Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Kriegszüge 1506.
Veränderung der Dynastie wieder in die Ferne traten, so
entschlossen sich die ungrischen Großen zwar nicht ihren
Beschluß gradezu zurückzunehmen, aber auch nicht, dar-
auf zu bestehen. Ein Ausschuß der Stände stellte eine
unbeschränkte Vollmacht zum Abschluß des Friedens aus,
der dann im Juli 1506 zu Wien zu Stande kam und in
welchem sich Maximilian sein Erbrecht aufs neue vorbe-
hielt. Obwohl die Anerkennung welche die ungrischen
Stände durch die Annahme dieses Vertrages aussprachen,
nur indirect ist, so fand doch Maximilian seine und der
deutschen Nation Rechte dadurch hinreichend gewährleistet. 1

Und nun wandte er seine Aufmerksamkeit und seine
Kräfte auf Italien. Ohne den Besitz der Krone und des
kaiserlichen Titels glaubte er noch nicht zu seiner vollen
Würde gelangt zu seyn.

Da zeigte sich aber doch daß er mit der kleinen Mann-
schaft, die ihm von Ungern folgte, nicht auskommen würde.

Ludwig XII, mit dem er noch vor kurzem die engste
Verbindung ihrer beiderseitigen Häuser verabredet, war durch
seine Stände auf andre Ideen gebracht worden. Es schien
ihm jetzt nicht mehr gut, den ehrgeizigen, beweglichen, von
einer kriegerischen Nation in diesem Augenblicke unterstütz-
ten Maximilian in Italien Fuß fassen zu lassen. Die Ve-
nezianer schlossen sich ihm darin an. In dem Augenblick,
daß Maximilian sich ihren Grenzen näherte, eilten sie -- ein

1 Maximilian bezeichnet in seiner Erklärung an die Stände
den Wiener Vertrag als einen Tractat, "dadurch J. K. Mt und
deutsche Nation, ob Gott will, an ihrer erblichen und andern Gerech-
tigkeit des Königreichs Ungern, wenn es zu Fällen kommt, nicht Man-
gel haben werde.

Kriegszuͤge 1506.
Veränderung der Dynaſtie wieder in die Ferne traten, ſo
entſchloſſen ſich die ungriſchen Großen zwar nicht ihren
Beſchluß gradezu zurückzunehmen, aber auch nicht, dar-
auf zu beſtehen. Ein Ausſchuß der Stände ſtellte eine
unbeſchränkte Vollmacht zum Abſchluß des Friedens aus,
der dann im Juli 1506 zu Wien zu Stande kam und in
welchem ſich Maximilian ſein Erbrecht aufs neue vorbe-
hielt. Obwohl die Anerkennung welche die ungriſchen
Stände durch die Annahme dieſes Vertrages ausſprachen,
nur indirect iſt, ſo fand doch Maximilian ſeine und der
deutſchen Nation Rechte dadurch hinreichend gewährleiſtet. 1

Und nun wandte er ſeine Aufmerkſamkeit und ſeine
Kräfte auf Italien. Ohne den Beſitz der Krone und des
kaiſerlichen Titels glaubte er noch nicht zu ſeiner vollen
Würde gelangt zu ſeyn.

Da zeigte ſich aber doch daß er mit der kleinen Mann-
ſchaft, die ihm von Ungern folgte, nicht auskommen würde.

Ludwig XII, mit dem er noch vor kurzem die engſte
Verbindung ihrer beiderſeitigen Häuſer verabredet, war durch
ſeine Stände auf andre Ideen gebracht worden. Es ſchien
ihm jetzt nicht mehr gut, den ehrgeizigen, beweglichen, von
einer kriegeriſchen Nation in dieſem Augenblicke unterſtütz-
ten Maximilian in Italien Fuß faſſen zu laſſen. Die Ve-
nezianer ſchloſſen ſich ihm darin an. In dem Augenblick,
daß Maximilian ſich ihren Grenzen näherte, eilten ſie — ein

