Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.Ausbreitung der Lehre. schen Seite sah man ein, daß die Lehre von dem Primatdurch die Verneinung dieser Frage vollends umgestoßen werde; allein in Wittenberg ließ man sich von dem glän- zenden Resultat dieser Argumentation nicht fortreißen: 1 man fand, sie trage für Glauben und Frömmigkeit nichts aus; ja in einer Schrift, in welcher man diese Sache ausführ- lich behandelt, und die schlechten Folgen des mißverstan- denen Primates lebhaft erörtert, wird doch sogar die Hof- nung ausgesprochen, daß der neue Papst selbst, Adrian VI, von den bisher gehegten Irrthümern zurückkommen und sich ganz an die Schrift halten werde -- einige Stellen aus seinen Schriften schienen diese Hofnung begründen zu können: -- dann werde nicht allein die gegenwärtige Irrung beigelegt werden, sondern auch die alte Spaltung sich heben: auch von Seiten der Griechen und Böhmen werde man zur Einheit der Kirche zurückkehren. 2 1 Luther an Spalatin 17 Febr. 1520 bei de W. I, 559. 2 Apologia Simonis Hessi adv. dominum Roffensem episc. Anglicanum super concertatione ejus cum Vlrico Veleno. Julio mense 1523. Der Autor beweist hauptsächlich, quod gentiliter et ambitiose pro Petri primatu a multis pugnetur, cum hinc nihil lucri accedat pietati: -- quod impie abusi sint potestate sua Ro- mani pontifices in statuendis quibusdam articulis seditiosis ma- gis quam piis. -- Die Stelle Adrians in titulo de sacram. baptismi ist: Noverit ecclesia se non esse dominam sacramentorum sed ministram, nec posse magis formam sacramentalem destituere aut novam instituere quam legem aliquam divinam abolere vel novum aliquem fidei articulum instituere. -- Spero fore, heißt es dann, si ille perstat in sua sententia, ut tota catholica ecclesia, quae nunc in sectas videtur divisa, in unam fidei unitatem aggre- getur, adeo ut et Bohemos et Graecos dexteras daturos confi- dam bene praesidenti Romano pontifici. -- Ich hege die Vermu- thung, daß Simon Hessus, der auch sonst zuweilen als tapferer Mit- Ranke d. Gesch. II. 7
Ausbreitung der Lehre. ſchen Seite ſah man ein, daß die Lehre von dem Primatdurch die Verneinung dieſer Frage vollends umgeſtoßen werde; allein in Wittenberg ließ man ſich von dem glän- zenden Reſultat dieſer Argumentation nicht fortreißen: 1 man fand, ſie trage für Glauben und Frömmigkeit nichts aus; ja in einer Schrift, in welcher man dieſe Sache ausführ- lich behandelt, und die ſchlechten Folgen des mißverſtan- denen Primates lebhaft erörtert, wird doch ſogar die Hof- nung ausgeſprochen, daß der neue Papſt ſelbſt, Adrian VI, von den bisher gehegten Irrthümern zurückkommen und ſich ganz an die Schrift halten werde — einige Stellen aus ſeinen Schriften ſchienen dieſe Hofnung begründen zu können: — dann werde nicht allein die gegenwärtige Irrung beigelegt werden, ſondern auch die alte Spaltung ſich heben: auch von Seiten der Griechen und Böhmen werde man zur Einheit der Kirche zurückkehren. 2 1 Luther an Spalatin 17 Febr. 1520 bei de W. I, 559. 2 Apologia Simonis Hessi adv. dominum Roffensem episc. Anglicanum super concertatione ejus cum Vlrico Veleno. Julio mense 1523. Der Autor beweiſt hauptſaͤchlich, quod gentiliter et ambitiose pro Petri primatu a multis pugnetur, cum hinc nihil lucri accedat pietati: — quod impie abusi sint potestate sua Ro- mani pontifices in statuendis quibusdam articulis seditiosis ma- gis quam piis. — Die Stelle Adrians in titulo de sacram. baptismi iſt: Noverit ecclesia se non esse dominam sacramentorum sed ministram, nec posse magis formam sacramentalem destituere aut novam instituere quam legem aliquam divinam abolere vel novum aliquem fidei articulum instituere. — Spero fore, heißt es dann, si ille perstat in sua sententia, ut tota catholica ecclesia, quae nunc in sectas videtur divisa, in unam fidei unitatem aggre- getur, adeo ut et Bohemos et Graecos dexteras daturos confi- dam bene praesidenti Romano pontifici. — Ich hege die Vermu- thung, daß Simon Heſſus, der auch ſonſt zuweilen als tapferer Mit- Ranke d. Geſch. II. 7
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Ausbreitung der Lehre.
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werde; allein in Wittenberg ließ man ſich von dem glän-
zenden Reſultat dieſer Argumentation nicht fortreißen: 1 man
fand, ſie trage für Glauben und Frömmigkeit nichts aus;
ja in einer Schrift, in welcher man dieſe Sache ausführ-
lich behandelt, und die ſchlechten Folgen des mißverſtan-
denen Primates lebhaft erörtert, wird doch ſogar die Hof-
nung ausgeſprochen, daß der neue Papſt ſelbſt, Adrian VI,
von den bisher gehegten Irrthümern zurückkommen und
ſich ganz an die Schrift halten werde — einige Stellen
aus ſeinen Schriften ſchienen dieſe Hofnung begründen zu
können: — dann werde nicht allein die gegenwärtige Irrung
beigelegt werden, ſondern auch die alte Spaltung ſich heben:
auch von Seiten der Griechen und Böhmen werde man
zur Einheit der Kirche zurückkehren. 2
1 Luther an Spalatin 17 Febr. 1520 bei de W. I, 559.
2 Apologia Simonis Hessi adv. dominum Roffensem episc.
Anglicanum super concertatione ejus cum Vlrico Veleno. Julio
mense 1523. Der Autor beweiſt hauptſaͤchlich, quod gentiliter et
ambitiose pro Petri primatu a multis pugnetur, cum hinc nihil
lucri accedat pietati: — quod impie abusi sint potestate sua Ro-
mani pontifices in statuendis quibusdam articulis seditiosis ma-
gis quam piis. — Die Stelle Adrians in titulo de sacram. baptismi
iſt: Noverit ecclesia se non esse dominam sacramentorum sed
ministram, nec posse magis formam sacramentalem destituere
aut novam instituere quam legem aliquam divinam abolere vel
novum aliquem fidei articulum instituere. — Spero fore, heißt es
dann, si ille perstat in sua sententia, ut tota catholica ecclesia,
quae nunc in sectas videtur divisa, in unam fidei unitatem aggre-
getur, adeo ut et Bohemos et Graecos dexteras daturos confi-
dam bene praesidenti Romano pontifici. — Ich hege die Vermu-
thung, daß Simon Heſſus, der auch ſonſt zuweilen als tapferer Mit-
Ranke d. Geſch. II. 7
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