stimmten, hatten sich drei unkatholische erhoben. Wir be- rührten, welche Versuche die Päpste in frühern Epochen machten, von Polen aus Rußland und Preußen, von Frankreich und Spanien her England zu überwältigen. Eben diese Mächte nahmen jetzt Antheil an der Weltherr- schaft; ja man darf wohl ohne Täuschung sagen, daß sie in jener Zeit das Uebergewicht über die katholische Hälfte von Europa besaßen.
Nicht etwa daß ein Dogma über das andere, die pro- testantische Theologie über die katholische obgesiegt hätte: auf diesem Gebiete bewegte sich der Streit nicht mehr; sondern die Veränderung war durch die nationalen Ent- wickelungen eingetreten, deren Grundlage wir oben wahrnah- men: die Staaten der unkatholischen Seite zeigten sich den katholischen im Allgemeinen überlegen. Die zusammenhal- tende monarchische Gesinnung der Russen hatte über die auseinanderfallende Aristokratie von Polen, -- die Indu- strie, der praktische Sinn, das seemännische Talent der Engländer über die Nachläßigkeiten der Spanier und über die schwankende, von zufälligen Abwandlungen innerer Zu- stände abhängige Politik der Franzosen, -- die energische Organisation und die militärische Disciplin von Preußen hatte über die Principien einer Föderativmonarchie wie sie sich damals in Oestreich darstellte, den Sieg davon getragen.
War nun gleich dieß Uebergewicht keineswegs von kirchlicher Natur, so mußte es doch auf die kirchlichen Dinge eine nothwendige Rückwirkung ausüben.
Einmal schon, indem mit den Staaten die Religions- parteien emporkamen. Rußland z. B. setzte jetzt in den
Veraͤnderte Weltſtellung.
ſtimmten, hatten ſich drei unkatholiſche erhoben. Wir be- ruͤhrten, welche Verſuche die Paͤpſte in fruͤhern Epochen machten, von Polen aus Rußland und Preußen, von Frankreich und Spanien her England zu uͤberwaͤltigen. Eben dieſe Maͤchte nahmen jetzt Antheil an der Weltherr- ſchaft; ja man darf wohl ohne Taͤuſchung ſagen, daß ſie in jener Zeit das Uebergewicht uͤber die katholiſche Haͤlfte von Europa beſaßen.
Nicht etwa daß ein Dogma uͤber das andere, die pro- teſtantiſche Theologie uͤber die katholiſche obgeſiegt haͤtte: auf dieſem Gebiete bewegte ſich der Streit nicht mehr; ſondern die Veraͤnderung war durch die nationalen Ent- wickelungen eingetreten, deren Grundlage wir oben wahrnah- men: die Staaten der unkatholiſchen Seite zeigten ſich den katholiſchen im Allgemeinen uͤberlegen. Die zuſammenhal- tende monarchiſche Geſinnung der Ruſſen hatte uͤber die auseinanderfallende Ariſtokratie von Polen, — die Indu- ſtrie, der praktiſche Sinn, das ſeemaͤnniſche Talent der Englaͤnder uͤber die Nachlaͤßigkeiten der Spanier und uͤber die ſchwankende, von zufaͤlligen Abwandlungen innerer Zu- ſtaͤnde abhaͤngige Politik der Franzoſen, — die energiſche Organiſation und die militaͤriſche Disciplin von Preußen hatte uͤber die Principien einer Foͤderativmonarchie wie ſie ſich damals in Oeſtreich darſtellte, den Sieg davon getragen.
War nun gleich dieß Uebergewicht keineswegs von kirchlicher Natur, ſo mußte es doch auf die kirchlichen Dinge eine nothwendige Ruͤckwirkung ausuͤben.
Einmal ſchon, indem mit den Staaten die Religions- parteien emporkamen. Rußland z. B. ſetzte jetzt in den
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Veraͤnderte Weltſtellung.
ſtimmten, hatten ſich drei unkatholiſche erhoben. Wir be-
ruͤhrten, welche Verſuche die Paͤpſte in fruͤhern Epochen
machten, von Polen aus Rußland und Preußen, von
Frankreich und Spanien her England zu uͤberwaͤltigen.
Eben dieſe Maͤchte nahmen jetzt Antheil an der Weltherr-
ſchaft; ja man darf wohl ohne Taͤuſchung ſagen, daß ſie
in jener Zeit das Uebergewicht uͤber die katholiſche Haͤlfte
von Europa beſaßen.
Nicht etwa daß ein Dogma uͤber das andere, die pro-
teſtantiſche Theologie uͤber die katholiſche obgeſiegt haͤtte:
auf dieſem Gebiete bewegte ſich der Streit nicht mehr;
ſondern die Veraͤnderung war durch die nationalen Ent-
wickelungen eingetreten, deren Grundlage wir oben wahrnah-
men: die Staaten der unkatholiſchen Seite zeigten ſich den
katholiſchen im Allgemeinen uͤberlegen. Die zuſammenhal-
tende monarchiſche Geſinnung der Ruſſen hatte uͤber die
auseinanderfallende Ariſtokratie von Polen, — die Indu-
ſtrie, der praktiſche Sinn, das ſeemaͤnniſche Talent der
Englaͤnder uͤber die Nachlaͤßigkeiten der Spanier und uͤber
die ſchwankende, von zufaͤlligen Abwandlungen innerer Zu-
ſtaͤnde abhaͤngige Politik der Franzoſen, — die energiſche
Organiſation und die militaͤriſche Disciplin von Preußen
hatte uͤber die Principien einer Foͤderativmonarchie wie ſie
ſich damals in Oeſtreich darſtellte, den Sieg davon getragen.
War nun gleich dieß Uebergewicht keineswegs von
kirchlicher Natur, ſo mußte es doch auf die kirchlichen
Dinge eine nothwendige Ruͤckwirkung ausuͤben.
Einmal ſchon, indem mit den Staaten die Religions-
parteien emporkamen. Rußland z. B. ſetzte jetzt in den
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/195>, abgerufen am 27.11.2024.
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