Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Ablaßstreitigkeit. beide gegen Luther. In den ersten suchte er den Ablaßdurch eine neue Distinction zwischen genugthuender und heilender Strafe zu retten: zwar nicht die letzte, aber die erste könne der Papst erlassen. 1 In den zweiten er- hebt er vor allem die Gewalt des Papstes, welcher die Auslegung der Schrift festzusetzen und über den Glauben allein zu entscheiden habe; zugleich erklärt er Luther, den er zwar nicht nennt aber deutlich genug bezeichnet, für ei- nen Ketzer ja für einen hartnäckigen Ketzer. Das hallte nun von Kanzeln und Kathedern wieder. Donnernd ließ sich Hogstraten vernehmen, daß ein Ketzer wie dieser den Tod verdiene; in einer als Handschrift verbreiteten Wider- legung sprach auch ein vermeinter Freund in Ingolstadt, Johann Eck von böhmischem Gift. 2 Luther blieb Kei- nem die Antwort schuldig, bei jeder Streitschrift machte er sich neue Bahn. Schon spielten auch andre Fragen in den Streit, z. B. über die Legende der h. Anna, deren Richtigkeit von einem Freunde Luthers zu Zwickau bestrit- ten, aber von den Leipziger Theologen hartnäckig festgehal- ten ward: 3 die Wittenberger Ansichten über die aristote- lische Philosophie und das Verdienst der Werke breiteten sich weiter aus, Luther selbst verfocht sie bei einer Zusam- menkunft seines Ordens in Heidelberg, und wenn ihm die 1 Disputatio prima J. Tetzelii Thesis 14. Darauf bezieht sich die Stelle in Luthers zweitem Sermon vom Ablaß, wo er eine solche Distinction eine Plauderei nennt. 2 Obelisci Eckii nr. 18 et 22. 3 Joh. Sylvii Apologia contra calumniatores suos, in qua
Annam nupsisse Cleophae et Salomae evangelicis testimoniis re- fellitur. Wieder abgedruckt in Rittershusii Commentarius de gra- dibus cognationum 1674. Ablaßſtreitigkeit. beide gegen Luther. In den erſten ſuchte er den Ablaßdurch eine neue Diſtinction zwiſchen genugthuender und heilender Strafe zu retten: zwar nicht die letzte, aber die erſte könne der Papſt erlaſſen. 1 In den zweiten er- hebt er vor allem die Gewalt des Papſtes, welcher die Auslegung der Schrift feſtzuſetzen und über den Glauben allein zu entſcheiden habe; zugleich erklärt er Luther, den er zwar nicht nennt aber deutlich genug bezeichnet, für ei- nen Ketzer ja für einen hartnäckigen Ketzer. Das hallte nun von Kanzeln und Kathedern wieder. Donnernd ließ ſich Hogſtraten vernehmen, daß ein Ketzer wie dieſer den Tod verdiene; in einer als Handſchrift verbreiteten Wider- legung ſprach auch ein vermeinter Freund in Ingolſtadt, Johann Eck von böhmiſchem Gift. 2 Luther blieb Kei- nem die Antwort ſchuldig, bei jeder Streitſchrift machte er ſich neue Bahn. Schon ſpielten auch andre Fragen in den Streit, z. B. über die Legende der h. Anna, deren Richtigkeit von einem Freunde Luthers zu Zwickau beſtrit- ten, aber von den Leipziger Theologen hartnäckig feſtgehal- ten ward: 3 die Wittenberger Anſichten über die ariſtote- liſche Philoſophie und das Verdienſt der Werke breiteten ſich weiter aus, Luther ſelbſt verfocht ſie bei einer Zuſam- menkunft ſeines Ordens in Heidelberg, und wenn ihm die 1 Disputatio prima J. Tetzelii Thesis 14. Darauf bezieht ſich die Stelle in Luthers zweitem Sermon vom Ablaß, wo er eine ſolche Diſtinction eine Plauderei nennt. 2 Obelisci Eckii nr. 18 et 22. 3 Joh. Sylvii Apologia contra calumniatores suos, in qua
