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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
erstochen habe; besonders von den Gefährlichkeiten seiner
Gemsenjagd in höchstem Gebirg, wo er zuweilen wohl den
Jäger der ihm beigegeben war, selber vor dem Sturze erret-
tet hat: er zeigt in allem behenden Muth, gleichsam eine ela-
stische Gegenwart des Geistes. So erscheint er dann auch vor
dem Feinde. Im Bereiche feindlicher Geschütze setzt er ans
Land, bildet seine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg:
im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen al-
lein auf: in den Schlachten muß er sich oft eines grade ge-
gen ihn ausgeschickten Feindes in zweikampfartigem Zusam-
mentreffen erwehren; denn immer voran findet man ihn,
immer mitten im Getümmel der Gefahr. 1 Proben von
Tapferkeit, die nicht allein dienten um in müßigen Stun-
den erzählt, im Theuerdank aufgezeichnet zu werden; der
venezianische Gesandte weiß nicht auszudrücken, welch ein
Zutrauen er bei den deutschen Soldaten aller Art eben
deshalb genoß, weil er sie in Gefahren niemals verließ.
Als einen großen Feldherrn können wir ihn nicht betrach-
ten: allein für die Organisation einer Truppe, die Ausbildung
der verschiednen Waffengattungen, die Bildung eines Heeres
überhaupt, wohnte ihm eine treffliche Gabe bei. Die Mi-
liz der Landsknechte, von welcher der Ruf der deutschen
Fußvölker wieder erneuert worden, verdankt ihm ihre Be-
gründung, ihre erste Einrichtung. Das Geschützwesen hat
er auf einen ganz andern Fuß gebracht: eben hier bewährte

sich
1 Vgl. Seb. Frank Geschichtbibel; und besonders die Clavis
zum Theuerdank; wieder abgedruckt in der Ausgabe des Theuerdank
von Haltaus p. 111.

Zweites Buch. Zweites Capitel.
erſtochen habe; beſonders von den Gefährlichkeiten ſeiner
Gemſenjagd in höchſtem Gebirg, wo er zuweilen wohl den
Jäger der ihm beigegeben war, ſelber vor dem Sturze erret-
tet hat: er zeigt in allem behenden Muth, gleichſam eine ela-
ſtiſche Gegenwart des Geiſtes. So erſcheint er dann auch vor
dem Feinde. Im Bereiche feindlicher Geſchütze ſetzt er ans
Land, bildet ſeine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg:
im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen al-
lein auf: in den Schlachten muß er ſich oft eines grade ge-
gen ihn ausgeſchickten Feindes in zweikampfartigem Zuſam-
mentreffen erwehren; denn immer voran findet man ihn,
immer mitten im Getümmel der Gefahr. 1 Proben von
Tapferkeit, die nicht allein dienten um in müßigen Stun-
den erzählt, im Theuerdank aufgezeichnet zu werden; der
venezianiſche Geſandte weiß nicht auszudrücken, welch ein
Zutrauen er bei den deutſchen Soldaten aller Art eben
deshalb genoß, weil er ſie in Gefahren niemals verließ.
Als einen großen Feldherrn können wir ihn nicht betrach-
ten: allein für die Organiſation einer Truppe, die Ausbildung
der verſchiednen Waffengattungen, die Bildung eines Heeres
überhaupt, wohnte ihm eine treffliche Gabe bei. Die Mi-
liz der Landsknechte, von welcher der Ruf der deutſchen
Fußvölker wieder erneuert worden, verdankt ihm ihre Be-
gründung, ihre erſte Einrichtung. Das Geſchützweſen hat
er auf einen ganz andern Fuß gebracht: eben hier bewährte

ſich
1 Vgl. Seb. Frank Geſchichtbibel; und beſonders die Clavis
zum Theuerdank; wieder abgedruckt in der Ausgabe des Theuerdank
von Haltaus p. 111.
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[352/0370] Zweites Buch. Zweites Capitel. erſtochen habe; beſonders von den Gefährlichkeiten ſeiner Gemſenjagd in höchſtem Gebirg, wo er zuweilen wohl den Jäger der ihm beigegeben war, ſelber vor dem Sturze erret- tet hat: er zeigt in allem behenden Muth, gleichſam eine ela- ſtiſche Gegenwart des Geiſtes. So erſcheint er dann auch vor dem Feinde. Im Bereiche feindlicher Geſchütze ſetzt er ans Land, bildet ſeine Schlachtordnung und gewinnt den Sieg: im Scharmützel nimmt er es wohl mit vier oder fünfen al- lein auf: in den Schlachten muß er ſich oft eines grade ge- gen ihn ausgeſchickten Feindes in zweikampfartigem Zuſam- mentreffen erwehren; denn immer voran findet man ihn, immer mitten im Getümmel der Gefahr. 1 Proben von Tapferkeit, die nicht allein dienten um in müßigen Stun- den erzählt, im Theuerdank aufgezeichnet zu werden; der venezianiſche Geſandte weiß nicht auszudrücken, welch ein Zutrauen er bei den deutſchen Soldaten aller Art eben deshalb genoß, weil er ſie in Gefahren niemals verließ. Als einen großen Feldherrn können wir ihn nicht betrach- ten: allein für die Organiſation einer Truppe, die Ausbildung der verſchiednen Waffengattungen, die Bildung eines Heeres überhaupt, wohnte ihm eine treffliche Gabe bei. Die Mi- liz der Landsknechte, von welcher der Ruf der deutſchen Fußvölker wieder erneuert worden, verdankt ihm ihre Be- gründung, ihre erſte Einrichtung. Das Geſchützweſen hat er auf einen ganz andern Fuß gebracht: eben hier bewährte ſich 1 Vgl. Seb. Frank Geſchichtbibel; und beſonders die Clavis zum Theuerdank; wieder abgedruckt in der Ausgabe des Theuerdank von Haltaus p. 111.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/370>, abgerufen am 22.11.2024.