Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

In Schule und Literatur mag man kirchliche und politi-
sche Geschichte von einander sondern: in dem lebendigen
Daseyn sind sie jeden Augenblick verbunden und durchdrin-
gen einander.

Wie es überhaupt keine menschliche Thätigkeit von
wahrhafter, geistiger Bedeutung geben wird, die nicht in
einer tieferen mehr oder minder bewußten Beziehung zu
Gott und göttlichen Dingen ihren Ursprung hätte, so läßt
sich eine große, des Namens würdige Nation gar nicht
denken, deren politisches Leben nicht unaufhörlich von re-
ligiösen Ideen erhoben und geleitet würde, welche sie dann
weiter auszubilden, zu einem allgemein gültigen Ausdruck
und einer öffentlichen Darstellung zu bringen hat.

Nicht zu läugnen ist es, daß die Nationen hiedurch in
einen gewissen Widerstreit in sich selbst gerathen. Die Natio-
nalität bewegt sich innerhalb ihrer natürlichen, schon durch
die Selbständigkeit der Nachbarn festgesetzten Schranken:
die Religion, seit einmal diejenige in der Welt erschienen
ist, die den Anspruch und das Recht dazu hat, strebt ewig

1*

In Schule und Literatur mag man kirchliche und politi-
ſche Geſchichte von einander ſondern: in dem lebendigen
Daſeyn ſind ſie jeden Augenblick verbunden und durchdrin-
gen einander.

Wie es überhaupt keine menſchliche Thätigkeit von
wahrhafter, geiſtiger Bedeutung geben wird, die nicht in
einer tieferen mehr oder minder bewußten Beziehung zu
Gott und göttlichen Dingen ihren Urſprung hätte, ſo läßt
ſich eine große, des Namens würdige Nation gar nicht
denken, deren politiſches Leben nicht unaufhörlich von re-
ligiöſen Ideen erhoben und geleitet würde, welche ſie dann
weiter auszubilden, zu einem allgemein gültigen Ausdruck
und einer öffentlichen Darſtellung zu bringen hat.

Nicht zu läugnen iſt es, daß die Nationen hiedurch in
einen gewiſſen Widerſtreit in ſich ſelbſt gerathen. Die Natio-
nalität bewegt ſich innerhalb ihrer natürlichen, ſchon durch
die Selbſtändigkeit der Nachbarn feſtgeſetzten Schranken:
die Religion, ſeit einmal diejenige in der Welt erſchienen
iſt, die den Anſpruch und das Recht dazu hat, ſtrebt ewig

1*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0021" n="[3]"/>
        <p><hi rendition="#in">I</hi>n Schule und Literatur mag man kirchliche und politi-<lb/>
&#x017F;che Ge&#x017F;chichte von einander &#x017F;ondern: in dem lebendigen<lb/>
Da&#x017F;eyn &#x017F;ind &#x017F;ie jeden Augenblick verbunden und durchdrin-<lb/>
gen einander.</p><lb/>
        <p>Wie es überhaupt keine men&#x017F;chliche Thätigkeit von<lb/>
wahrhafter, gei&#x017F;tiger Bedeutung geben wird, die nicht in<lb/>
einer tieferen mehr oder minder bewußten Beziehung zu<lb/>
Gott und göttlichen Dingen ihren Ur&#x017F;prung hätte, &#x017F;o läßt<lb/>
&#x017F;ich eine große, des Namens würdige Nation gar nicht<lb/>
denken, deren politi&#x017F;ches Leben nicht unaufhörlich von re-<lb/>
ligiö&#x017F;en Ideen erhoben und geleitet würde, welche &#x017F;ie dann<lb/>
weiter auszubilden, zu einem allgemein gültigen Ausdruck<lb/>
und einer öffentlichen Dar&#x017F;tellung zu bringen hat.</p><lb/>
        <p>Nicht zu läugnen i&#x017F;t es, daß die Nationen hiedurch in<lb/>
einen gewi&#x017F;&#x017F;en Wider&#x017F;treit in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t gerathen. Die Natio-<lb/>
nalität bewegt &#x017F;ich innerhalb ihrer natürlichen, &#x017F;chon durch<lb/>
die Selb&#x017F;tändigkeit der Nachbarn fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Schranken:<lb/>
die Religion, &#x017F;eit einmal diejenige in der Welt er&#x017F;chienen<lb/>
i&#x017F;t, die den An&#x017F;pruch und das Recht dazu hat, &#x017F;trebt ewig<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">1*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[3]/0021] In Schule und Literatur mag man kirchliche und politi- ſche Geſchichte von einander ſondern: in dem lebendigen Daſeyn ſind ſie jeden Augenblick verbunden und durchdrin- gen einander. Wie es überhaupt keine menſchliche Thätigkeit von wahrhafter, geiſtiger Bedeutung geben wird, die nicht in einer tieferen mehr oder minder bewußten Beziehung zu Gott und göttlichen Dingen ihren Urſprung hätte, ſo läßt ſich eine große, des Namens würdige Nation gar nicht denken, deren politiſches Leben nicht unaufhörlich von re- ligiöſen Ideen erhoben und geleitet würde, welche ſie dann weiter auszubilden, zu einem allgemein gültigen Ausdruck und einer öffentlichen Darſtellung zu bringen hat. Nicht zu läugnen iſt es, daß die Nationen hiedurch in einen gewiſſen Widerſtreit in ſich ſelbſt gerathen. Die Natio- nalität bewegt ſich innerhalb ihrer natürlichen, ſchon durch die Selbſtändigkeit der Nachbarn feſtgeſetzten Schranken: die Religion, ſeit einmal diejenige in der Welt erſchienen iſt, die den Anſpruch und das Recht dazu hat, ſtrebt ewig 1*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/21
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/21>, abgerufen am 21.11.2024.