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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.

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Zweites Buch. Zweites Capitel.
ber den besten Schuß mit der Armbrust; er setzt ihnen
Preise aus, Damast für die Büchsenschützen, einige Ellen
rothen Sammt für die Armbrustschützen: gern ist er unter
ihnen; damit unterbricht er die schwierigen und ermüden-
den Geschäfte des Reichstages. In dem Lager vor Pa-
dua ritt er gradezu auf eine Marketenderin los und ließ
sich zu essen geben: Johann von Landau, der ihn begleitete,
wollte die Speise erst kredenzen; der Kaiser fragte nur von
wo die Frau sey; man sagte ihm: von Augsburg; "ah,"
rief er aus, "dann ist die Speise schon kredenzt, denn die
von Augsburg sind fromme Leute." In seinen Erblanden
saß er noch oft in Person zu Gericht: nahm er einen Ver-
schämten wahr, der dahinten stand, so rief er ihn selber
herbei. Von dem Glanz der höchsten Würde war er sel-
ber am wenigsten bestochen. "Lieber Gesell," sagte er zu
einem bewundernden Poeten, "du kennst wohl mich und
andre Fürsten nicht recht." 1 Alles was wir von ihm le-
sen, zeigt eine frische Unmittelbarkeit der geistigen Auffas-
sung, Offenheit und Ingenuität des Gemüthes. Er war
ein tapferer Soldat, ein gutmüthiger Mensch; man liebte
und fürchtete ihn.

Und auch in seinem öffentlichen Leben würden wir
ihm Unrecht thun, wenn wir nur bei den mißlungnen Ver-
suchen das Reich zu constituiren stehen bleiben wollten.
Den Staatsformen welche zwischen Oberhaupt und Stän-
den Competenzen um die höchste Gewalt hervorrufen, hängt
es als ein fast unvermeidlicher Mangel an, daß dann auch

1 Der handschr. Fugger. Cuspinian. -- Querini schildert ihn im
Nov. 1507 als homo virtuoso religioso forte liberal quasi prodego.
Adeo tutti l'ama: ma mancha di prudentia.
(Sanuto Bd VII.)

Zweites Buch. Zweites Capitel.
ber den beſten Schuß mit der Armbruſt; er ſetzt ihnen
Preiſe aus, Damaſt für die Büchſenſchützen, einige Ellen
rothen Sammt für die Armbruſtſchützen: gern iſt er unter
ihnen; damit unterbricht er die ſchwierigen und ermüden-
den Geſchäfte des Reichstages. In dem Lager vor Pa-
dua ritt er gradezu auf eine Marketenderin los und ließ
ſich zu eſſen geben: Johann von Landau, der ihn begleitete,
wollte die Speiſe erſt kredenzen; der Kaiſer fragte nur von
wo die Frau ſey; man ſagte ihm: von Augsburg; „ah,“
rief er aus, „dann iſt die Speiſe ſchon kredenzt, denn die
von Augsburg ſind fromme Leute.“ In ſeinen Erblanden
ſaß er noch oft in Perſon zu Gericht: nahm er einen Ver-
ſchämten wahr, der dahinten ſtand, ſo rief er ihn ſelber
herbei. Von dem Glanz der höchſten Würde war er ſel-
ber am wenigſten beſtochen. „Lieber Geſell,“ ſagte er zu
einem bewundernden Poeten, „du kennſt wohl mich und
andre Fürſten nicht recht.“ 1 Alles was wir von ihm le-
ſen, zeigt eine friſche Unmittelbarkeit der geiſtigen Auffaſ-
ſung, Offenheit und Ingenuität des Gemüthes. Er war
ein tapferer Soldat, ein gutmüthiger Menſch; man liebte
und fürchtete ihn.

Und auch in ſeinem öffentlichen Leben würden wir
ihm Unrecht thun, wenn wir nur bei den mißlungnen Ver-
ſuchen das Reich zu conſtituiren ſtehen bleiben wollten.
Den Staatsformen welche zwiſchen Oberhaupt und Stän-
den Competenzen um die höchſte Gewalt hervorrufen, hängt
es als ein faſt unvermeidlicher Mangel an, daß dann auch

1 Der handſchr. Fugger. Cuspinian. — Querini ſchildert ihn im
Nov. 1507 als homo virtuoso religioso forte liberal quasi prodego.
Adeo tutti l’ama: ma mancha di prudentia.
(Sanuto Bd VII.)
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[354/0372] Zweites Buch. Zweites Capitel. ber den beſten Schuß mit der Armbruſt; er ſetzt ihnen Preiſe aus, Damaſt für die Büchſenſchützen, einige Ellen rothen Sammt für die Armbruſtſchützen: gern iſt er unter ihnen; damit unterbricht er die ſchwierigen und ermüden- den Geſchäfte des Reichstages. In dem Lager vor Pa- dua ritt er gradezu auf eine Marketenderin los und ließ ſich zu eſſen geben: Johann von Landau, der ihn begleitete, wollte die Speiſe erſt kredenzen; der Kaiſer fragte nur von wo die Frau ſey; man ſagte ihm: von Augsburg; „ah,“ rief er aus, „dann iſt die Speiſe ſchon kredenzt, denn die von Augsburg ſind fromme Leute.“ In ſeinen Erblanden ſaß er noch oft in Perſon zu Gericht: nahm er einen Ver- ſchämten wahr, der dahinten ſtand, ſo rief er ihn ſelber herbei. Von dem Glanz der höchſten Würde war er ſel- ber am wenigſten beſtochen. „Lieber Geſell,“ ſagte er zu einem bewundernden Poeten, „du kennſt wohl mich und andre Fürſten nicht recht.“ 1 Alles was wir von ihm le- ſen, zeigt eine friſche Unmittelbarkeit der geiſtigen Auffaſ- ſung, Offenheit und Ingenuität des Gemüthes. Er war ein tapferer Soldat, ein gutmüthiger Menſch; man liebte und fürchtete ihn. Und auch in ſeinem öffentlichen Leben würden wir ihm Unrecht thun, wenn wir nur bei den mißlungnen Ver- ſuchen das Reich zu conſtituiren ſtehen bleiben wollten. Den Staatsformen welche zwiſchen Oberhaupt und Stän- den Competenzen um die höchſte Gewalt hervorrufen, hängt es als ein faſt unvermeidlicher Mangel an, daß dann auch 1 Der handſchr. Fugger. Cuspinian. — Querini ſchildert ihn im Nov. 1507 als homo virtuoso religioso forte liberal quasi prodego. Adeo tutti l’ama: ma mancha di prudentia. (Sanuto Bd VII.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/372>, abgerufen am 22.11.2024.