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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.
Blüthe emporgebracht, aber seitdem durch die Alleinherr-
schaft der hierarchischen und scholastischen Mächte unter-
brochen worden. Die Schulen kehrten jetzt zu ihrem ur-
sprünglichen Berufe zurück. Da war nun nicht sogleich
an die Hervorbringung großer Werke literarischer Kunst zu
denken. Dazu waren die Zustände nicht angethan; dazu
war keine Muße vorhanden. Die nächste Wirkung lag in
dem Unterricht, in der naturgemäßern, reinern Bildung des
jugendlichen Geistes, welche dann die spätern Jahrhunderte
daher die Grundlage der germanischen Gelehrsamkeit geblie-
ben ist. Die hierarchische Weltansicht, an der man, so
glänzend sie auch einst ausgebildet, unmöglich ewig fort-
spinnen konnte, ward hiedurch unmittelbar unterbrochen.
In allen Zweigen regte sich ein neues Leben. "O Jahr-
hundert!" ruft Hutten aus, "die Studien blühn, die Gei-
ster erwachen: es ist eine Lust zu leben." Vorzüglich aber
zeigte es sich in den theologischen Gebieten. Der erste
Geistliche der Nation, Erzbischof Albrecht von Mainz, be-
grüßte Erasmus als den Hersteller der Theologie.

Da sollten sich nun aber sogleich noch ganz andre
Bewegungen erheben.

Anfänge Luthers.

Nicht von außen her pflegen den Mächten der Welt,
den vorherrschenden Meinungen ihre gefährlichsten Gegensätze
zu kommen: in ihrem Innern brechen in der Regel die
Feindseligkeiten aus, durch welche sie zersprengt werden.

Innerhalb der theologisch-philosophischen Welt selbst

Zweites Buch. Erſtes Capitel.
Blüthe emporgebracht, aber ſeitdem durch die Alleinherr-
ſchaft der hierarchiſchen und ſcholaſtiſchen Mächte unter-
brochen worden. Die Schulen kehrten jetzt zu ihrem ur-
ſprünglichen Berufe zurück. Da war nun nicht ſogleich
an die Hervorbringung großer Werke literariſcher Kunſt zu
denken. Dazu waren die Zuſtände nicht angethan; dazu
war keine Muße vorhanden. Die nächſte Wirkung lag in
dem Unterricht, in der naturgemäßern, reinern Bildung des
jugendlichen Geiſtes, welche dann die ſpätern Jahrhunderte
daher die Grundlage der germaniſchen Gelehrſamkeit geblie-
ben iſt. Die hierarchiſche Weltanſicht, an der man, ſo
glänzend ſie auch einſt ausgebildet, unmöglich ewig fort-
ſpinnen konnte, ward hiedurch unmittelbar unterbrochen.
In allen Zweigen regte ſich ein neues Leben. „O Jahr-
hundert!“ ruft Hutten aus, „die Studien blühn, die Gei-
ſter erwachen: es iſt eine Luſt zu leben.“ Vorzüglich aber
zeigte es ſich in den theologiſchen Gebieten. Der erſte
Geiſtliche der Nation, Erzbiſchof Albrecht von Mainz, be-
grüßte Erasmus als den Herſteller der Theologie.

Da ſollten ſich nun aber ſogleich noch ganz andre
Bewegungen erheben.

Anfänge Luthers.

Nicht von außen her pflegen den Mächten der Welt,
den vorherrſchenden Meinungen ihre gefährlichſten Gegenſätze
zu kommen: in ihrem Innern brechen in der Regel die
Feindſeligkeiten aus, durch welche ſie zerſprengt werden.

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[284/0302] Zweites Buch. Erſtes Capitel. Blüthe emporgebracht, aber ſeitdem durch die Alleinherr- ſchaft der hierarchiſchen und ſcholaſtiſchen Mächte unter- brochen worden. Die Schulen kehrten jetzt zu ihrem ur- ſprünglichen Berufe zurück. Da war nun nicht ſogleich an die Hervorbringung großer Werke literariſcher Kunſt zu denken. Dazu waren die Zuſtände nicht angethan; dazu war keine Muße vorhanden. Die nächſte Wirkung lag in dem Unterricht, in der naturgemäßern, reinern Bildung des jugendlichen Geiſtes, welche dann die ſpätern Jahrhunderte daher die Grundlage der germaniſchen Gelehrſamkeit geblie- ben iſt. Die hierarchiſche Weltanſicht, an der man, ſo glänzend ſie auch einſt ausgebildet, unmöglich ewig fort- ſpinnen konnte, ward hiedurch unmittelbar unterbrochen. In allen Zweigen regte ſich ein neues Leben. „O Jahr- hundert!“ ruft Hutten aus, „die Studien blühn, die Gei- ſter erwachen: es iſt eine Luſt zu leben.“ Vorzüglich aber zeigte es ſich in den theologiſchen Gebieten. Der erſte Geiſtliche der Nation, Erzbiſchof Albrecht von Mainz, be- grüßte Erasmus als den Herſteller der Theologie. Da ſollten ſich nun aber ſogleich noch ganz andre Bewegungen erheben. Anfänge Luthers. Nicht von außen her pflegen den Mächten der Welt, den vorherrſchenden Meinungen ihre gefährlichſten Gegenſätze zu kommen: in ihrem Innern brechen in der Regel die Feindſeligkeiten aus, durch welche ſie zerſprengt werden. Innerhalb der theologiſch-philoſophiſchen Welt ſelbſt

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/302>, abgerufen am 22.11.2024.