ment empor; hier waren die geistreichsten, tapfersten, gebildet- sten Völker, noch immer jugendlich, mit einander vereinigt.
Und so eben fieng auch diese Welt wieder an, sich ihrerseits auszubreiten. Schon vor vier Jahrhunderten hatte sie aus religiösen Beweggründen Eroberungsversuche auf den Orient gemacht, die aber nach anfänglichem Ge- lingen gescheitert waren; nur wenige Trümmer aus jenen Erwerbungen waren ihr übrig. Am Ende des funfzehnten Jahrhunderts dagegen eröffnete sich ihr ein neuer Schau- platz für eine unermeßliche Thätigkeit. Es war die Zeit der Entdeckungen beider Indien. Alle Elemente der euro- päischen Cultur, Studium der halbverwischten Erinnerun- gen aus dem Alterthum, technische Fortschritte, commerciel- ler und politischer Unternehmungsgeist, religiöser Schwung, wirkten zusammen, um dahin zu führen und sie zu benutzen.
Nothwendig aber veränderten sich damit alle Verhält- nisse der Völker; die westlichen Nationen bekamen eine neue überlegene Stellung oder wurden wenigstens fähig sie zu ergreifen.
Vor allem wandelte sich auch das Verhältniß der Religionen um. Das Christenthum, und zwar in den For- men welche es in der lateinischen Kirche angenommen, be- kam einen unerwarteten, neuen Einfluß in die entferntesten Gegenden. Es war für die Geschicke des Menschenge- schlechtes von einer verdoppelten Wichtigkeit, in welcher Ent- wickelung die lateinische Kirche begriffen war, welche sie weiter nehmen würde. Machte doch der römische Papst auf der Stelle den Anspruch, dem auch Niemand wider- sprach, die Länder die gefunden worden und noch gefun-
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ment empor; hier waren die geiſtreichſten, tapferſten, gebildet- ſten Völker, noch immer jugendlich, mit einander vereinigt.
Und ſo eben fieng auch dieſe Welt wieder an, ſich ihrerſeits auszubreiten. Schon vor vier Jahrhunderten hatte ſie aus religiöſen Beweggründen Eroberungsverſuche auf den Orient gemacht, die aber nach anfänglichem Ge- lingen geſcheitert waren; nur wenige Trümmer aus jenen Erwerbungen waren ihr übrig. Am Ende des funfzehnten Jahrhunderts dagegen eröffnete ſich ihr ein neuer Schau- platz für eine unermeßliche Thätigkeit. Es war die Zeit der Entdeckungen beider Indien. Alle Elemente der euro- päiſchen Cultur, Studium der halbverwiſchten Erinnerun- gen aus dem Alterthum, techniſche Fortſchritte, commerciel- ler und politiſcher Unternehmungsgeiſt, religiöſer Schwung, wirkten zuſammen, um dahin zu führen und ſie zu benutzen.
Nothwendig aber veränderten ſich damit alle Verhält- niſſe der Völker; die weſtlichen Nationen bekamen eine neue überlegene Stellung oder wurden wenigſtens fähig ſie zu ergreifen.
Vor allem wandelte ſich auch das Verhältniß der Religionen um. Das Chriſtenthum, und zwar in den For- men welche es in der lateiniſchen Kirche angenommen, be- kam einen unerwarteten, neuen Einfluß in die entfernteſten Gegenden. Es war für die Geſchicke des Menſchenge- ſchlechtes von einer verdoppelten Wichtigkeit, in welcher Ent- wickelung die lateiniſche Kirche begriffen war, welche ſie weiter nehmen würde. Machte doch der römiſche Papſt auf der Stelle den Anſpruch, dem auch Niemand wider- ſprach, die Länder die gefunden worden und noch gefun-
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Zweites Buch. Erſtes Capitel.
ment empor; hier waren die geiſtreichſten, tapferſten, gebildet-
ſten Völker, noch immer jugendlich, mit einander vereinigt.
Und ſo eben fieng auch dieſe Welt wieder an, ſich
ihrerſeits auszubreiten. Schon vor vier Jahrhunderten
hatte ſie aus religiöſen Beweggründen Eroberungsverſuche
auf den Orient gemacht, die aber nach anfänglichem Ge-
lingen geſcheitert waren; nur wenige Trümmer aus jenen
Erwerbungen waren ihr übrig. Am Ende des funfzehnten
Jahrhunderts dagegen eröffnete ſich ihr ein neuer Schau-
platz für eine unermeßliche Thätigkeit. Es war die Zeit
der Entdeckungen beider Indien. Alle Elemente der euro-
päiſchen Cultur, Studium der halbverwiſchten Erinnerun-
gen aus dem Alterthum, techniſche Fortſchritte, commerciel-
ler und politiſcher Unternehmungsgeiſt, religiöſer Schwung,
wirkten zuſammen, um dahin zu führen und ſie zu benutzen.
Nothwendig aber veränderten ſich damit alle Verhält-
niſſe der Völker; die weſtlichen Nationen bekamen eine neue
überlegene Stellung oder wurden wenigſtens fähig ſie zu
ergreifen.
Vor allem wandelte ſich auch das Verhältniß der
Religionen um. Das Chriſtenthum, und zwar in den For-
men welche es in der lateiniſchen Kirche angenommen, be-
kam einen unerwarteten, neuen Einfluß in die entfernteſten
Gegenden. Es war für die Geſchicke des Menſchenge-
ſchlechtes von einer verdoppelten Wichtigkeit, in welcher Ent-
wickelung die lateiniſche Kirche begriffen war, welche ſie
weiter nehmen würde. Machte doch der römiſche Papſt
auf der Stelle den Anſpruch, dem auch Niemand wider-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/250>, abgerufen am 21.11.2024.
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