zu Theil ward. Ueber Africa und Syrien erhob sich in demselben Zeitraum das fatimidische Chalifat, auf den Grund einer Lehre, von welcher ihre Bekenner sagten, sie verhalte sich zu dem Koran, wie der Kern zur Schale.
In dem Abendland nun war die Idee der Einheit der Christenheit durch alle die seitdem erfolgten Bekehrun- gen, welche eine und die andre empfänglichere Nation noch einmal mit jugendlichem Enthusiasmus erfüllt hatten, auf das lebendigste in die Gemüther gedrungen: sie drückte sich in den so eben allenthalben beginnenden Angriffen auf den Mahumetanismus aus; von dem Kaiserthum, das nur eine beschränkte Obedienz genoß, ward sie ungenügend re- präsentirt; gewaltig kam sie jetzt den hierarchischen Bestre- bungen zu Hülfe. Denn an wen konnte sie sich knüpfen, als an den Bischof der römischen Kirche, auf welchen sich die Stiftungen aller andren Kirchen zurück bezogen, dem die Abendländer eine allgemeine Verehrung widmeten. Bis- her war er durch die Entwickelung des Kaiserthums in Schatten gestellt worden. Zugleich aus der Gunst der Um- stände und dem großen Gange der Ereignisse entsprang für das Papstthum der Antrieb, die Zügel der Herrschaft zu ergreifen.
Die Zeiten jener Vormundschaft wurden entscheidend.
An dem römischen Hofe erlangte der Mann, der vor al- len Andern die Nothwendigkeit der Reform und unabhängigen Existenz des kirchlichen Institutes verfocht, der vom Schick- sal bestimmte Mann, der seinen Sinn den Jahrhunderten zum Gesetz machen sollte, -- Hildebrand, Sohn eines Zim- mermanns im Toscanischen -- beherrschenden Einfluß auf
Emancipation des Papſtthums.
zu Theil ward. Ueber Africa und Syrien erhob ſich in demſelben Zeitraum das fatimidiſche Chalifat, auf den Grund einer Lehre, von welcher ihre Bekenner ſagten, ſie verhalte ſich zu dem Koran, wie der Kern zur Schale.
In dem Abendland nun war die Idee der Einheit der Chriſtenheit durch alle die ſeitdem erfolgten Bekehrun- gen, welche eine und die andre empfänglichere Nation noch einmal mit jugendlichem Enthuſiasmus erfüllt hatten, auf das lebendigſte in die Gemüther gedrungen: ſie drückte ſich in den ſo eben allenthalben beginnenden Angriffen auf den Mahumetanismus aus; von dem Kaiſerthum, das nur eine beſchränkte Obedienz genoß, ward ſie ungenügend re- präſentirt; gewaltig kam ſie jetzt den hierarchiſchen Beſtre- bungen zu Hülfe. Denn an wen konnte ſie ſich knüpfen, als an den Biſchof der römiſchen Kirche, auf welchen ſich die Stiftungen aller andren Kirchen zurück bezogen, dem die Abendländer eine allgemeine Verehrung widmeten. Bis- her war er durch die Entwickelung des Kaiſerthums in Schatten geſtellt worden. Zugleich aus der Gunſt der Um- ſtände und dem großen Gange der Ereigniſſe entſprang für das Papſtthum der Antrieb, die Zügel der Herrſchaft zu ergreifen.
Die Zeiten jener Vormundſchaft wurden entſcheidend.
An dem römiſchen Hofe erlangte der Mann, der vor al- len Andern die Nothwendigkeit der Reform und unabhängigen Exiſtenz des kirchlichen Inſtitutes verfocht, der vom Schick- ſal beſtimmte Mann, der ſeinen Sinn den Jahrhunderten zum Geſetz machen ſollte, — Hildebrand, Sohn eines Zim- mermanns im Toscaniſchen — beherrſchenden Einfluß auf
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Emancipation des Papſtthums.
zu Theil ward. Ueber Africa und Syrien erhob ſich in
demſelben Zeitraum das fatimidiſche Chalifat, auf den Grund
einer Lehre, von welcher ihre Bekenner ſagten, ſie verhalte
ſich zu dem Koran, wie der Kern zur Schale.
In dem Abendland nun war die Idee der Einheit
der Chriſtenheit durch alle die ſeitdem erfolgten Bekehrun-
gen, welche eine und die andre empfänglichere Nation
noch einmal mit jugendlichem Enthuſiasmus erfüllt hatten,
auf das lebendigſte in die Gemüther gedrungen: ſie drückte
ſich in den ſo eben allenthalben beginnenden Angriffen auf
den Mahumetanismus aus; von dem Kaiſerthum, das nur
eine beſchränkte Obedienz genoß, ward ſie ungenügend re-
präſentirt; gewaltig kam ſie jetzt den hierarchiſchen Beſtre-
bungen zu Hülfe. Denn an wen konnte ſie ſich knüpfen,
als an den Biſchof der römiſchen Kirche, auf welchen ſich
die Stiftungen aller andren Kirchen zurück bezogen, dem
die Abendländer eine allgemeine Verehrung widmeten. Bis-
her war er durch die Entwickelung des Kaiſerthums in
Schatten geſtellt worden. Zugleich aus der Gunſt der Um-
ſtände und dem großen Gange der Ereigniſſe entſprang für
das Papſtthum der Antrieb, die Zügel der Herrſchaft zu
ergreifen.
Die Zeiten jener Vormundſchaft wurden entſcheidend.
An dem römiſchen Hofe erlangte der Mann, der vor al-
len Andern die Nothwendigkeit der Reform und unabhängigen
Exiſtenz des kirchlichen Inſtitutes verfocht, der vom Schick-
ſal beſtimmte Mann, der ſeinen Sinn den Jahrhunderten
zum Geſetz machen ſollte, — Hildebrand, Sohn eines Zim-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation01_1839/47>, abgerufen am 21.11.2024.
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