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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Reichstag zu Augsburg 1518.

Eine Tendenz, die nun in dem Wahlinteresse, das in
Augsburg schon lebendig hervortrat, und gleich darauf alle
Gemüther zu beschäftigen begann, neue Nahrung empfieng.

In der That können wir keinen Schritt weiter gehn,
wenn wir nicht zuvor diese Verhältnisse der deutschen Für-
stenthümer näher in Betracht gezogen haben.

Gegenseitige Verhältnisse der deutschen Fürsten.

Man könnte noch nicht eigentlich von deutschen Staa-
ten reden. Dazu war die Einheit selbst der größeren Für-
stenthümer noch nicht fest genug; -- man versuchte hie und
da gemeinschaftliche Regierungen, was aber selten gut gieng,
so daß man doch immer wieder auf das Prinzip der Thei-
lungen zurückkam; -- dazu waren auch die ständischen Ver-
hältnisse noch nicht hinreichend in Ordnung. Wie viele
Selbständigkeiten gab es noch, die sich in keine Staats-
form fügten. Aber in den größeren Territorien strebte man
so nach Einheit wie nach Ordnung, in den kleinern tra-
ten landschaftliche Bündnisse an die Stelle des Fürsten-
thums: überall wetteiferte die Macht der innern localen
Antriebe mit der Autorität der Reichsgewalten und kam
um so kräftiger empor, je weniger diese zu Concentration
und eingreifender Wirksamkeit gelangen konnten.

Von vielem Einfluß hierauf war es ohne Zweifel,
daß auch das Reichsoberhaupt weniger durch die ruhige
Ausübung seiner gesetzlichen Macht, als durch persönliche
und unregelmäßige Einwirkungen auszurichten beflissen war.
Nur in Augenblicken des Schwunges und der Erhebung
sah Kaiser Maximilian seine Würde aus nationalem Ge-

Reichstag zu Augsburg 1518.

Eine Tendenz, die nun in dem Wahlintereſſe, das in
Augsburg ſchon lebendig hervortrat, und gleich darauf alle
Gemüther zu beſchäftigen begann, neue Nahrung empfieng.

In der That können wir keinen Schritt weiter gehn,
wenn wir nicht zuvor dieſe Verhältniſſe der deutſchen Für-
ſtenthümer näher in Betracht gezogen haben.

Gegenſeitige Verhältniſſe der deutſchen Fürſten.

Man könnte noch nicht eigentlich von deutſchen Staa-
ten reden. Dazu war die Einheit ſelbſt der größeren Für-
ſtenthümer noch nicht feſt genug; — man verſuchte hie und
da gemeinſchaftliche Regierungen, was aber ſelten gut gieng,
ſo daß man doch immer wieder auf das Prinzip der Thei-
lungen zurückkam; — dazu waren auch die ſtändiſchen Ver-
hältniſſe noch nicht hinreichend in Ordnung. Wie viele
Selbſtändigkeiten gab es noch, die ſich in keine Staats-
form fügten. Aber in den größeren Territorien ſtrebte man
ſo nach Einheit wie nach Ordnung, in den kleinern tra-
ten landſchaftliche Bündniſſe an die Stelle des Fürſten-
thums: überall wetteiferte die Macht der innern localen
Antriebe mit der Autorität der Reichsgewalten und kam
um ſo kräftiger empor, je weniger dieſe zu Concentration
und eingreifender Wirkſamkeit gelangen konnten.

Von vielem Einfluß hierauf war es ohne Zweifel,
daß auch das Reichsoberhaupt weniger durch die ruhige
Ausübung ſeiner geſetzlichen Macht, als durch perſönliche
und unregelmäßige Einwirkungen auszurichten befliſſen war.
Nur in Augenblicken des Schwunges und der Erhebung
ſah Kaiſer Maximilian ſeine Würde aus nationalem Ge-

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[333/0351] Reichstag zu Augsburg 1518. Eine Tendenz, die nun in dem Wahlintereſſe, das in Augsburg ſchon lebendig hervortrat, und gleich darauf alle Gemüther zu beſchäftigen begann, neue Nahrung empfieng. In der That können wir keinen Schritt weiter gehn, wenn wir nicht zuvor dieſe Verhältniſſe der deutſchen Für- ſtenthümer näher in Betracht gezogen haben. Gegenſeitige Verhältniſſe der deutſchen Fürſten. Man könnte noch nicht eigentlich von deutſchen Staa- ten reden. Dazu war die Einheit ſelbſt der größeren Für- ſtenthümer noch nicht feſt genug; — man verſuchte hie und da gemeinſchaftliche Regierungen, was aber ſelten gut gieng, ſo daß man doch immer wieder auf das Prinzip der Thei- lungen zurückkam; — dazu waren auch die ſtändiſchen Ver- hältniſſe noch nicht hinreichend in Ordnung. Wie viele Selbſtändigkeiten gab es noch, die ſich in keine Staats- form fügten. Aber in den größeren Territorien ſtrebte man ſo nach Einheit wie nach Ordnung, in den kleinern tra- ten landſchaftliche Bündniſſe an die Stelle des Fürſten- thums: überall wetteiferte die Macht der innern localen Antriebe mit der Autorität der Reichsgewalten und kam um ſo kräftiger empor, je weniger dieſe zu Concentration und eingreifender Wirkſamkeit gelangen konnten. Von vielem Einfluß hierauf war es ohne Zweifel, daß auch das Reichsoberhaupt weniger durch die ruhige Ausübung ſeiner geſetzlichen Macht, als durch perſönliche und unregelmäßige Einwirkungen auszurichten befliſſen war. Nur in Augenblicken des Schwunges und der Erhebung ſah Kaiſer Maximilian ſeine Würde aus nationalem Ge-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/351>, abgerufen am 01.06.2024.