Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch VIII. Spätere Epochen.
rin auch in Italien: allenthalben erhoben sich die revolu-
tionären Staaten; schon bedrohte sie den Papst in seinem
Staate, in seiner Hauptstadt.

Ohne eigentlich thätige Theilnahme hatte er sich nur
mit dem Gewicht seiner geistlichen Waffen auf der Seite
der Coalition gehalten. Aber vergeblich machte er diese seine
Neutralität geltend 1). Seine Landschaften wurden über-
zogen, zur Empörung gereizt; unerschwingliche Lieferungen
und Abtretungen wurden ihm auferlegt, wie noch nie einem
seiner Vorgänger 2). Und damit war es noch nicht einmal
gethan. Der Papst war nicht ein Feind wie die andern.
Während des Krieges hatte er sogar den Muth gefaßt die
jansenistisch-gallicanischen Doctrinen von Pistoja durch die
Bulle auctorem fidei zu verwerfen: die unnachgiebige Hal-
tung, die er angenommen, jene seine verurtheilenden Bre-
ven hatten noch immer auf das innere Frankreich eine große
Wirkung: die Franzosen forderten jetzt als Preis des Frie-
dens den Widerruf derselben, die Anerkennung der bürger-
lichen Constitution.

Dazu aber war Pius VI. nicht zu bewegen. Es hätte
ihm eine Abweichung von dem Grunde des Glaubens, ein
Verrath an seinem Amte geschienen, hierin nachzugeben 3).

Er
1) Authentische Geschichte des französischen Revolutionskrieges
in Italien 1797. Der Papst hatte erklärt, die Religion verbiete ei-
nen Widerstand, der Blutvergießen veranlassen könnte.
2) In den Memoires historiques et philosophiques sur Pie
VI et son pontificat tome II
wird der Verlust des römischen Staa-
tes auf 220 Mill. Livres berechnet.
3) Memoria diretta al principe della pace bei Tavanti: Fa-
sti di Pio VI, tom. III, p. 335. S. Santita rimase stordita,

Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
rin auch in Italien: allenthalben erhoben ſich die revolu-
tionaͤren Staaten; ſchon bedrohte ſie den Papſt in ſeinem
Staate, in ſeiner Hauptſtadt.

Ohne eigentlich thaͤtige Theilnahme hatte er ſich nur
mit dem Gewicht ſeiner geiſtlichen Waffen auf der Seite
der Coalition gehalten. Aber vergeblich machte er dieſe ſeine
Neutralitaͤt geltend 1). Seine Landſchaften wurden uͤber-
zogen, zur Empoͤrung gereizt; unerſchwingliche Lieferungen
und Abtretungen wurden ihm auferlegt, wie noch nie einem
ſeiner Vorgaͤnger 2). Und damit war es noch nicht einmal
gethan. Der Papſt war nicht ein Feind wie die andern.
Waͤhrend des Krieges hatte er ſogar den Muth gefaßt die
janſeniſtiſch-gallicaniſchen Doctrinen von Piſtoja durch die
Bulle auctorem fidei zu verwerfen: die unnachgiebige Hal-
tung, die er angenommen, jene ſeine verurtheilenden Bre-
ven hatten noch immer auf das innere Frankreich eine große
Wirkung: die Franzoſen forderten jetzt als Preis des Frie-
dens den Widerruf derſelben, die Anerkennung der buͤrger-
lichen Conſtitution.

Dazu aber war Pius VI. nicht zu bewegen. Es haͤtte
ihm eine Abweichung von dem Grunde des Glaubens, ein
Verrath an ſeinem Amte geſchienen, hierin nachzugeben 3).

