nigs Erzherzog Philipp von Bregenz herüber: am 7ten September ward die erste Sitzung gehalten. Der Chur- fürst von Mainz nahm seinen Platz in der Mitte, zu sei- ner Rechten saßen die Fürsten, der Erzherzog zum ersten Mal unter ihnen, zu seiner Linken die Botschafter der nicht persönlich erschienenen, die Abgeordneten der Städte stan- den ihm gegenüber. In der Mitte war eine Bank für die königlichen Räthe, Conrad Stürzel und Walter von Andlo.
Der Churfürst leitet die Verhandlungen mit unbestrit- tener Autorität. Sie halten inne, wenn er sich einmal entfernt, was jedoch immer nur auf kurze Zeit geschieht; kommt er dann wieder, so führt er das Wort, wie in der Versammlung so in dem Ausschuß; er macht die Vor- schläge, ruft die Bewilligungen hervor, und weiß die Be- vollmächtigten bei denselben fest zu halten. Er verbirgt den Schmerz nicht, den es ihm erregt das Reich so in Ver- fall zu erblicken. "Noch zu Carls IV und Sigmunds Zeiten habe man es in Italien anerkannt: was jetzt nicht mehr geschehe. Der König von Böhmen sey ein Chur- fürst des Reiches: was thue er dem Reiche dafür? viel- mehr habe er Mähren und Schlesien auch noch losgeris- sen. In unaufhörlicher Bedrängniß seyen Preußen und Liefland: Niemand kümmere sich darum. Ja das Wenige was vom Reich übrig sey, werde ihm täglich entzogen und Dem oder Jenem verschrieben. Die Ordnungen von Worms seyen gemacht, um des Reiches Fall zu verhüten: allein es fehle an Einigkeit und wechselseitigem Vertrauen, um sie aufrecht zu erhalten. Woher komme es, daß die Eidgenossenschaft so in allgemeinem Ansehn stehe: daß sie
Erſtes Buch.
nigs Erzherzog Philipp von Bregenz herüber: am 7ten September ward die erſte Sitzung gehalten. Der Chur- fürſt von Mainz nahm ſeinen Platz in der Mitte, zu ſei- ner Rechten ſaßen die Fürſten, der Erzherzog zum erſten Mal unter ihnen, zu ſeiner Linken die Botſchafter der nicht perſönlich erſchienenen, die Abgeordneten der Städte ſtan- den ihm gegenüber. In der Mitte war eine Bank für die königlichen Räthe, Conrad Stürzel und Walter von Andlo.
Der Churfürſt leitet die Verhandlungen mit unbeſtrit- tener Autorität. Sie halten inne, wenn er ſich einmal entfernt, was jedoch immer nur auf kurze Zeit geſchieht; kommt er dann wieder, ſo führt er das Wort, wie in der Verſammlung ſo in dem Ausſchuß; er macht die Vor- ſchläge, ruft die Bewilligungen hervor, und weiß die Be- vollmächtigten bei denſelben feſt zu halten. Er verbirgt den Schmerz nicht, den es ihm erregt das Reich ſo in Ver- fall zu erblicken. „Noch zu Carls IV und Sigmunds Zeiten habe man es in Italien anerkannt: was jetzt nicht mehr geſchehe. Der König von Böhmen ſey ein Chur- fürſt des Reiches: was thue er dem Reiche dafür? viel- mehr habe er Mähren und Schleſien auch noch losgeriſ- ſen. In unaufhörlicher Bedrängniß ſeyen Preußen und Liefland: Niemand kümmere ſich darum. Ja das Wenige was vom Reich übrig ſey, werde ihm täglich entzogen und Dem oder Jenem verſchrieben. Die Ordnungen von Worms ſeyen gemacht, um des Reiches Fall zu verhüten: allein es fehle an Einigkeit und wechſelſeitigem Vertrauen, um ſie aufrecht zu erhalten. Woher komme es, daß die Eidgenoſſenſchaft ſo in allgemeinem Anſehn ſtehe: daß ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="124"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſtes Buch</hi>.</fw><lb/>
nigs Erzherzog Philipp von Bregenz herüber: am 7ten<lb/>
September ward die erſte Sitzung gehalten. Der Chur-<lb/>
