Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Religiöse Stellung des Papstthums. hinzu: der Papst habe die Willkühr Gottes, sein Ausspruchsey statt aller Gründe; mit verwegener, sich selbst überbie- tender Dialectik werfen sie die Frage auf, ob man vom Papst an Gott appelliren dürfe, und beantworten sie ver- neinend, denn Gott habe mit dem Papst denselben Ge- richtshof und man könne von Niemand an ihn selber ap- pelliren. 1 Es ist unleugbar, daß das Papstthum den Sieg über Und man dürfte nicht glauben, daß in diesem Fort- Es könnte scheinen, als würde die weltliche Tendenz 1 Augustini Triumphi Summa bei Gieseler Kirchengeschichte II, III, 95. 2 Baselii auctarium Naucleri p. 993.
Religioͤſe Stellung des Papſtthums. hinzu: der Papſt habe die Willkühr Gottes, ſein Ausſpruchſey ſtatt aller Gründe; mit verwegener, ſich ſelbſt überbie- tender Dialectik werfen ſie die Frage auf, ob man vom Papſt an Gott appelliren dürfe, und beantworten ſie ver- neinend, denn Gott habe mit dem Papſt denſelben Ge- richtshof und man könne von Niemand an ihn ſelber ap- pelliren. 1 Es iſt unleugbar, daß das Papſtthum den Sieg über Und man dürfte nicht glauben, daß in dieſem Fort- Es könnte ſcheinen, als würde die weltliche Tendenz 1 Augustini Triumphi Summa bei Gieſeler Kirchengeſchichte II, III, 95. 2 Baselii auctarium Naucleri p. 993.
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Religioͤſe Stellung des Papſtthums.
hinzu: der Papſt habe die Willkühr Gottes, ſein Ausſpruch
ſey ſtatt aller Gründe; mit verwegener, ſich ſelbſt überbie-
tender Dialectik werfen ſie die Frage auf, ob man vom
Papſt an Gott appelliren dürfe, und beantworten ſie ver-
neinend, denn Gott habe mit dem Papſt denſelben Ge-
richtshof und man könne von Niemand an ihn ſelber ap-
pelliren. 1
Es iſt unleugbar, daß das Papſtthum den Sieg über
das Kaiſerthum bereits erfochten, von keinem Oberherrn
ja keinem Nebenbuhler etwas zu befürchten haben mußte,
ehe man Meinungen Lehren dieſer Art ausbilden konnte.
In dem Zeitalter der Kämpfe und Siege, mit der Thatſache
der Macht entwickelten ſich auch die Doctrinen der Hierar-
chie. Nie waren Theorie und Praxis enger verbunden.
Und man dürfte nicht glauben, daß in dieſem Fort-
gang der Dinge in dem funfzehnten Jahrhundert eine Un-
terbrechung ein Stillſtand eingetreten wäre. Erſt durch
die Synode von Coſtnitz ward es für Ketzerei erklärt die
Rechtmäßigkeit der Kelchentziehung zu leugnen; erſt von
Eugenius IV findet ſich eine förmliche Anerkennung der
Lehre von den ſieben Sacramenten; die ſonderbare Schul-
meinung von der unbefleckten Empfängniß Mariä ward erſt
in dieſer Zeit von den Concilien gebilligt, von den Päpſten
begünſtigt, von den Univerſitäten anerkannt. 2
Es könnte ſcheinen, als würde die weltliche Tendenz
der damaligen Päpſte, die vor allem das Leben zu genie-
1 Augustini Triumphi Summa bei Gieſeler Kirchengeſchichte
II, III, 95.
2 Baselii auctarium Naucleri p. 993.
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