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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Buch VIII. Die Päpste um d. Mitte d. 17. Jahrh.
aufs Land nach Castelgandolfo, wo dann die Geschäfte ge-
flissentlich vermieden wurden: wenn er in Rom war, wur-
den die Nachmittage der Literatur gewidmet: Schriftsteller
erschienen, lasen ihre Werke vor; der Papst liebte es seine
Verbesserungen anzubringen. Auch in den Frühstunden war
es schwer, für eigentliche Geschäfte bei ihm Audienz zu be-
kommen. "Ich diente", sagt Giacomo Quirini, "42 Monat
bei Papst Alexander: ich erkannte, daß er nur den Namen
eines Papstes hatte, nicht der Gebrauch des Papstthums.
Von jenen Eigenschaften, die er als Cardinal entwickelt,
Lebhaftigkeit des Geistes, Talent zur Unterscheidung, Ent-
schlossenheit in schwierigen Fällen, Leichtigkeit sich auszu-
drücken, fand man keine Spur mehr: die Geschäfte wur-
den von der Hand gewiesen: er dachte nur darauf in un-
gestörter Seelenruhe zu leben" 1).

Zuweilen empfand und mißbilligte auch Alexander die-
sen Zustand. Wenn seine Unterhandlungen mißglückten, gab
er es den Interessen der Cardinäle Schuld. Noch in sei-
nem Irrereden kurz vor seinem Tode hörte man ihn davon
sprechen.

Da es aber die Natur, der Gang der Dinge so mit
sich brachte, so blieb es nun auch ferner dabei.

Jene Cardinäle des Squadrone, die zur Wahl Ale-
xanders VII. das Meiste beigetragen, und unter seiner gan-
zen Regierung ein großes Ansehen behauptet hatten, gaben
auch nach dem Tode desselben in dem neuen Conclave den
Ausschlag. Nur daß sie dieß Mal mehr im Einverständ-

1) datosi quel capo alla quiete dell' animo, al solo pen-
siere di vivere, e con severo divieto ripudiato il negotio.

Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh.
aufs Land nach Caſtelgandolfo, wo dann die Geſchaͤfte ge-
fliſſentlich vermieden wurden: wenn er in Rom war, wur-
den die Nachmittage der Literatur gewidmet: Schriftſteller
erſchienen, laſen ihre Werke vor; der Papſt liebte es ſeine
Verbeſſerungen anzubringen. Auch in den Fruͤhſtunden war
es ſchwer, fuͤr eigentliche Geſchaͤfte bei ihm Audienz zu be-
kommen. „Ich diente“, ſagt Giacomo Quirini, „42 Monat
bei Papſt Alexander: ich erkannte, daß er nur den Namen
eines Papſtes hatte, nicht der Gebrauch des Papſtthums.
Von jenen Eigenſchaften, die er als Cardinal entwickelt,
Lebhaftigkeit des Geiſtes, Talent zur Unterſcheidung, Ent-
ſchloſſenheit in ſchwierigen Faͤllen, Leichtigkeit ſich auszu-
druͤcken, fand man keine Spur mehr: die Geſchaͤfte wur-
den von der Hand gewieſen: er dachte nur darauf in un-
geſtoͤrter Seelenruhe zu leben“ 1).

Zuweilen empfand und mißbilligte auch Alexander die-
ſen Zuſtand. Wenn ſeine Unterhandlungen mißgluͤckten, gab
er es den Intereſſen der Cardinaͤle Schuld. Noch in ſei-
nem Irrereden kurz vor ſeinem Tode hoͤrte man ihn davon
ſprechen.

Da es aber die Natur, der Gang der Dinge ſo mit
ſich brachte, ſo blieb es nun auch ferner dabei.

Jene Cardinaͤle des Squadrone, die zur Wahl Ale-
xanders VII. das Meiſte beigetragen, und unter ſeiner gan-
zen Regierung ein großes Anſehen behauptet hatten, gaben
auch nach dem Tode deſſelben in dem neuen Conclave den
Ausſchlag. Nur daß ſie dieß Mal mehr im Einverſtaͤnd-

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siere di vivere, e con severo divieto ripudiato il negotio.
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[56/0068] Buch VIII. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 17. Jahrh. aufs Land nach Caſtelgandolfo, wo dann die Geſchaͤfte ge- fliſſentlich vermieden wurden: wenn er in Rom war, wur- den die Nachmittage der Literatur gewidmet: Schriftſteller erſchienen, laſen ihre Werke vor; der Papſt liebte es ſeine Verbeſſerungen anzubringen. Auch in den Fruͤhſtunden war es ſchwer, fuͤr eigentliche Geſchaͤfte bei ihm Audienz zu be- kommen. „Ich diente“, ſagt Giacomo Quirini, „42 Monat bei Papſt Alexander: ich erkannte, daß er nur den Namen eines Papſtes hatte, nicht der Gebrauch des Papſtthums. Von jenen Eigenſchaften, die er als Cardinal entwickelt, Lebhaftigkeit des Geiſtes, Talent zur Unterſcheidung, Ent- ſchloſſenheit in ſchwierigen Faͤllen, Leichtigkeit ſich auszu- druͤcken, fand man keine Spur mehr: die Geſchaͤfte wur- den von der Hand gewieſen: er dachte nur darauf in un- geſtoͤrter Seelenruhe zu leben“ 1). Zuweilen empfand und mißbilligte auch Alexander die- ſen Zuſtand. Wenn ſeine Unterhandlungen mißgluͤckten, gab er es den Intereſſen der Cardinaͤle Schuld. Noch in ſei- nem Irrereden kurz vor ſeinem Tode hoͤrte man ihn davon ſprechen. Da es aber die Natur, der Gang der Dinge ſo mit ſich brachte, ſo blieb es nun auch ferner dabei. Jene Cardinaͤle des Squadrone, die zur Wahl Ale- xanders VII. das Meiſte beigetragen, und unter ſeiner gan- zen Regierung ein großes Anſehen behauptet hatten, gaben auch nach dem Tode deſſelben in dem neuen Conclave den Ausſchlag. Nur daß ſie dieß Mal mehr im Einverſtaͤnd- 1) datosi quel capo alla quiete dell’ animo, al solo pen- siere di vivere, e con severo divieto ripudiato il negotio.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/68>, abgerufen am 23.11.2024.