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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Grundlegung einer neuen Verfassung.

Auch empfieng Maximilian nunmehr die Hülfe, deren
er zur Herstellung der östreichischen Macht bedurfte. Wäh-
rend einer der tapfersten Fürsten, genannt der rechte Arm
des Reiches, Albrecht von Sachsen die widerspenstigen
Niederlande allmählig wie er sich ausdrückt "zu Frieden
brachte," 1 eilte er selbst nach seinen angestammten Län-
dern. Da hatte vor kurzem der alte Erzherzog Sigmund
von Tirol sich bewegen lassen, die ihm anvertraute Toch-
ter des Kaisers an Herzog Albrecht von Baiernmünchen
zu vermählen und diesem sogar Hofnung gemacht, Tirol
und die Vorlande an ihn zu vererben. Jetzt bei der An-
kunft Maximilians erwachte in dem kinderlosen gutmüthi-
gen Greise die natürliche Zärtlichkeit gegen den blühenden
männlichen Stammesvetter; er erinnerte sich jetzt mit Freu-
den daß diesem das Land von Rechtswegen zukomme, und
entschloß sich, es ihm auf der Stelle zu überlassen. In
demselben Moment starb auch König Matthias von Un-
garn, der noch immer in Besitz von Östreich war. Das
Land athmete auf, als nun der rechtmäßige junge Fürst
mit der Hülfe des Reiches und seinen eignen Söldnern
im Felde erschien, die Ungern vor sich hertrieb, Wien von
ihnen befreite, und sie sogleich in ihre Heimath verfolgte.
Privatleute verzeichneten diese Ereignisse unter den glücklich-
sten ihres Lebens in ihren Tagebüchern; 2 eine verpfändete

1 Aus einem Schreiben Albrechts an seinen Sohn bei Lan-
genn: Herzog Albrecht p. 205.
2 Diarium Joannis Tichtelii bei Rauch: Scriptt. Rer. Au-
striacarum II,
559. Viermal schreibt er den Namen Maximilian
hinter einander: er kann sich nicht satt daran schreiben.
7*
Grundlegung einer neuen Verfaſſung.

Auch empfieng Maximilian nunmehr die Hülfe, deren
er zur Herſtellung der öſtreichiſchen Macht bedurfte. Wäh-
rend einer der tapferſten Fürſten, genannt der rechte Arm
des Reiches, Albrecht von Sachſen die widerſpenſtigen
Niederlande allmählig wie er ſich ausdrückt „zu Frieden
brachte,“ 1 eilte er ſelbſt nach ſeinen angeſtammten Län-
dern. Da hatte vor kurzem der alte Erzherzog Sigmund
von Tirol ſich bewegen laſſen, die ihm anvertraute Toch-
ter des Kaiſers an Herzog Albrecht von Baiernmünchen
zu vermählen und dieſem ſogar Hofnung gemacht, Tirol
und die Vorlande an ihn zu vererben. Jetzt bei der An-
kunft Maximilians erwachte in dem kinderloſen gutmüthi-
gen Greiſe die natürliche Zärtlichkeit gegen den blühenden
männlichen Stammesvetter; er erinnerte ſich jetzt mit Freu-
den daß dieſem das Land von Rechtswegen zukomme, und
entſchloß ſich, es ihm auf der Stelle zu überlaſſen. In
demſelben Moment ſtarb auch König Matthias von Un-
garn, der noch immer in Beſitz von Öſtreich war. Das
Land athmete auf, als nun der rechtmäßige junge Fürſt
mit der Hülfe des Reiches und ſeinen eignen Söldnern
im Felde erſchien, die Ungern vor ſich hertrieb, Wien von
ihnen befreite, und ſie ſogleich in ihre Heimath verfolgte.
Privatleute verzeichneten dieſe Ereigniſſe unter den glücklich-
ſten ihres Lebens in ihren Tagebüchern; 2 eine verpfändete

1 Aus einem Schreiben Albrechts an ſeinen Sohn bei Lan-
genn: Herzog Albrecht p. 205.
2 Diarium Joannis Tichtelii bei Rauch: Scriptt. Rer. Au-
striacarum II,
559. Viermal ſchreibt er den Namen Maximilian
hinter einander: er kann ſich nicht ſatt daran ſchreiben.
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[99/0117] Grundlegung einer neuen Verfaſſung. Auch empfieng Maximilian nunmehr die Hülfe, deren er zur Herſtellung der öſtreichiſchen Macht bedurfte. Wäh- rend einer der tapferſten Fürſten, genannt der rechte Arm des Reiches, Albrecht von Sachſen die widerſpenſtigen Niederlande allmählig wie er ſich ausdrückt „zu Frieden brachte,“ 1 eilte er ſelbſt nach ſeinen angeſtammten Län- dern. Da hatte vor kurzem der alte Erzherzog Sigmund von Tirol ſich bewegen laſſen, die ihm anvertraute Toch- ter des Kaiſers an Herzog Albrecht von Baiernmünchen zu vermählen und dieſem ſogar Hofnung gemacht, Tirol und die Vorlande an ihn zu vererben. Jetzt bei der An- kunft Maximilians erwachte in dem kinderloſen gutmüthi- gen Greiſe die natürliche Zärtlichkeit gegen den blühenden männlichen Stammesvetter; er erinnerte ſich jetzt mit Freu- den daß dieſem das Land von Rechtswegen zukomme, und entſchloß ſich, es ihm auf der Stelle zu überlaſſen. In demſelben Moment ſtarb auch König Matthias von Un- garn, der noch immer in Beſitz von Öſtreich war. Das Land athmete auf, als nun der rechtmäßige junge Fürſt mit der Hülfe des Reiches und ſeinen eignen Söldnern im Felde erſchien, die Ungern vor ſich hertrieb, Wien von ihnen befreite, und ſie ſogleich in ihre Heimath verfolgte. Privatleute verzeichneten dieſe Ereigniſſe unter den glücklich- ſten ihres Lebens in ihren Tagebüchern; 2 eine verpfändete 1 Aus einem Schreiben Albrechts an ſeinen Sohn bei Lan- genn: Herzog Albrecht p. 205. 2 Diarium Joannis Tichtelii bei Rauch: Scriptt. Rer. Au- striacarum II, 559. Viermal ſchreibt er den Namen Maximilian hinter einander: er kann ſich nicht ſatt daran ſchreiben. 7*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/117>, abgerufen am 26.05.2024.