Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 1. Berlin, 1839.Einleitung. wo der Held in allem Glanze männlicher Tüchtigkeit undLebensfülle den Gewalten des Schicksals erliegt. Denn was kann einem überwältigenden Schicksal ähnlicher seyn, als die Macht der Meinung, die unbemerkt um sich greift, die Gemüther in Besitz nimmt, und plötzlich mit einer nicht mehr zu bezwingenden Macht auf dem Kampfplatze erscheint. Heinrich sah die Welt vor seinen Augen sich von dem Kai- serthum abwenden zum Papstthum. Ein in den dunkeln Antrieben eines Kreuzzuges zusammengebrachtes Heer ver- jagte den von ihm eingesetzten Papst aus Rom. Ja in sein eigenes Haus drangen die ihm feindseligen Ideen ein. Zuerst ward sein älterer Sohn von katholischem Eifer er- griffen und zum Abfall von dem Vater gereizt; bei dem jüngern kam dann der Einfluß der deutschen Aristokratie hinzu; Der nöthigte, List und Gewalt vereinigend, den ei- genen Vater zur Abdankung; mit Herzeleid fuhr der alte Kriegsmann in die Grube. Ich halte es nun nicht für nothwendig, alle die ver- Selbst in Rom schien es zuweilen unmöglich, den Kai- 1 Heinrici encyclica de controversia sua cum papa. Monum.
IV, 70. Sehr mit Recht fragte der Kaiser, was aus der kaiserlichen Macht werden solle, wenn sie die Investitur verliere, nachdem die Kaiser einen so großen Theil ihrer Befugnisse auf die Bischöfe über- tragen. Einleitung. wo der Held in allem Glanze männlicher Tüchtigkeit undLebensfülle den Gewalten des Schickſals erliegt. Denn was kann einem überwältigenden Schickſal ähnlicher ſeyn, als die Macht der Meinung, die unbemerkt um ſich greift, die Gemüther in Beſitz nimmt, und plötzlich mit einer nicht mehr zu bezwingenden Macht auf dem Kampfplatze erſcheint. Heinrich ſah die Welt vor ſeinen Augen ſich von dem Kai- ſerthum abwenden zum Papſtthum. Ein in den dunkeln Antrieben eines Kreuzzuges zuſammengebrachtes Heer ver- jagte den von ihm eingeſetzten Papſt aus Rom. Ja in ſein eigenes Haus drangen die ihm feindſeligen Ideen ein. Zuerſt ward ſein älterer Sohn von katholiſchem Eifer er- griffen und zum Abfall von dem Vater gereizt; bei dem jüngern kam dann der Einfluß der deutſchen Ariſtokratie hinzu; Der nöthigte, Liſt und Gewalt vereinigend, den ei- genen Vater zur Abdankung; mit Herzeleid fuhr der alte Kriegsmann in die Grube. Ich halte es nun nicht für nothwendig, alle die ver- Selbſt in Rom ſchien es zuweilen unmöglich, den Kai- 1 Heinrici encyclica de controversia sua cum papa. Monum.
