Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Hutten. gewaltigen alten Römern widerstanden habe und jetzt denweibischen neuen Römern Tribut bezahle. 1 Sollte man nicht auf die beiden Brüder von Östreich hoffen dürfen, deren Erhebung sich der päpstliche Hof eben so ernstlich widersetzt hatte? Ihre meisten Freunde waren wirklich in diesem Augenblick Gegner des Papstthums. Wir berührten schon die Stimmung des mainzischen Hofes. Alles was sich in der Schweiz zu den ersten Schriften Luthers bekannte, hielt sich zugleich an den Cardinal von Sitten, der die Sache von Östreich nicht ohne die Hülfe dieser Leute auf der Tagsatzung so glücklich geführt hatte. Sickingen, der zur Entscheidung in Wirtenberg so viel beigetragen, nahm zu- gleich für Reuchlin Partei, und wußte die Cöllnischen Do- minicaner zu zwingen, obwohl der Proceß in Rom noch schwebte, vorläufig der Sentenz des Bischofs von Speier nachzukommen, und die Kosten zu bezahlen, zu denen sie da verurtheilt worden. Wer hatte mehr für Carl V ge- than als Friedrich von Sachsen? Der war es, welcher durch den Schutz den er Luther und seiner Universität an- gedeihen ließ, die ganze Bewegung möglich machte. Vor allen Dingen wollte er nicht, daß Luther in Rom gerichtet würde. Auf dem Wahltag hatte der Erzbischof von Trier wirklich das Schiedsrichteramt übernommen; Churfürst Frie- drich erklärte nun, es dürfe nichts gegen Luther geschehen, bis dieser gesprochen: bei dem Urtheil das derselbe fälle, solle es dann sein Verbleiben haben. 2 Es ist ein innerer Zu- sammenhang in diesen Tendenzen. Man wollte die Ein- 1 Praefatio ad Ferdinandum. Opp. III, 551. 2 Verhandlungen bei Walch XV, 916. 919. Daß die Sache
Hutten. gewaltigen alten Römern widerſtanden habe und jetzt denweibiſchen neuen Römern Tribut bezahle. 1 Sollte man nicht auf die beiden Brüder von Öſtreich hoffen dürfen, deren Erhebung ſich der päpſtliche Hof eben ſo ernſtlich widerſetzt hatte? Ihre meiſten Freunde waren wirklich in dieſem Augenblick Gegner des Papſtthums. Wir berührten ſchon die Stimmung des mainziſchen Hofes. Alles was ſich in der Schweiz zu den erſten Schriften Luthers bekannte, hielt ſich zugleich an den Cardinal von Sitten, der die Sache von Öſtreich nicht ohne die Hülfe dieſer Leute auf der Tagſatzung ſo glücklich geführt hatte. Sickingen, der zur Entſcheidung in Wirtenberg ſo viel beigetragen, nahm zu- gleich für Reuchlin Partei, und wußte die Cöllniſchen Do- minicaner zu zwingen, obwohl der Proceß in Rom noch ſchwebte, vorläufig der Sentenz des Biſchofs von Speier nachzukommen, und die Koſten zu bezahlen, zu denen ſie da verurtheilt worden. Wer hatte mehr für Carl V ge- than als Friedrich von Sachſen? Der war es, welcher durch den Schutz den er Luther und ſeiner Univerſität an- gedeihen ließ, die ganze Bewegung möglich machte. Vor allen Dingen wollte er nicht, daß Luther in Rom gerichtet würde. Auf dem Wahltag hatte der Erzbiſchof von Trier wirklich das Schiedsrichteramt übernommen; Churfürſt Frie- drich erklärte nun, es dürfe nichts gegen Luther geſchehen, bis dieſer geſprochen: bei dem Urtheil das derſelbe fälle, ſolle es dann ſein Verbleiben haben. 2 Es iſt ein innerer Zu- ſammenhang in dieſen Tendenzen. Man wollte die Ein- 1 Praefatio ad Ferdinandum. Opp. III, 551. 2 Verhandlungen bei Walch XV, 916. 919. Daß die Sache
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Hutten.
gewaltigen alten Römern widerſtanden habe und jetzt den
weibiſchen neuen Römern Tribut bezahle. 1 Sollte man
nicht auf die beiden Brüder von Öſtreich hoffen dürfen,
deren Erhebung ſich der päpſtliche Hof eben ſo ernſtlich
widerſetzt hatte? Ihre meiſten Freunde waren wirklich in
dieſem Augenblick Gegner des Papſtthums. Wir berührten
ſchon die Stimmung des mainziſchen Hofes. Alles was ſich
in der Schweiz zu den erſten Schriften Luthers bekannte, hielt
ſich zugleich an den Cardinal von Sitten, der die Sache
von Öſtreich nicht ohne die Hülfe dieſer Leute auf der
Tagſatzung ſo glücklich geführt hatte. Sickingen, der zur
Entſcheidung in Wirtenberg ſo viel beigetragen, nahm zu-
gleich für Reuchlin Partei, und wußte die Cöllniſchen Do-
minicaner zu zwingen, obwohl der Proceß in Rom noch
ſchwebte, vorläufig der Sentenz des Biſchofs von Speier
nachzukommen, und die Koſten zu bezahlen, zu denen ſie
da verurtheilt worden. Wer hatte mehr für Carl V ge-
than als Friedrich von Sachſen? Der war es, welcher
durch den Schutz den er Luther und ſeiner Univerſität an-
gedeihen ließ, die ganze Bewegung möglich machte. Vor
allen Dingen wollte er nicht, daß Luther in Rom gerichtet
würde. Auf dem Wahltag hatte der Erzbiſchof von Trier
wirklich das Schiedsrichteramt übernommen; Churfürſt Frie-
drich erklärte nun, es dürfe nichts gegen Luther geſchehen, bis
dieſer geſprochen: bei dem Urtheil das derſelbe fälle, ſolle
es dann ſein Verbleiben haben. 2 Es iſt ein innerer Zu-
ſammenhang in dieſen Tendenzen. Man wollte die Ein-
1 Praefatio ad Ferdinandum. Opp. III, 551.
2 Verhandlungen bei Walch XV, 916. 919. Daß die Sache
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