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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag zu Worms 1495.
hatte. Es war das aber eins der größten Ereignisse der
Reichsgeschichte. Maximilian willigte ein, daß das Gericht
auf die statutarischen Rechte Rücksicht zu nehmen, sich mit
bestimmten Sporteln zu begnügen habe; vor allem, er über-
ließ dem Richter das Aussprechen der Reichsacht in sei-
nem Namen, ja er verpflichtete sich, von der einmal er-
gangenen Acht ohne Einwilligung des Beschädigten nicht
loszuzählen. Wenn man bedenkt, daß die richterliche Ge-
walt wohl das vornehmste Attribut des Kaiserthums war,
so sieht man wie viel dieser Schritt zu bedeuten hat. Und
nicht genug, daß das höchste Reichsgericht von der Willkühr
befreit ward, von der es bisher so viel leiden müssen: son-
dern es ward auch von den Ständen besetzt. Der König
ernannte nur den Vorsitzenden, den Kammerrichter; die
Beisitzer wurden von den Ständen präsentirt; auch die
Städte empfiengen zu ihrer großen Freude die Aufforde-
rung einige Personen in Vorschlag zu bringen; es ward
ein Ausschuß ernannt, um die Präsentationen anzunehmen. 1
Die spätern Rechtskundigen haben gestritten, ob das Ge-
richt seinen Gerichtszwang allein von dem Kaiser empfan-
gen habe, oder zugleich von den Fürsten: so viel ist offen-
bar, daß es seinen ganzen Charakter veränderte und aus
einem kaiserlichen ein vorzugsweise ständisches Institut
wurde. Daraus folgte denn auch, daß es nicht mehr
mit dem Hofe wandern, sondern an Einem Ort im Reich
unabänderlich die festgesetzten Gerichstage halten sollte.

Dieses große Zugeständniß erwiederten die Stände nun

1 Notiz aus einem spätern Schreiben bei Harpprecht Staats-
Archiv des Reichskammergerichts II, p. 249.
Ranke d. Gesch. I. 8

Reichstag zu Worms 1495.
hatte. Es war das aber eins der größten Ereigniſſe der
Reichsgeſchichte. Maximilian willigte ein, daß das Gericht
auf die ſtatutariſchen Rechte Rückſicht zu nehmen, ſich mit
beſtimmten Sporteln zu begnügen habe; vor allem, er über-
ließ dem Richter das Ausſprechen der Reichsacht in ſei-
nem Namen, ja er verpflichtete ſich, von der einmal er-
gangenen Acht ohne Einwilligung des Beſchädigten nicht
loszuzählen. Wenn man bedenkt, daß die richterliche Ge-
walt wohl das vornehmſte Attribut des Kaiſerthums war,
ſo ſieht man wie viel dieſer Schritt zu bedeuten hat. Und
nicht genug, daß das höchſte Reichsgericht von der Willkühr
befreit ward, von der es bisher ſo viel leiden müſſen: ſon-
dern es ward auch von den Ständen beſetzt. Der König
ernannte nur den Vorſitzenden, den Kammerrichter; die
Beiſitzer wurden von den Ständen präſentirt; auch die
Städte empfiengen zu ihrer großen Freude die Aufforde-
rung einige Perſonen in Vorſchlag zu bringen; es ward
ein Ausſchuß ernannt, um die Präſentationen anzunehmen. 1
Die ſpätern Rechtskundigen haben geſtritten, ob das Ge-
richt ſeinen Gerichtszwang allein von dem Kaiſer empfan-
gen habe, oder zugleich von den Fürſten: ſo viel iſt offen-
bar, daß es ſeinen ganzen Charakter veränderte und aus
einem kaiſerlichen ein vorzugsweiſe ſtändiſches Inſtitut
wurde. Daraus folgte denn auch, daß es nicht mehr
mit dem Hofe wandern, ſondern an Einem Ort im Reich
unabänderlich die feſtgeſetzten Gerichstage halten ſollte.

Dieſes große Zugeſtändniß erwiederten die Stände nun

1 Notiz aus einem ſpaͤtern Schreiben bei Harpprecht Staats-
Archiv des Reichskammergerichts II, p. 249.
Ranke d. Geſch. I. 8
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[113/0131] Reichstag zu Worms 1495. hatte. Es war das aber eins der größten Ereigniſſe der Reichsgeſchichte. Maximilian willigte ein, daß das Gericht auf die ſtatutariſchen Rechte Rückſicht zu nehmen, ſich mit beſtimmten Sporteln zu begnügen habe; vor allem, er über- ließ dem Richter das Ausſprechen der Reichsacht in ſei- nem Namen, ja er verpflichtete ſich, von der einmal er- gangenen Acht ohne Einwilligung des Beſchädigten nicht loszuzählen. Wenn man bedenkt, daß die richterliche Ge- walt wohl das vornehmſte Attribut des Kaiſerthums war, ſo ſieht man wie viel dieſer Schritt zu bedeuten hat. Und nicht genug, daß das höchſte Reichsgericht von der Willkühr befreit ward, von der es bisher ſo viel leiden müſſen: ſon- dern es ward auch von den Ständen beſetzt. Der König ernannte nur den Vorſitzenden, den Kammerrichter; die Beiſitzer wurden von den Ständen präſentirt; auch die Städte empfiengen zu ihrer großen Freude die Aufforde- rung einige Perſonen in Vorſchlag zu bringen; es ward ein Ausſchuß ernannt, um die Präſentationen anzunehmen. 1 Die ſpätern Rechtskundigen haben geſtritten, ob das Ge- richt ſeinen Gerichtszwang allein von dem Kaiſer empfan- gen habe, oder zugleich von den Fürſten: ſo viel iſt offen- bar, daß es ſeinen ganzen Charakter veränderte und aus einem kaiſerlichen ein vorzugsweiſe ſtändiſches Inſtitut wurde. Daraus folgte denn auch, daß es nicht mehr mit dem Hofe wandern, ſondern an Einem Ort im Reich unabänderlich die feſtgeſetzten Gerichstage halten ſollte. Dieſes große Zugeſtändniß erwiederten die Stände nun 1 Notiz aus einem ſpaͤtern Schreiben bei Harpprecht Staats- Archiv des Reichskammergerichts II, p. 249. Ranke d. Geſch. I. 8

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/131>, abgerufen am 24.11.2024.