IV, 70. Sehr mit Recht fragte der Kaiſer, was aus der kaiſerlichen Macht werden ſolle, wenn ſie die Inveſtitur verliere, nachdem die Kaiſer einen ſo großen Theil ihrer Befugniſſe auf die Biſchoͤfe uͤber- tragen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> wo der Held in allem Glanze männlicher Tüchtigkeit und<lb/> Lebensfülle den Gewalten des Schickſals erliegt. Denn<lb/> was kann einem überwältigenden Schickſal ähnlicher ſeyn,<lb/> als die Macht der Meinung, die unbemerkt um ſich greift,<lb/> die Gemüther in Beſitz nimmt, und plötzlich mit einer nicht<lb/> mehr zu bezwingenden Macht auf dem Kampfplatze erſcheint.<lb/> Heinrich ſah die Welt vor ſeinen Augen ſich von dem Kai-<lb/> ſerthum abwenden zum Papſtthum. Ein in den dunkeln<lb/> Antrieben eines Kreuzzuges zuſammengebrachtes Heer ver-<lb/> jagte den von ihm eingeſetzten Papſt aus Rom. Ja in<lb/> ſein eigenes Haus drangen die ihm feindſeligen Ideen ein.<lb/> Zuerſt ward ſein älterer Sohn von katholiſchem Eifer er-<lb/> griffen und zum Abfall von dem Vater gereizt; bei dem<lb/> jüngern kam dann der Einfluß der deutſchen Ariſtokratie<lb/> hinzu; Der nöthigte, Liſt und Gewalt vereinigend, den ei-<lb/> genen Vater zur Abdankung; mit Herzeleid fuhr der alte<lb/> Kriegsmann in die Grube.</p><lb/> <p>Ich halte es nun nicht für nothwendig, alle die ver-<lb/> ſchiedenen Abwandlungen zu begleiten welche der kirchen-<lb/> rechtliche Streit erfuhr.</p><lb/> <p>Selbſt in Rom ſchien es zuweilen unmöglich, den Kai-<lb/> ſer zur Abtretung ſeiner Anſprüche zu nöthigen. Papſt Pa-<lb/> ſchalis faßte einmal den kühnen Gedanken, alles zurückzu-<lb/> geben was die Kaiſer der Kirche jemals verliehen, ſie im<lb/> Grunde ganz von dem Staate zu trennen. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Heinrici encyclica de controversia sua cum papa. Monum.<lb/> IV,</hi> 70. Sehr mit Recht fragte der Kaiſer, was aus der kaiſerlichen<lb/> Macht werden ſolle, wenn ſie die Inveſtitur verliere, nachdem die<lb/> Kaiſer einen ſo großen Theil ihrer Befugniſſe auf die Biſchoͤfe uͤber-<lb/> tragen.</note></p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0052]
Einleitung.
wo der Held in allem Glanze männlicher Tüchtigkeit und
Lebensfülle den Gewalten des Schickſals erliegt. Denn
was kann einem überwältigenden Schickſal ähnlicher ſeyn,
als die Macht der Meinung, die unbemerkt um ſich greift,
die Gemüther in Beſitz nimmt, und plötzlich mit einer nicht
mehr zu bezwingenden Macht auf dem Kampfplatze erſcheint.
Heinrich ſah die Welt vor ſeinen Augen ſich von dem Kai-
ſerthum abwenden zum Papſtthum. Ein in den dunkeln
Antrieben eines Kreuzzuges zuſammengebrachtes Heer ver-
jagte den von ihm eingeſetzten Papſt aus Rom. Ja in
ſein eigenes Haus drangen die ihm feindſeligen Ideen ein.
Zuerſt ward ſein älterer Sohn von katholiſchem Eifer er-
griffen und zum Abfall von dem Vater gereizt; bei dem
jüngern kam dann der Einfluß der deutſchen Ariſtokratie
hinzu; Der nöthigte, Liſt und Gewalt vereinigend, den ei-
genen Vater zur Abdankung; mit Herzeleid fuhr der alte
Kriegsmann in die Grube.
Ich halte es nun nicht für nothwendig, alle die ver-
ſchiedenen Abwandlungen zu begleiten welche der kirchen-
rechtliche Streit erfuhr.
Selbſt in Rom ſchien es zuweilen unmöglich, den Kai-
ſer zur Abtretung ſeiner Anſprüche zu nöthigen. Papſt Pa-
ſchalis faßte einmal den kühnen Gedanken, alles zurückzu-
geben was die Kaiſer der Kirche jemals verliehen, ſie im
Grunde ganz von dem Staate zu trennen. 1
1 Heinrici encyclica de controversia sua cum papa. Monum.
IV, 70. Sehr mit Recht fragte der Kaiſer, was aus der kaiſerlichen
Macht werden ſolle, wenn ſie die Inveſtitur verliere, nachdem die
Kaiſer einen ſo großen Theil ihrer Befugniſſe auf die Biſchoͤfe uͤber-
tragen.
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