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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
welche die Dominicaner sich zugezogen hatten. Eine so
lebhafte Theilnahme widmete die gebildete und vornehme
Welt den Bestrebungen der aufkommenden Literatur. So
kräftig war schon die Meinung der Gelehrten: es war ihr
erster Sieg.

Weder bei dem Kaiser noch bei der höhern Geistlich-
keit in Deutschland konnte die verfolgende Rechtgläubigkeit
durchdringen. Allein sie gab darum ihre Sache nicht ver-
loren. In Cölln verdammte man die Bücher Reuchlins
zum Feuer: man verschaffte sich übereinstimmende Urtheil-
sprüche der Facultäten zu Erfurt Mainz Löwen und Pa-
ris; so verstärkt wandte man sich an das höchste Tribu-
nal zu Rom: die rechtgläubige Theologie erschien vor dem
Papst und forderte ihn auf, den alten Verfechtern des rö-
mischen Stuhles mit seiner infalliblen Entscheidung gegen
die Neuerer zu Hülfe zu kommen.

Aber selbst in Rom gerieth man jetzt in Verlegenheit.
Sollte man die öffentliche Meinung beleidigen, die sich in
so einflußreichen Männern repräsentirte? mit dem was man
selbst dachte sich in Widerspruch setzen? -- Auf der andern
Seite, durfte man es wagen, das Urtheil der mächtigen Uni-
versitäten zu verwerfen, mit dem Orden zu brechen, der die
Prärogativen des römischen Stuhles so eifrig verfocht, den
Ablaß in aller Welt predigte und vertrieb? 1

In der Commission welche der Papst zu Rom nieder-
setzte, war die Mehrheit für Reuchlin: aber eine nicht unbe-
deutende Minderheit war gegen ihn, und der römische Stuhl

1 Erasmus ad Vergaram Opp. III, 1, 1015. Quis enim
magis timet monachos quam Romani pontifices?

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
welche die Dominicaner ſich zugezogen hatten. Eine ſo
lebhafte Theilnahme widmete die gebildete und vornehme
Welt den Beſtrebungen der aufkommenden Literatur. So
kräftig war ſchon die Meinung der Gelehrten: es war ihr
erſter Sieg.

Weder bei dem Kaiſer noch bei der höhern Geiſtlich-
keit in Deutſchland konnte die verfolgende Rechtgläubigkeit
durchdringen. Allein ſie gab darum ihre Sache nicht ver-
loren. In Cölln verdammte man die Bücher Reuchlins
zum Feuer: man verſchaffte ſich übereinſtimmende Urtheil-
ſprüche der Facultäten zu Erfurt Mainz Löwen und Pa-
ris; ſo verſtärkt wandte man ſich an das höchſte Tribu-
nal zu Rom: die rechtgläubige Theologie erſchien vor dem
Papſt und forderte ihn auf, den alten Verfechtern des rö-
miſchen Stuhles mit ſeiner infalliblen Entſcheidung gegen
die Neuerer zu Hülfe zu kommen.

Aber ſelbſt in Rom gerieth man jetzt in Verlegenheit.
Sollte man die öffentliche Meinung beleidigen, die ſich in
ſo einflußreichen Männern repräſentirte? mit dem was man
ſelbſt dachte ſich in Widerſpruch ſetzen? — Auf der andern
Seite, durfte man es wagen, das Urtheil der mächtigen Uni-
verſitäten zu verwerfen, mit dem Orden zu brechen, der die
Prärogativen des römiſchen Stuhles ſo eifrig verfocht, den
Ablaß in aller Welt predigte und vertrieb? 1

In der Commiſſion welche der Papſt zu Rom nieder-
ſetzte, war die Mehrheit für Reuchlin: aber eine nicht unbe-
deutende Minderheit war gegen ihn, und der römiſche Stuhl

1 Erasmus ad Vergaram Opp. III, 1, 1015. Quis enim
magis timet monachos quam Romani pontifices?
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[280/0298] Zweites Buch. Erſtes Capitel. welche die Dominicaner ſich zugezogen hatten. Eine ſo lebhafte Theilnahme widmete die gebildete und vornehme Welt den Beſtrebungen der aufkommenden Literatur. So kräftig war ſchon die Meinung der Gelehrten: es war ihr erſter Sieg. Weder bei dem Kaiſer noch bei der höhern Geiſtlich- keit in Deutſchland konnte die verfolgende Rechtgläubigkeit durchdringen. Allein ſie gab darum ihre Sache nicht ver- loren. In Cölln verdammte man die Bücher Reuchlins zum Feuer: man verſchaffte ſich übereinſtimmende Urtheil- ſprüche der Facultäten zu Erfurt Mainz Löwen und Pa- ris; ſo verſtärkt wandte man ſich an das höchſte Tribu- nal zu Rom: die rechtgläubige Theologie erſchien vor dem Papſt und forderte ihn auf, den alten Verfechtern des rö- miſchen Stuhles mit ſeiner infalliblen Entſcheidung gegen die Neuerer zu Hülfe zu kommen. Aber ſelbſt in Rom gerieth man jetzt in Verlegenheit. Sollte man die öffentliche Meinung beleidigen, die ſich in ſo einflußreichen Männern repräſentirte? mit dem was man ſelbſt dachte ſich in Widerſpruch ſetzen? — Auf der andern Seite, durfte man es wagen, das Urtheil der mächtigen Uni- verſitäten zu verwerfen, mit dem Orden zu brechen, der die Prärogativen des römiſchen Stuhles ſo eifrig verfocht, den Ablaß in aller Welt predigte und vertrieb? 1 In der Commiſſion welche der Papſt zu Rom nieder- ſetzte, war die Mehrheit für Reuchlin: aber eine nicht unbe- deutende Minderheit war gegen ihn, und der römiſche Stuhl 1 Erasmus ad Vergaram Opp. III, 1, 1015. Quis enim magis timet monachos quam Romani pontifices?

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/298>, abgerufen am 22.11.2024.