1 Maximilian bezeichnet in ſeiner Erklaͤrung an die Staͤnde
den Wiener Vertrag als einen Tractat, „dadurch J. K. Mt und
deutſche Nation, ob Gott will, an ihrer erblichen und andern Gerech-
tigkeit des Koͤnigreichs Ungern, wenn es zu Faͤllen kommt, nicht Man-
gel haben werde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="169"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kriegszu&#x0364;ge</hi> 1506.</fw><lb/>
Veränderung der Dyna&#x017F;tie wieder in die Ferne traten, &#x017F;o<lb/>
ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die ungri&#x017F;chen Großen zwar nicht ihren<lb/>
Be&#x017F;chluß gradezu zurückzunehmen, aber auch nicht, dar-<lb/>
auf zu be&#x017F;tehen. Ein Aus&#x017F;chuß der Stände &#x017F;tellte eine<lb/>
unbe&#x017F;chränkte Vollmacht zum Ab&#x017F;chluß des Friedens aus,<lb/>
der dann im Juli 1506 zu Wien zu Stande kam und in<lb/>
welchem &#x017F;ich Maximilian &#x017F;ein Erbrecht aufs neue vorbe-<lb/>
hielt. Obwohl die Anerkennung welche die ungri&#x017F;chen<lb/>
Stände durch die Annahme die&#x017F;es Vertrages aus&#x017F;prachen,<lb/>
nur indirect i&#x017F;t, &#x017F;o fand doch Maximilian &#x017F;eine und der<lb/>
deut&#x017F;chen Nation Rechte dadurch hinreichend gewährlei&#x017F;tet. <note place="foot" n="1">Maximilian bezeichnet in &#x017F;einer Erkla&#x0364;rung an die Sta&#x0364;nde<lb/>
den Wiener Vertrag als einen Tractat, &#x201E;dadurch J. K. Mt und<lb/>
deut&#x017F;che Nation, ob Gott will, an ihrer erblichen und andern Gerech-<lb/>
tigkeit des Ko&#x0364;nigreichs Ungern, wenn es zu Fa&#x0364;llen kommt, nicht Man-<lb/>
gel haben werde.</note></p><lb/>
          <p>Und nun wandte er &#x017F;eine Aufmerk&#x017F;amkeit und &#x017F;eine<lb/>
Kräfte auf Italien. Ohne den Be&#x017F;itz der Krone und des<lb/>
kai&#x017F;erlichen Titels glaubte er noch nicht zu &#x017F;einer vollen<lb/>
Würde gelangt zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Da zeigte &#x017F;ich aber doch daß er mit der kleinen Mann-<lb/>
&#x017F;chaft, die ihm von Ungern folgte, nicht auskommen würde.</p><lb/>
          <p>Ludwig <hi rendition="#aq">XII,</hi> mit dem er noch vor kurzem die eng&#x017F;te<lb/>
Verbindung ihrer beider&#x017F;eitigen Häu&#x017F;er verabredet, war durch<lb/>
&#x017F;eine Stände auf andre Ideen gebracht worden. Es &#x017F;chien<lb/>
ihm jetzt nicht mehr gut, den ehrgeizigen, beweglichen, von<lb/>
einer kriegeri&#x017F;chen Nation in die&#x017F;em Augenblicke unter&#x017F;tütz-<lb/>
ten Maximilian in Italien Fuß fa&#x017F;&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en. Die Ve-<lb/>
nezianer &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich ihm darin an. In dem Augenblick,<lb/>
daß Maximilian &#x017F;ich ihren Grenzen näherte, eilten &#x017F;ie &#x2014; ein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0187] Kriegszuͤge 1506. Veränderung der Dynaſtie wieder in die Ferne traten, ſo entſchloſſen ſich die ungriſchen Großen zwar nicht ihren Beſchluß gradezu zurückzunehmen, aber auch nicht, dar- auf zu beſtehen. Ein Ausſchuß der Stände ſtellte eine unbeſchränkte Vollmacht zum Abſchluß des Friedens aus, der dann im Juli 1506 zu Wien zu Stande kam und in welchem ſich Maximilian ſein Erbrecht aufs neue vorbe- hielt. Obwohl die Anerkennung welche die ungriſchen Stände durch die Annahme dieſes Vertrages ausſprachen, nur indirect iſt, ſo fand doch Maximilian ſeine und der deutſchen Nation Rechte dadurch hinreichend gewährleiſtet. 1 Und nun wandte er ſeine Aufmerkſamkeit und ſeine Kräfte auf Italien. Ohne den Beſitz der Krone und des kaiſerlichen Titels glaubte er noch nicht zu ſeiner vollen Würde gelangt zu ſeyn. Da zeigte ſich aber doch daß er mit der kleinen Mann- ſchaft, die ihm von Ungern folgte, nicht auskommen würde. Ludwig XII, mit dem er noch vor kurzem die engſte Verbindung ihrer beiderſeitigen Häuſer verabredet, war durch ſeine Stände auf andre Ideen gebracht worden. Es ſchien ihm jetzt nicht mehr gut, den ehrgeizigen, beweglichen, von einer kriegeriſchen Nation in dieſem Augenblicke unterſtütz- ten Maximilian in Italien Fuß faſſen zu laſſen. Die Ve- nezianer ſchloſſen ſich ihm darin an. In dem Augenblick, daß Maximilian ſich ihren Grenzen näherte, eilten ſie — ein 1 Maximilian bezeichnet in ſeiner Erklaͤrung an die Staͤnde den Wiener Vertrag als einen Tractat, „dadurch J. K. Mt und deutſche Nation, ob Gott will, an ihrer erblichen und andern Gerech- tigkeit des Koͤnigreichs Ungern, wenn es zu Faͤllen kommt, nicht Man- gel haben werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/187
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/187>, abgerufen am 21.05.2024.