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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag von Lindau 1496.

Eben so wenig dachte er daran, den gemeinen Pfen-
nig, wie er zugesagt, zuerst in seinem eignen Lande einsam-
meln zu lassen. Zu der für den ersten Februar anberaum-
ten Zusammenkunft erschien er nicht; sie kam gar nicht zu
Stande. 1

Man muß sich wundern daß man den Ruhm, die
Reichsverfassung begründet zu haben, so lange und so all-
gemein dem Könige beigemessen hat, dem die Entwürfe zu
derselben aufgedrungen werden mußten, und der dann deren
Ausführung bei weitem mehr verhinderte als begünstigte.

Ohne Zweifel wäre alles zu Grunde gegangen, wäre
dem Könige nicht ein Fürst entgegengetreten, der die vor-
nehmsten Gedanken gefaßt, die Sache hauptsächlich so weit
geführt hatte, und nun nicht gemeint war, sie so leicht
fallen zu lassen; Churfürst Berthold zu Mainz, geborner
Graf zu Henneberg. 2 Schon unter Friedrich III, in des-
sen Dienste er ziemlich früh kam, hatte er an allen Ver-
suchen, das Reich in bessere Ordnung zu bringen, thäti-
gen Antheil: im J. 1486 war er Churfürst von Mainz
geworden und seitdem an die Spitze der Stände getreten.
Es giebt Männer, deren Daseyn in dem was sie thun,
aufgeht; in ihren Studien und ihren Geschäften: da müs-
sen wir sie aufsuchen wenn wir sie kennen lernen wollen:
ihre Persönlichkeit an sich zieht die Beobachtung nicht auf

1 In den Fr. A. finden sich mehrere Schreiben um Herbergen
z. B. von Jülich Cölln Mainz; aber auch zugleich ein Schreiben
von Frankf. selbst Samstag nach Juvocavit, daß noch Niemand er-
schienen sey.
2 Römhilder Linie, geb. 1442. Diplomatische Geschichte des
Hauses Henneberg p. 377.
Reichstag von Lindau 1496.

Eben ſo wenig dachte er daran, den gemeinen Pfen-
nig, wie er zugeſagt, zuerſt in ſeinem eignen Lande einſam-
meln zu laſſen. Zu der für den erſten Februar anberaum-
ten Zuſammenkunft erſchien er nicht; ſie kam gar nicht zu
Stande. 1

Man muß ſich wundern daß man den Ruhm, die
Reichsverfaſſung begründet zu haben, ſo lange und ſo all-
gemein dem Könige beigemeſſen hat, dem die Entwürfe zu
derſelben aufgedrungen werden mußten, und der dann deren
Ausführung bei weitem mehr verhinderte als begünſtigte.

Ohne Zweifel wäre alles zu Grunde gegangen, wäre
dem Könige nicht ein Fürſt entgegengetreten, der die vor-
nehmſten Gedanken gefaßt, die Sache hauptſächlich ſo weit
geführt hatte, und nun nicht gemeint war, ſie ſo leicht
fallen zu laſſen; Churfürſt Berthold zu Mainz, geborner
Graf zu Henneberg. 2 Schon unter Friedrich III, in deſ-
ſen Dienſte er ziemlich früh kam, hatte er an allen Ver-
ſuchen, das Reich in beſſere Ordnung zu bringen, thäti-
gen Antheil: im J. 1486 war er Churfürſt von Mainz
geworden und ſeitdem an die Spitze der Stände getreten.
Es giebt Männer, deren Daſeyn in dem was ſie thun,
aufgeht; in ihren Studien und ihren Geſchäften: da müſ-
ſen wir ſie aufſuchen wenn wir ſie kennen lernen wollen:
ihre Perſönlichkeit an ſich zieht die Beobachtung nicht auf

1 In den Fr. A. finden ſich mehrere Schreiben um Herbergen
z. B. von Juͤlich Coͤlln Mainz; aber auch zugleich ein Schreiben
von Frankf. ſelbſt Samſtag nach Juvocavit, daß noch Niemand er-
ſchienen ſey.
2 Roͤmhilder Linie, geb. 1442. Diplomatiſche Geſchichte des
Hauſes Henneberg p. 377.
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[121/0139] Reichstag von Lindau 1496. Eben ſo wenig dachte er daran, den gemeinen Pfen- nig, wie er zugeſagt, zuerſt in ſeinem eignen Lande einſam- meln zu laſſen. Zu der für den erſten Februar anberaum- ten Zuſammenkunft erſchien er nicht; ſie kam gar nicht zu Stande. 1 Man muß ſich wundern daß man den Ruhm, die Reichsverfaſſung begründet zu haben, ſo lange und ſo all- gemein dem Könige beigemeſſen hat, dem die Entwürfe zu derſelben aufgedrungen werden mußten, und der dann deren Ausführung bei weitem mehr verhinderte als begünſtigte. Ohne Zweifel wäre alles zu Grunde gegangen, wäre dem Könige nicht ein Fürſt entgegengetreten, der die vor- nehmſten Gedanken gefaßt, die Sache hauptſächlich ſo weit geführt hatte, und nun nicht gemeint war, ſie ſo leicht fallen zu laſſen; Churfürſt Berthold zu Mainz, geborner Graf zu Henneberg. 2 Schon unter Friedrich III, in deſ- ſen Dienſte er ziemlich früh kam, hatte er an allen Ver- ſuchen, das Reich in beſſere Ordnung zu bringen, thäti- gen Antheil: im J. 1486 war er Churfürſt von Mainz geworden und ſeitdem an die Spitze der Stände getreten. Es giebt Männer, deren Daſeyn in dem was ſie thun, aufgeht; in ihren Studien und ihren Geſchäften: da müſ- ſen wir ſie aufſuchen wenn wir ſie kennen lernen wollen: ihre Perſönlichkeit an ſich zieht die Beobachtung nicht auf 1 In den Fr. A. finden ſich mehrere Schreiben um Herbergen z. B. von Juͤlich Coͤlln Mainz; aber auch zugleich ein Schreiben von Frankf. ſelbſt Samſtag nach Juvocavit, daß noch Niemand er- ſchienen ſey. 2 Roͤmhilder Linie, geb. 1442. Diplomatiſche Geſchichte des Hauſes Henneberg p. 377.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/139>, abgerufen am 21.11.2024.