überaus wichtiges Zugeständniß. Er sprach sie von den Reichsgerichten förmlich los. Weder in peinlichen noch in bürgerlichen noch in vermischten Sachen, erklärte er, solle die Eidgenossenschaft oder ein Mitglied derselben vor das Kammergericht oder vor ein andres königliches Ge- richt geladen werden können. 1
Es ist das aber für alle folgende Zeiten entscheidend gewesen. Eben indem das Reich sich zu dem Matricular- anschlag und dem Kammergericht vereinigte, verzichtete es darauf, auch die Schweizer anzuschlagen -- es nahm viel- mehr ihre Truppen in seinen Sold -- und gab seine Ge- richtsbarkeit über sie auf. Sie wurden, wie Maximilian sich ausdrückt, "gehorsame Verwandte des Reichs," denen man in ihrer Widerwärtigkeit Rückhalt zu verleihen habe.
Liegt nun hierin ohne Zweifel der eigentliche staats- rechtliche Grund der sich immer mehr entwickelnden Tren- nung der Schweiz vom Reiche, so war es doch für den Augenblick die glücklichste Auskunft. Auch diese Zwietracht war fürs Erste beseitigt. Maximilian erschien mächtiger glänzender als je. Die Fremden zweifelten nicht, was man ihnen zu verstehen gegeben, daß er 30000 Mann im Felde haben werde; die Kriegsbewegungen, die ihnen in einigen schwäbischen Städten begegneten, erfüllten sie mit der Idee daß das Reich mit aller seiner Kraft sich rüste.
Maximilian wiegte sich in den weitaussehendsten Hof- nungen. Er erklärte, mit der trefflichen Hülfe die man ihm gewähre hoffe er in Italien alles zu reformiren, was
das
1 Fryheitsbull bei Anshelm III, 321.
Erſtes Buch.
überaus wichtiges Zugeſtändniß. Er ſprach ſie von den Reichsgerichten förmlich los. Weder in peinlichen noch in bürgerlichen noch in vermiſchten Sachen, erklärte er, ſolle die Eidgenoſſenſchaft oder ein Mitglied derſelben vor das Kammergericht oder vor ein andres königliches Ge- richt geladen werden können. 1
Es iſt das aber für alle folgende Zeiten entſcheidend geweſen. Eben indem das Reich ſich zu dem Matricular- anſchlag und dem Kammergericht vereinigte, verzichtete es darauf, auch die Schweizer anzuſchlagen — es nahm viel- mehr ihre Truppen in ſeinen Sold — und gab ſeine Ge- richtsbarkeit über ſie auf. Sie wurden, wie Maximilian ſich ausdrückt, „gehorſame Verwandte des Reichs,“ denen man in ihrer Widerwärtigkeit Rückhalt zu verleihen habe.
Liegt nun hierin ohne Zweifel der eigentliche ſtaats- rechtliche Grund der ſich immer mehr entwickelnden Tren- nung der Schweiz vom Reiche, ſo war es doch für den Augenblick die glücklichſte Auskunft. Auch dieſe Zwietracht war fürs Erſte beſeitigt. Maximilian erſchien mächtiger glänzender als je. Die Fremden zweifelten nicht, was man ihnen zu verſtehen gegeben, daß er 30000 Mann im Felde haben werde; die Kriegsbewegungen, die ihnen in einigen ſchwäbiſchen Städten begegneten, erfüllten ſie mit der Idee daß das Reich mit aller ſeiner Kraft ſich rüſte.
Maximilian wiegte ſich in den weitausſehendſten Hof- nungen. Er erklärte, mit der trefflichen Hülfe die man ihm gewähre hoffe er in Italien alles zu reformiren, was
das
1 Fryheitsbull bei Anshelm III, 321.
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Erſtes Buch.
überaus wichtiges Zugeſtändniß. Er ſprach ſie von den
Reichsgerichten förmlich los. Weder in peinlichen noch
in bürgerlichen noch in vermiſchten Sachen, erklärte er,
ſolle die Eidgenoſſenſchaft oder ein Mitglied derſelben vor
das Kammergericht oder vor ein andres königliches Ge-
richt geladen werden können. 1
Es iſt das aber für alle folgende Zeiten entſcheidend
geweſen. Eben indem das Reich ſich zu dem Matricular-
anſchlag und dem Kammergericht vereinigte, verzichtete es
darauf, auch die Schweizer anzuſchlagen — es nahm viel-
mehr ihre Truppen in ſeinen Sold — und gab ſeine Ge-
richtsbarkeit über ſie auf. Sie wurden, wie Maximilian
ſich ausdrückt, „gehorſame Verwandte des Reichs,“ denen
man in ihrer Widerwärtigkeit Rückhalt zu verleihen habe.
Liegt nun hierin ohne Zweifel der eigentliche ſtaats-
rechtliche Grund der ſich immer mehr entwickelnden Tren-
nung der Schweiz vom Reiche, ſo war es doch für den
Augenblick die glücklichſte Auskunft. Auch dieſe Zwietracht
war fürs Erſte beſeitigt. Maximilian erſchien mächtiger
glänzender als je. Die Fremden zweifelten nicht, was
man ihnen zu verſtehen gegeben, daß er 30000 Mann im
Felde haben werde; die Kriegsbewegungen, die ihnen in
einigen ſchwäbiſchen Städten begegneten, erfüllten ſie mit der
Idee daß das Reich mit aller ſeiner Kraft ſich rüſte.
Maximilian wiegte ſich in den weitausſehendſten Hof-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/194>, abgerufen am 21.11.2024.
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