Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Zweites Buch. Erstes Capitel. Sprachen, um sich Genossen ihrer Gesinnung aufzusuchenoder zu werben. Nicolaus Kuß in Rostock, den sie ein paar Mal besucht, fieng darauf an (im J. 1511) öffent- lich gegen den Papst zu predigen. 1 Ferner gab es auch auf den Universitäten selbst noch Und vielleicht noch wichtiger war, daß in dem funf- Johann de Wesalia lehrte die Gnadenwahl: er spricht 1 Wolfii Lectiones memorabiles II, 27. 2 In dem Examen magistrale Dris Joh. de Wesalia schil-
dert der Concipient zum Schluß diese Entzweiungen: "adeo, ut si universalia quisquam realia negaverit, existimetur in spiritum sanctum peccavisse: immo -- contra deum contra christianam religionem -- deliquisse." Zweites Buch. Erſtes Capitel. Sprachen, um ſich Genoſſen ihrer Geſinnung aufzuſuchenoder zu werben. Nicolaus Kuß in Roſtock, den ſie ein paar Mal beſucht, fieng darauf an (im J. 1511) öffent- lich gegen den Papſt zu predigen. 1 Ferner gab es auch auf den Univerſitäten ſelbſt noch Und vielleicht noch wichtiger war, daß in dem funf- Johann de Weſalia lehrte die Gnadenwahl: er ſpricht 1 Wolfii Lectiones memorabiles II, 27. 2 In dem Examen magistrale Dris Joh. de Wesalia ſchil-
dert der Concipient zum Schluß dieſe Entzweiungen: „adeo, ut si universalia quisquam realia negaverit, existimetur in spiritum sanctum peccavisse: immo — contra deum contra christianam religionem — deliquisse.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0304" n="286"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch. Erſtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Sprachen, um ſich Genoſſen ihrer Geſinnung aufzuſuchen<lb/> oder zu werben. Nicolaus Kuß in Roſtock, den ſie ein<lb/> paar Mal beſucht, fieng darauf an (im J. 1511) öffent-<lb/> lich gegen den Papſt zu predigen. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Wolfii Lectiones memorabiles II,</hi> 27.</note></p><lb/> <p>Ferner gab es auch auf den Univerſitäten ſelbſt noch<lb/> immer eine Oppoſition wider die Alleinherrſchaft des do-<lb/> minicaniſchen Syſtems. Der Nominalismus, gleich in<lb/> dem Moment ſeiner Erneuerung durch Occam verbündet<lb/> mit den Widerſachern des Papſtthums, hatte in Deutſch-<lb/> land viel Anklang gefunden und war noch keineswegs ver-<lb/> drängt. Der nahmhafteſte Scholaſtiker jener Zeit, Gabriel<lb/> Biel, der Sammler iſt hauptſächlich ein Epitomator Oc-<lb/> cams. Dieſe Partei war in der Minorität; und mußte<lb/> oft die Verfolgung ihrer Gegner erfahren, welche in Beſitz<lb/> der Inquiſitionsgewalt waren: <note place="foot" n="2">In dem <hi rendition="#aq">Examen magistrale D<hi rendition="#sup">ris</hi> Joh. de Wesalia</hi> ſchil-<lb/> dert der Concipient zum Schluß dieſe Entzweiungen: <hi rendition="#aq">„adeo, ut si<lb/> universalia quisquam realia negaverit, existimetur in spiritum<lb/> sanctum peccavisse: immo — contra deum contra christianam<lb/> religionem — deliquisse.“</hi></note> in der Tiefe aber erhielt<lb/> ſie ſich vielleicht nur um ſo kräftiger. Luther und Me-<lb/> lanchthon ſind vom Nominalismus ausgegangen.</p><lb/> <p>Und vielleicht noch wichtiger war, daß in dem funf-<lb/> zehnten Jahrhundert die ſtrengern auguſtinianiſchen Lehren<lb/> in einzelnen Theologen wieder erwachten.</p><lb/> <p>Johann de Weſalia lehrte die Gnadenwahl: er ſpricht<lb/> von jenem Buch, in welchem die Namen der Erwählten<lb/> von Anfang an verzeichnet ſeyen. Seine Richtung wird<lb/> unter andern dadurch bezeichnet, daß er der Definition des<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0304]
Zweites Buch. Erſtes Capitel.
Sprachen, um ſich Genoſſen ihrer Geſinnung aufzuſuchen
oder zu werben. Nicolaus Kuß in Roſtock, den ſie ein
paar Mal beſucht, fieng darauf an (im J. 1511) öffent-
lich gegen den Papſt zu predigen. 1
Ferner gab es auch auf den Univerſitäten ſelbſt noch
immer eine Oppoſition wider die Alleinherrſchaft des do-
minicaniſchen Syſtems. Der Nominalismus, gleich in
dem Moment ſeiner Erneuerung durch Occam verbündet
mit den Widerſachern des Papſtthums, hatte in Deutſch-
land viel Anklang gefunden und war noch keineswegs ver-
drängt. Der nahmhafteſte Scholaſtiker jener Zeit, Gabriel
Biel, der Sammler iſt hauptſächlich ein Epitomator Oc-
cams. Dieſe Partei war in der Minorität; und mußte
oft die Verfolgung ihrer Gegner erfahren, welche in Beſitz
der Inquiſitionsgewalt waren: 2 in der Tiefe aber erhielt
ſie ſich vielleicht nur um ſo kräftiger. Luther und Me-
lanchthon ſind vom Nominalismus ausgegangen.
Und vielleicht noch wichtiger war, daß in dem funf-
zehnten Jahrhundert die ſtrengern auguſtinianiſchen Lehren
in einzelnen Theologen wieder erwachten.
Johann de Weſalia lehrte die Gnadenwahl: er ſpricht
von jenem Buch, in welchem die Namen der Erwählten
von Anfang an verzeichnet ſeyen. Seine Richtung wird
unter andern dadurch bezeichnet, daß er der Definition des
1 Wolfii Lectiones memorabiles II, 27.
2 In dem Examen magistrale Dris Joh. de Wesalia ſchil-
dert der Concipient zum Schluß dieſe Entzweiungen: „adeo, ut si
universalia quisquam realia negaverit, existimetur in spiritum
sanctum peccavisse: immo — contra deum contra christianam
religionem — deliquisse.“
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