Herzog Georg hatte sich bei dem Regimente aufs Neue über die Ausfälle Luthers beschwert; und ein Theil der Bei- sitzer hielt wohl auch dafür, der Churfürst müsse erinnert werden Luthern zu strafen. Allein die Majorität war da- gegen. Pfalzgraf Friedrich, der Statthalter meinte, man könne die Briefe des Herzogs dem Churfürsten wenigstens zuschicken. "Herr," sagte Planitz, "das Mehr ist, daß meinem gnädigen Herrn nicht geschrieben werde." Dem Herzog ward geantwortet, er möge sich nur nochmals selbst an den Chur- fürsten wenden.
Bei dem Ausschreiben eines neuen Reichstages ward darauf Bedacht genommen, daß der Religionsirrungen gar nicht erwähnt ward. 1
Die Hauptsache endlich war, daß man so ganz und gar nicht daran dachte, das Edict von Worms auszufüh- ren, sondern in Aussicht auf das geforderte Concilium der Lehre völlig freien Lauf ließ.
Man sieht, wie viel wie für den Staat so für die Kirche daran lag, ob eine Regierung, in der Gesinnungen dieser Art herrschten, sich werde aufrecht erhalten können oder nicht.
1 Schreiben von Planitz vom 28 Februar, 3 März, 18 Aug. 1523.
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Ausbreitung der Lehre.
Herzog Georg hatte ſich bei dem Regimente aufs Neue über die Ausfälle Luthers beſchwert; und ein Theil der Bei- ſitzer hielt wohl auch dafür, der Churfürſt müſſe erinnert werden Luthern zu ſtrafen. Allein die Majorität war da- gegen. Pfalzgraf Friedrich, der Statthalter meinte, man könne die Briefe des Herzogs dem Churfürſten wenigſtens zuſchicken. „Herr,“ ſagte Planitz, „das Mehr iſt, daß meinem gnädigen Herrn nicht geſchrieben werde.“ Dem Herzog ward geantwortet, er möge ſich nur nochmals ſelbſt an den Chur- fürſten wenden.
Bei dem Ausſchreiben eines neuen Reichstages ward darauf Bedacht genommen, daß der Religionsirrungen gar nicht erwähnt ward. 1
Die Hauptſache endlich war, daß man ſo ganz und gar nicht daran dachte, das Edict von Worms auszufüh- ren, ſondern in Ausſicht auf das geforderte Concilium der Lehre völlig freien Lauf ließ.
Man ſieht, wie viel wie für den Staat ſo für die Kirche daran lag, ob eine Regierung, in der Geſinnungen dieſer Art herrſchten, ſich werde aufrecht erhalten können oder nicht.
1 Schreiben von Planitz vom 28 Februar, 3 Maͤrz, 18 Aug. 1523.
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Ausbreitung der Lehre.
Herzog Georg hatte ſich bei dem Regimente aufs Neue
über die Ausfälle Luthers beſchwert; und ein Theil der Bei-
ſitzer hielt wohl auch dafür, der Churfürſt müſſe erinnert
werden Luthern zu ſtrafen. Allein die Majorität war da-
gegen. Pfalzgraf Friedrich, der Statthalter meinte, man
könne die Briefe des Herzogs dem Churfürſten wenigſtens
zuſchicken. „Herr,“ ſagte Planitz, „das Mehr iſt, daß meinem
gnädigen Herrn nicht geſchrieben werde.“ Dem Herzog ward
geantwortet, er möge ſich nur nochmals ſelbſt an den Chur-
fürſten wenden.
Bei dem Ausſchreiben eines neuen Reichstages ward
darauf Bedacht genommen, daß der Religionsirrungen gar
nicht erwähnt ward. 1
Die Hauptſache endlich war, daß man ſo ganz und
gar nicht daran dachte, das Edict von Worms auszufüh-
ren, ſondern in Ausſicht auf das geforderte Concilium der
Lehre völlig freien Lauf ließ.
Man ſieht, wie viel wie für den Staat ſo für die
Kirche daran lag, ob eine Regierung, in der Geſinnungen
dieſer Art herrſchten, ſich werde aufrecht erhalten können
oder nicht.
1 Schreiben von Planitz vom 28 Februar, 3 Maͤrz, 18 Aug.
1523.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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