ein. Da es sich doch nicht leugnen ließ, daß der Nach- theil, in den sie gerathen waren, mit ihrer geistlichen Ver- fassung zusammenhing, so warf sich die Bewegung zunächst auf diese Seite.
Hier aber traf sie mit mächtigen innern Gährungen zu- sammen, die indeß auf dem Gebiete des Glaubens und der Meinung innerhalb des Katholicismus ausgebrochen waren.
Die jansenistischen Streitigkeiten, deren Ursprung wir beobachteten, erneuerten sich seit dem Anfange des achtzehn- ten Jahrhunderts mit verdoppelter Heftigkeit. Von höch- ster Stelle gingen sie aus. In dem obersten geistlichen Rathe in Frankreich pflegten der Beichtvater des Königs, in der Regel ein Jesuit, und der Erzbischof von Paris den vornehmsten Einfluß auszuüben. La Chaise und Harlai hatten von hier aus in enger Vereinigung die Unterneh- mungen der Krone gegen das Papstthum geleitet. Nicht so gut verstanden sich ihre Nachfolger, le Tellier und No- ailles. Es mögen leichte Meinungsverschiedenheiten gewe- sen seyn, welche den ersten Anlaß gaben: strengeres Fest- halten des Einen bei den jesuitischen, molinistischen, tole- rirende Hinneigung des Andern zu den jansenistischen Be- griffen; allmählig aber brach eine vollkommene Entzweiung aus: von dem Cabinet des Königs her spaltete sich die Nation. Dem Beichtvater gelang es, nicht allein sich in der Gewalt zu behaupten, den König zu gewinnen, sondern auch den Papst zu der Bulle Unigenitus zu bewegen, in welcher die jansenistischen Lehren von Sünde, Gnade, Recht- fertigung und Kirche auch in ihrem minder herben Aus- druck, zuweilen wörtlich wie man sie in Augustinus zu
Veraͤnderte Weltſtellung.
ein. Da es ſich doch nicht leugnen ließ, daß der Nach- theil, in den ſie gerathen waren, mit ihrer geiſtlichen Ver- faſſung zuſammenhing, ſo warf ſich die Bewegung zunaͤchſt auf dieſe Seite.
Hier aber traf ſie mit maͤchtigen innern Gaͤhrungen zu- ſammen, die indeß auf dem Gebiete des Glaubens und der Meinung innerhalb des Katholicismus ausgebrochen waren.
Die janſeniſtiſchen Streitigkeiten, deren Urſprung wir beobachteten, erneuerten ſich ſeit dem Anfange des achtzehn- ten Jahrhunderts mit verdoppelter Heftigkeit. Von hoͤch- ſter Stelle gingen ſie aus. In dem oberſten geiſtlichen Rathe in Frankreich pflegten der Beichtvater des Koͤnigs, in der Regel ein Jeſuit, und der Erzbiſchof von Paris den vornehmſten Einfluß auszuuͤben. La Chaiſe und Harlai hatten von hier aus in enger Vereinigung die Unterneh- mungen der Krone gegen das Papſtthum geleitet. Nicht ſo gut verſtanden ſich ihre Nachfolger, le Tellier und No- ailles. Es moͤgen leichte Meinungsverſchiedenheiten gewe- ſen ſeyn, welche den erſten Anlaß gaben: ſtrengeres Feſt- halten des Einen bei den jeſuitiſchen, moliniſtiſchen, tole- rirende Hinneigung des Andern zu den janſeniſtiſchen Be- griffen; allmaͤhlig aber brach eine vollkommene Entzweiung aus: von dem Cabinet des Koͤnigs her ſpaltete ſich die Nation. Dem Beichtvater gelang es, nicht allein ſich in der Gewalt zu behaupten, den Koͤnig zu gewinnen, ſondern auch den Papſt zu der Bulle Unigenitus zu bewegen, in welcher die janſeniſtiſchen Lehren von Suͤnde, Gnade, Recht- fertigung und Kirche auch in ihrem minder herben Aus- druck, zuweilen woͤrtlich wie man ſie in Auguſtinus zu
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Veraͤnderte Weltſtellung.
ein. Da es ſich doch nicht leugnen ließ, daß der Nach-
theil, in den ſie gerathen waren, mit ihrer geiſtlichen Ver-
faſſung zuſammenhing, ſo warf ſich die Bewegung zunaͤchſt
auf dieſe Seite.
Hier aber traf ſie mit maͤchtigen innern Gaͤhrungen zu-
ſammen, die indeß auf dem Gebiete des Glaubens und der
Meinung innerhalb des Katholicismus ausgebrochen waren.
Die janſeniſtiſchen Streitigkeiten, deren Urſprung wir
beobachteten, erneuerten ſich ſeit dem Anfange des achtzehn-
ten Jahrhunderts mit verdoppelter Heftigkeit. Von hoͤch-
ſter Stelle gingen ſie aus. In dem oberſten geiſtlichen
Rathe in Frankreich pflegten der Beichtvater des Koͤnigs,
in der Regel ein Jeſuit, und der Erzbiſchof von Paris den
vornehmſten Einfluß auszuuͤben. La Chaiſe und Harlai
hatten von hier aus in enger Vereinigung die Unterneh-
mungen der Krone gegen das Papſtthum geleitet. Nicht
ſo gut verſtanden ſich ihre Nachfolger, le Tellier und No-
ailles. Es moͤgen leichte Meinungsverſchiedenheiten gewe-
ſen ſeyn, welche den erſten Anlaß gaben: ſtrengeres Feſt-
halten des Einen bei den jeſuitiſchen, moliniſtiſchen, tole-
rirende Hinneigung des Andern zu den janſeniſtiſchen Be-
griffen; allmaͤhlig aber brach eine vollkommene Entzweiung
aus: von dem Cabinet des Koͤnigs her ſpaltete ſich die
Nation. Dem Beichtvater gelang es, nicht allein ſich in
der Gewalt zu behaupten, den Koͤnig zu gewinnen, ſondern
auch den Papſt zu der Bulle Unigenitus zu bewegen, in
welcher die janſeniſtiſchen Lehren von Suͤnde, Gnade, Recht-
fertigung und Kirche auch in ihrem minder herben Aus-
druck, zuweilen woͤrtlich wie man ſie in Auguſtinus zu
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/197>, abgerufen am 27.11.2024.
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