fürſt von Mainz nahm ſeinen Platz in der Mitte, zu ſei-<lb/>
ner Rechten ſaßen die Fürſten, der Erzherzog zum erſten<lb/>
Mal unter ihnen, zu ſeiner Linken die Botſchafter der nicht<lb/>
perſönlich erſchienenen, die Abgeordneten der Städte ſtan-<lb/>
den ihm gegenüber. In der Mitte war eine Bank für die<lb/>
königlichen Räthe, Conrad Stürzel und Walter von Andlo.</p><lb/><p>Der Churfürſt leitet die Verhandlungen mit unbeſtrit-<lb/>
tener Autorität. Sie halten inne, wenn er ſich einmal<lb/>
entfernt, was jedoch immer nur auf kurze Zeit geſchieht;<lb/>
kommt er dann wieder, ſo führt er das Wort, wie in der<lb/>
Verſammlung ſo in dem Ausſchuß; er macht die Vor-<lb/>ſchläge, ruft die Bewilligungen hervor, und weiß die Be-<lb/>
vollmächtigten bei denſelben feſt zu halten. Er verbirgt den<lb/>
Schmerz nicht, den es ihm erregt das Reich ſo in Ver-<lb/>
fall zu erblicken. „Noch zu Carls <hirendition="#aq">IV</hi> und Sigmunds<lb/>
Zeiten habe man es in Italien anerkannt: was jetzt nicht<lb/>
mehr geſchehe. Der König von Böhmen ſey ein Chur-<lb/>
fürſt des Reiches: was thue er dem Reiche dafür? viel-<lb/>
mehr habe er Mähren und Schleſien auch noch losgeriſ-<lb/>ſen. In unaufhörlicher Bedrängniß ſeyen Preußen und<lb/>
Liefland: Niemand kümmere ſich darum. Ja das Wenige<lb/>
was vom Reich übrig ſey, werde ihm täglich entzogen<lb/>
und Dem oder Jenem verſchrieben. Die Ordnungen von<lb/>
Worms ſeyen gemacht, um des Reiches Fall zu verhüten:<lb/>
allein es fehle an Einigkeit und wechſelſeitigem Vertrauen,<lb/>
um ſie aufrecht zu erhalten. Woher komme es, daß die<lb/>
Eidgenoſſenſchaft ſo in allgemeinem Anſehn ſtehe: daß ſie<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[124/0142]
Erſtes Buch.
nigs Erzherzog Philipp von Bregenz herüber: am 7ten
September ward die erſte Sitzung gehalten. Der Chur-
fürſt von Mainz nahm ſeinen Platz in der Mitte, zu ſei-
ner Rechten ſaßen die Fürſten, der Erzherzog zum erſten
Mal unter ihnen, zu ſeiner Linken die Botſchafter der nicht
perſönlich erſchienenen, die Abgeordneten der Städte ſtan-
den ihm gegenüber. In der Mitte war eine Bank für die
königlichen Räthe, Conrad Stürzel und Walter von Andlo.
Der Churfürſt leitet die Verhandlungen mit unbeſtrit-
tener Autorität. Sie halten inne, wenn er ſich einmal
entfernt, was jedoch immer nur auf kurze Zeit geſchieht;
kommt er dann wieder, ſo führt er das Wort, wie in der
Verſammlung ſo in dem Ausſchuß; er macht die Vor-
ſchläge, ruft die Bewilligungen hervor, und weiß die Be-
vollmächtigten bei denſelben feſt zu halten. Er verbirgt den
Schmerz nicht, den es ihm erregt das Reich ſo in Ver-
fall zu erblicken. „Noch zu Carls IV und Sigmunds
Zeiten habe man es in Italien anerkannt: was jetzt nicht
mehr geſchehe. Der König von Böhmen ſey ein Chur-
fürſt des Reiches: was thue er dem Reiche dafür? viel-
mehr habe er Mähren und Schleſien auch noch losgeriſ-
ſen. In unaufhörlicher Bedrängniß ſeyen Preußen und
Liefland: Niemand kümmere ſich darum. Ja das Wenige
was vom Reich übrig ſey, werde ihm täglich entzogen
und Dem oder Jenem verſchrieben. Die Ordnungen von
Worms ſeyen gemacht, um des Reiches Fall zu verhüten:
allein es fehle an Einigkeit und wechſelſeitigem Vertrauen,
um ſie aufrecht zu erhalten. Woher komme es, daß die
Eidgenoſſenſchaft ſo in allgemeinem Anſehn ſtehe: daß ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/142>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.