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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Erstes Capitel.

Wie oft ist diese Opposition der römischen Kirche ent-
gegengetreten, von Claudius von Turin im Anfang des
neunten bis zu Bischof Janse im 17ten Jahrhundert und
zu dessen Anhängern im 18ten und 19ten. Tiefere Gei-
ster haben sie immer auf die Grundlehren zurückweisen zu
müssen geglaubt, auf die sie doch selber ursprünglich ge-
gründet war.

Schon entwickelten sich die Grundsätze der Opposition
zu einem wissenschaftlichen Gebäude. In den Werken Jo-
hann Wessels von Gröningen sieht man einen männlichen
und wahrheitliebenden Geist sich losarbeiten von den Ban-
den der alleinherrschenden aber das religiöse Bewußtseyn
nicht mehr befriedigenden Überlieferung. Wessel stellt schon
den Satz auf, daß man Prälaten und Doctoren nur in
so fern glauben dürfe, als ihre Lehre mit der Schrift über-
einstimme, der einzigen Glaubensregel, welche erhaben sey
über Papst und Kirche; 1 er ist beinahe ein Theolog im
Sinne der spätern Epochen. Sehr erklärlich, daß man ihn
an der Universität Heidelberg nicht Fuß fassen ließ!

Und nicht mehr so ganz vereinzelt waren bereits diese
Bestrebungen.

Zur Zeit des Basler Conciliums hatte sich die deutsche
Provinz der Augustiner-Eremiten als eine besondre Con-
gregation constituirt; und sich seitdem vor allem bemüht
die strengern Lehren ihres Ordensheiligen festzuhalten. Na-
mentlich war dieß das Bestreben des Andreas Proles, der
fast ein halbes Jahrhundert lang, 43 Jahre, das Vicariat
dieser Provinz verwaltet hat: keine Anfechtung ließ er sich

darin
1 Ullmann: Johann Wessel p. 303.
Zweites Buch. Erſtes Capitel.

Wie oft iſt dieſe Oppoſition der römiſchen Kirche ent-
gegengetreten, von Claudius von Turin im Anfang des
neunten bis zu Biſchof Janſe im 17ten Jahrhundert und
zu deſſen Anhängern im 18ten und 19ten. Tiefere Gei-
ſter haben ſie immer auf die Grundlehren zurückweiſen zu
müſſen geglaubt, auf die ſie doch ſelber urſprünglich ge-
gründet war.

Schon entwickelten ſich die Grundſätze der Oppoſition
zu einem wiſſenſchaftlichen Gebäude. In den Werken Jo-
hann Weſſels von Gröningen ſieht man einen männlichen
und wahrheitliebenden Geiſt ſich losarbeiten von den Ban-
den der alleinherrſchenden aber das religiöſe Bewußtſeyn
nicht mehr befriedigenden Überlieferung. Weſſel ſtellt ſchon
den Satz auf, daß man Prälaten und Doctoren nur in
ſo fern glauben dürfe, als ihre Lehre mit der Schrift über-
einſtimme, der einzigen Glaubensregel, welche erhaben ſey
über Papſt und Kirche; 1 er iſt beinahe ein Theolog im
Sinne der ſpätern Epochen. Sehr erklärlich, daß man ihn
an der Univerſität Heidelberg nicht Fuß faſſen ließ!

Und nicht mehr ſo ganz vereinzelt waren bereits dieſe
Beſtrebungen.

Zur Zeit des Basler Conciliums hatte ſich die deutſche
Provinz der Auguſtiner-Eremiten als eine beſondre Con-
gregation conſtituirt; und ſich ſeitdem vor allem bemüht
die ſtrengern Lehren ihres Ordensheiligen feſtzuhalten. Na-
mentlich war dieß das Beſtreben des Andreas Proles, der
faſt ein halbes Jahrhundert lang, 43 Jahre, das Vicariat
dieſer Provinz verwaltet hat: keine Anfechtung ließ er ſich

darin
1 Ullmann: Johann Weſſel p. 303.
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[288/0306] Zweites Buch. Erſtes Capitel. Wie oft iſt dieſe Oppoſition der römiſchen Kirche ent- gegengetreten, von Claudius von Turin im Anfang des neunten bis zu Biſchof Janſe im 17ten Jahrhundert und zu deſſen Anhängern im 18ten und 19ten. Tiefere Gei- ſter haben ſie immer auf die Grundlehren zurückweiſen zu müſſen geglaubt, auf die ſie doch ſelber urſprünglich ge- gründet war. Schon entwickelten ſich die Grundſätze der Oppoſition zu einem wiſſenſchaftlichen Gebäude. In den Werken Jo- hann Weſſels von Gröningen ſieht man einen männlichen und wahrheitliebenden Geiſt ſich losarbeiten von den Ban- den der alleinherrſchenden aber das religiöſe Bewußtſeyn nicht mehr befriedigenden Überlieferung. Weſſel ſtellt ſchon den Satz auf, daß man Prälaten und Doctoren nur in ſo fern glauben dürfe, als ihre Lehre mit der Schrift über- einſtimme, der einzigen Glaubensregel, welche erhaben ſey über Papſt und Kirche; 1 er iſt beinahe ein Theolog im Sinne der ſpätern Epochen. Sehr erklärlich, daß man ihn an der Univerſität Heidelberg nicht Fuß faſſen ließ! Und nicht mehr ſo ganz vereinzelt waren bereits dieſe Beſtrebungen. Zur Zeit des Basler Conciliums hatte ſich die deutſche Provinz der Auguſtiner-Eremiten als eine beſondre Con- gregation conſtituirt; und ſich ſeitdem vor allem bemüht die ſtrengern Lehren ihres Ordensheiligen feſtzuhalten. Na- mentlich war dieß das Beſtreben des Andreas Proles, der faſt ein halbes Jahrhundert lang, 43 Jahre, das Vicariat dieſer Provinz verwaltet hat: keine Anfechtung ließ er ſich darin 1 Ullmann: Johann Weſſel p. 303.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/306>, abgerufen am 22.11.2024.