Er
1) Authentiſche Geſchichte des franzoͤſiſchen Revolutionskrieges
in Italien 1797. Der Papſt hatte erklaͤrt, die Religion verbiete ei-
nen Widerſtand, der Blutvergießen veranlaſſen koͤnnte.
2) In den Mémoires historiques et philosophiques sur Pie
VI et son pontificat tome II
wird der Verluſt des roͤmiſchen Staa-
tes auf 220 Mill. Livres berechnet.
3) Memoria diretta al principe della pace bei Tavanti: Fa-
sti di Pio VI, tom. III, p. 335. S. Santità rimase stordita,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0220" n="208"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Spa&#x0364;tere Epochen</hi>.</fw><lb/>
rin auch in Italien: allenthalben erhoben &#x017F;ich die revolu-<lb/>
tiona&#x0364;ren Staaten; &#x017F;chon bedrohte &#x017F;ie den Pap&#x017F;t in &#x017F;einem<lb/>
Staate, in &#x017F;einer Haupt&#x017F;tadt.</p><lb/>
          <p>Ohne eigentlich tha&#x0364;tige Theilnahme hatte er &#x017F;ich nur<lb/>
mit dem Gewicht &#x017F;einer gei&#x017F;tlichen Waffen auf der Seite<lb/>
der Coalition gehalten. Aber vergeblich machte er die&#x017F;e &#x017F;eine<lb/>
Neutralita&#x0364;t geltend <note place="foot" n="1)">Authenti&#x017F;che Ge&#x017F;chichte des franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Revolutionskrieges<lb/>
in Italien 1797. Der Pap&#x017F;t hatte erkla&#x0364;rt, die Religion verbiete ei-<lb/>
nen Wider&#x017F;tand, der Blutvergießen veranla&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte.</note>. Seine Land&#x017F;chaften wurden u&#x0364;ber-<lb/>
zogen, zur Empo&#x0364;rung gereizt; uner&#x017F;chwingliche Lieferungen<lb/>
und Abtretungen wurden ihm auferlegt, wie noch nie einem<lb/>
&#x017F;einer Vorga&#x0364;nger <note place="foot" n="2)">In den <hi rendition="#aq">Mémoires historiques et philosophiques sur Pie<lb/>
VI et son pontificat tome II</hi> wird der Verlu&#x017F;t des ro&#x0364;mi&#x017F;chen Staa-<lb/>
tes auf 220 Mill. Livres berechnet.</note>. Und damit war es noch nicht einmal<lb/>
gethan. Der Pap&#x017F;t war nicht ein Feind wie die andern.<lb/>
Wa&#x0364;hrend des Krieges hatte er &#x017F;ogar den Muth gefaßt die<lb/>
jan&#x017F;eni&#x017F;ti&#x017F;ch-gallicani&#x017F;chen Doctrinen von Pi&#x017F;toja durch die<lb/>
Bulle <hi rendition="#aq">auctorem fidei</hi> zu verwerfen: die unnachgiebige Hal-<lb/>
tung, die er angenommen, jene &#x017F;eine verurtheilenden Bre-<lb/>
ven hatten noch immer auf das innere Frankreich eine große<lb/>
Wirkung: die Franzo&#x017F;en forderten jetzt als Preis des Frie-<lb/>
dens den Widerruf der&#x017F;elben, die Anerkennung der bu&#x0364;rger-<lb/>
lichen Con&#x017F;titution.</p><lb/>
          <p>Dazu aber war Pius <hi rendition="#aq">VI.</hi> nicht zu bewegen. Es ha&#x0364;tte<lb/>
ihm eine Abweichung von dem Grunde des Glaubens, ein<lb/>
Verrath an &#x017F;einem Amte ge&#x017F;chienen, hierin nachzugeben <note xml:id="seg2pn_22_1" next="#seg2pn_22_2" place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Memoria diretta al principe della pace</hi> bei <hi rendition="#aq">Tavanti: Fa-<lb/>
sti di Pio VI, tom. III, p. 335. S. Santità rimase stordita,</hi></note>.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[208/0220] Buch VIII. Spaͤtere Epochen. rin auch in Italien: allenthalben erhoben ſich die revolu- tionaͤren Staaten; ſchon bedrohte ſie den Papſt in ſeinem Staate, in ſeiner Hauptſtadt. Ohne eigentlich thaͤtige Theilnahme hatte er ſich nur mit dem Gewicht ſeiner geiſtlichen Waffen auf der Seite der Coalition gehalten. Aber vergeblich machte er dieſe ſeine Neutralitaͤt geltend 1). Seine Landſchaften wurden uͤber- zogen, zur Empoͤrung gereizt; unerſchwingliche Lieferungen und Abtretungen wurden ihm auferlegt, wie noch nie einem ſeiner Vorgaͤnger 2). Und damit war es noch nicht einmal gethan. Der Papſt war nicht ein Feind wie die andern. Waͤhrend des Krieges hatte er ſogar den Muth gefaßt die janſeniſtiſch-gallicaniſchen Doctrinen von Piſtoja durch die Bulle auctorem fidei zu verwerfen: die unnachgiebige Hal- tung, die er angenommen, jene ſeine verurtheilenden Bre- ven hatten noch immer auf das innere Frankreich eine große Wirkung: die Franzoſen forderten jetzt als Preis des Frie- dens den Widerruf derſelben, die Anerkennung der buͤrger- lichen Conſtitution. Dazu aber war Pius VI. nicht zu bewegen. Es haͤtte ihm eine Abweichung von dem Grunde des Glaubens, ein Verrath an ſeinem Amte geſchienen, hierin nachzugeben 3). Er 1) Authentiſche Geſchichte des franzoͤſiſchen Revolutionskrieges in Italien 1797. Der Papſt hatte erklaͤrt, die Religion verbiete ei- nen Widerſtand, der Blutvergießen veranlaſſen koͤnnte. 2) In den Mémoires historiques et philosophiques sur Pie VI et son pontificat tome II wird der Verluſt des roͤmiſchen Staa- tes auf 220 Mill. Livres berechnet. 3) Memoria diretta al principe della pace bei Tavanti: Fa- sti di Pio VI, tom. III, p. 335. S. Santità rimase stordita,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/220
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/220>, abgerufen am 18.12.2024.