lafitau:<lb/><hirendition="#aq">Vie de Clément XI tom. II, p.</hi> 78.</note>. An die Stelle der unfehlbaren Entſchei-<lb/>
dung des geiſtlichen Oberhirten trat die Convenienz der gro-<lb/>
ßen Maͤchte.</p><lb/><p>Ja es widerfuhr dem paͤpſtlichen Stuhle hiebei be-<lb/>ſonderes Ungluͤck.</p><lb/><p>Es war allezeit einer der vornehmſten Geſichtspunkte<lb/>ſeiner Politik geweſen, auf die italieniſchen Staaten Ein-<lb/>
fluß zu beſitzen, wo moͤglich eine indirecte Hoheit uͤber die-<lb/>ſelben auszuuͤben.</p><lb/><p>Jetzt aber hatte ſich nicht allein das deutſche Oeſtreich<lb/>
faſt in offenem Kampfe mit dem Papſte in Italien feſtge-<lb/>
geſetzt: auch der Herzog von Savoyen gelangte im Wider-<lb/>ſpruch mit ihm zu koͤniglicher Macht und großen neuen<lb/>
Beſitzthuͤmern.</p><lb/><p>Und ſo ging das nun weiter.</p><lb/><p>Um den Streit zwiſchen Bourbon und Oeſtreich zu<lb/>
verſoͤhnen, gaben die Maͤchte dem Wunſche der Koͤnigin<lb/>
von Spanien Gehoͤr, einem ihrer Soͤhne Parma und Pia-<lb/>
cenza zu uͤberlaſſen. Seit zwei Jahrhunderten war die paͤpſt-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">liche</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[176/0188]
Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
tiſche England, welches die Entſcheidung uͤber die letzte Be-
ſtimmung der ſpaniſchen und katholiſchen Monarchie herbei-
fuͤhrte: welchen Einfluß konnte dann der Papſt noch aus-
uͤben.
Im Frieden von Utrecht wurden Laͤnder, die er als
ſeine Lehen betrachtete, Sicilien, Sardinien, an neue Fuͤr-
ſten gewieſen, ohne daß man ihn dabei auch nur zu Rathe
gezogen haͤtte 1). An die Stelle der unfehlbaren Entſchei-
dung des geiſtlichen Oberhirten trat die Convenienz der gro-
ßen Maͤchte.
Ja es widerfuhr dem paͤpſtlichen Stuhle hiebei be-
ſonderes Ungluͤck.
Es war allezeit einer der vornehmſten Geſichtspunkte
ſeiner Politik geweſen, auf die italieniſchen Staaten Ein-
fluß zu beſitzen, wo moͤglich eine indirecte Hoheit uͤber die-
ſelben auszuuͤben.
Jetzt aber hatte ſich nicht allein das deutſche Oeſtreich
faſt in offenem Kampfe mit dem Papſte in Italien feſtge-
geſetzt: auch der Herzog von Savoyen gelangte im Wider-
ſpruch mit ihm zu koͤniglicher Macht und großen neuen
Beſitzthuͤmern.
Und ſo ging das nun weiter.
Um den Streit zwiſchen Bourbon und Oeſtreich zu
verſoͤhnen, gaben die Maͤchte dem Wunſche der Koͤnigin
von Spanien Gehoͤr, einem ihrer Soͤhne Parma und Pia-
cenza zu uͤberlaſſen. Seit zwei Jahrhunderten war die paͤpſt-
liche
1) Wie bedenklich das Betragen von Savoyen war, Lafitau:
Vie de Clément XI tom. II, p. 78.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/188>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.