Annam nupsisse Cleophae et Salomae evangelicis testimoniis re- fellitur. Wieder abgedruckt in Rittershusii Commentarius de gra- dibus cognationum 1674. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0337" n="319"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ablaßſtreitigkeit</hi>.</fw><lb/> beide gegen Luther. In den erſten ſuchte er den Ablaß<lb/> durch eine neue Diſtinction zwiſchen genugthuender und<lb/> heilender Strafe zu retten: zwar nicht die letzte, aber<lb/> die erſte könne der Papſt erlaſſen. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Disputatio prima J. Tetzelii Thesis</hi> 14. Darauf bezieht<lb/> ſich die Stelle in Luthers zweitem Sermon vom Ablaß, wo er eine<lb/> ſolche Diſtinction eine Plauderei nennt.</note> In den zweiten er-<lb/> hebt er vor allem die Gewalt des Papſtes, welcher die<lb/> Auslegung der Schrift feſtzuſetzen und über den Glauben<lb/> allein zu entſcheiden habe; zugleich erklärt er Luther, den<lb/> er zwar nicht nennt aber deutlich genug bezeichnet, für ei-<lb/> nen Ketzer ja für einen hartnäckigen Ketzer. Das hallte<lb/> nun von Kanzeln und Kathedern wieder. Donnernd ließ<lb/> ſich Hogſtraten vernehmen, daß ein Ketzer wie dieſer den<lb/> Tod verdiene; in einer als Handſchrift verbreiteten Wider-<lb/> legung ſprach auch ein vermeinter Freund in Ingolſtadt,<lb/> Johann Eck von böhmiſchem Gift. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Obelisci Eckii nr. 18 et</hi> 22.</note> Luther blieb Kei-<lb/> nem die Antwort ſchuldig, bei jeder Streitſchrift machte<lb/> er ſich neue Bahn. Schon ſpielten auch andre Fragen in<lb/> den Streit, z. B. über die Legende der h. Anna, deren<lb/> Richtigkeit von einem Freunde Luthers zu Zwickau beſtrit-<lb/> ten, aber von den Leipziger Theologen hartnäckig feſtgehal-<lb/> ten ward: <note place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">Joh. Sylvii Apologia contra calumniatores suos, in qua<lb/> Annam nupsisse Cleophae et Salomae evangelicis testimoniis re-<lb/> fellitur.</hi> Wieder abgedruckt in <hi rendition="#aq">Rittershusii Commentarius de gra-<lb/> dibus cognationum</hi> 1674.</note> die Wittenberger Anſichten über die ariſtote-<lb/> liſche Philoſophie und das Verdienſt der Werke breiteten<lb/> ſich weiter aus, Luther ſelbſt verfocht ſie bei einer Zuſam-<lb/> menkunft ſeines Ordens in Heidelberg, und wenn ihm die<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [319/0337]
Ablaßſtreitigkeit.
beide gegen Luther. In den erſten ſuchte er den Ablaß
durch eine neue Diſtinction zwiſchen genugthuender und
heilender Strafe zu retten: zwar nicht die letzte, aber
die erſte könne der Papſt erlaſſen. 1 In den zweiten er-
hebt er vor allem die Gewalt des Papſtes, welcher die
Auslegung der Schrift feſtzuſetzen und über den Glauben
allein zu entſcheiden habe; zugleich erklärt er Luther, den
er zwar nicht nennt aber deutlich genug bezeichnet, für ei-
nen Ketzer ja für einen hartnäckigen Ketzer. Das hallte
nun von Kanzeln und Kathedern wieder. Donnernd ließ
ſich Hogſtraten vernehmen, daß ein Ketzer wie dieſer den
Tod verdiene; in einer als Handſchrift verbreiteten Wider-
legung ſprach auch ein vermeinter Freund in Ingolſtadt,
Johann Eck von böhmiſchem Gift. 2 Luther blieb Kei-
nem die Antwort ſchuldig, bei jeder Streitſchrift machte
er ſich neue Bahn. Schon ſpielten auch andre Fragen in
den Streit, z. B. über die Legende der h. Anna, deren
Richtigkeit von einem Freunde Luthers zu Zwickau beſtrit-
ten, aber von den Leipziger Theologen hartnäckig feſtgehal-
ten ward: 3 die Wittenberger Anſichten über die ariſtote-
liſche Philoſophie und das Verdienſt der Werke breiteten
ſich weiter aus, Luther ſelbſt verfocht ſie bei einer Zuſam-
menkunft ſeines Ordens in Heidelberg, und wenn ihm die
1 Disputatio prima J. Tetzelii Thesis 14. Darauf bezieht
ſich die Stelle in Luthers zweitem Sermon vom Ablaß, wo er eine
ſolche Diſtinction eine Plauderei nennt.
2 Obelisci Eckii nr. 18 et 22.
3 Joh. Sylvii Apologia contra calumniatores suos, in qua
Annam nupsisse Cleophae et Salomae evangelicis testimoniis re-
fellitur. Wieder abgedruckt in Rittershusii Commentarius de gra-
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