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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Ursprung der Spaltung.
Melanchthon ein ähnliches Handbuch, 1 wie Emser Lu-
thern eine Bibelübersetzung entgegensetzte. Die Arbeiten
der Wittenberger Lehrer waren in dem naturgemäßen Laufe
ihrer innern Entwickelung, aus dem Bedürfniß ihres auf
eigner Bahn vorwärts schreitenden Geistes hervorgegangen,
voll ursprünglicher, die Gemüther hinreißender Kraft: diese
katholischen Werke verdankten ihre Entstehung äußern Ver-
anlassungen, Berechnungen einer nach allen Mitteln des
Widerstandes greifenden gefährdeten Existenz.

Eben damit aber riß man sich von der großen freien
Entwickelung los, in der die deutsche Nation begriffen
war. Worüber in Speier unter dem Gesichtspunct der
nationalen Einheit und ihrer Bedürfnisse zu Rathe gegan-
gen, Beschluß hatte gefaßt werden sollen, darüber setzten
hier die vereinigten Gewalten einseitige Maaßregeln fest.
Man sagte wohl, einer einzelnen Nation komme es nicht
zu, über Angelegenheiten der Religion, der Christenheit
überhaupt Bestimmung zu treffen: -- das ließ sich leicht
behaupten: -- aber was war für die Nation zu thun,
da sie allein von allen durch die Eigenthümlichkeit ihrer
Verfassung und Geistesentwickelung in diese Gährung ge-
rathen war? Anfangs hatte man auf ein unverzüglich zu
berufendes Concilium angetragen: da diese Hofnung sich
in weite Ferne verzog, so mußte man wohl Hand anle-
gen, um für sich selber zu sorgen. Die Anordnungen von

1 Enchiridion seu loci communes contra haereticos: ge-
druckt 1525, verfaßt, wie Eck sich ausdrückt, hortatu Cardinalis de
Campegiis, ut simpliciores, quibus cortice natare opus est, sum-
marium haberent credendorum, ne a pseudoprophetis subverte-
rentur.
11*

Urſprung der Spaltung.
Melanchthon ein ähnliches Handbuch, 1 wie Emſer Lu-
thern eine Bibelüberſetzung entgegenſetzte. Die Arbeiten
der Wittenberger Lehrer waren in dem naturgemäßen Laufe
ihrer innern Entwickelung, aus dem Bedürfniß ihres auf
eigner Bahn vorwärts ſchreitenden Geiſtes hervorgegangen,
voll urſprünglicher, die Gemüther hinreißender Kraft: dieſe
katholiſchen Werke verdankten ihre Entſtehung äußern Ver-
anlaſſungen, Berechnungen einer nach allen Mitteln des
Widerſtandes greifenden gefährdeten Exiſtenz.

Eben damit aber riß man ſich von der großen freien
Entwickelung los, in der die deutſche Nation begriffen
war. Worüber in Speier unter dem Geſichtspunct der
nationalen Einheit und ihrer Bedürfniſſe zu Rathe gegan-
gen, Beſchluß hatte gefaßt werden ſollen, darüber ſetzten
hier die vereinigten Gewalten einſeitige Maaßregeln feſt.
Man ſagte wohl, einer einzelnen Nation komme es nicht
zu, über Angelegenheiten der Religion, der Chriſtenheit
überhaupt Beſtimmung zu treffen: — das ließ ſich leicht
behaupten: — aber was war für die Nation zu thun,
da ſie allein von allen durch die Eigenthümlichkeit ihrer
Verfaſſung und Geiſtesentwickelung in dieſe Gährung ge-
rathen war? Anfangs hatte man auf ein unverzüglich zu
berufendes Concilium angetragen: da dieſe Hofnung ſich
in weite Ferne verzog, ſo mußte man wohl Hand anle-
gen, um für ſich ſelber zu ſorgen. Die Anordnungen von

1 Enchiridion seu loci communes contra haereticos: ge-
druckt 1525, verfaßt, wie Eck ſich ausdruͤckt, hortatu Cardinalis de
Campegiis, ut simpliciores, quibus cortice natare opus est, sum-
marium haberent credendorum, ne a pseudoprophetis subverte-
rentur.
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[163/0173] Urſprung der Spaltung. Melanchthon ein ähnliches Handbuch, 1 wie Emſer Lu- thern eine Bibelüberſetzung entgegenſetzte. Die Arbeiten der Wittenberger Lehrer waren in dem naturgemäßen Laufe ihrer innern Entwickelung, aus dem Bedürfniß ihres auf eigner Bahn vorwärts ſchreitenden Geiſtes hervorgegangen, voll urſprünglicher, die Gemüther hinreißender Kraft: dieſe katholiſchen Werke verdankten ihre Entſtehung äußern Ver- anlaſſungen, Berechnungen einer nach allen Mitteln des Widerſtandes greifenden gefährdeten Exiſtenz. Eben damit aber riß man ſich von der großen freien Entwickelung los, in der die deutſche Nation begriffen war. Worüber in Speier unter dem Geſichtspunct der nationalen Einheit und ihrer Bedürfniſſe zu Rathe gegan- gen, Beſchluß hatte gefaßt werden ſollen, darüber ſetzten hier die vereinigten Gewalten einſeitige Maaßregeln feſt. Man ſagte wohl, einer einzelnen Nation komme es nicht zu, über Angelegenheiten der Religion, der Chriſtenheit überhaupt Beſtimmung zu treffen: — das ließ ſich leicht behaupten: — aber was war für die Nation zu thun, da ſie allein von allen durch die Eigenthümlichkeit ihrer Verfaſſung und Geiſtesentwickelung in dieſe Gährung ge- rathen war? Anfangs hatte man auf ein unverzüglich zu berufendes Concilium angetragen: da dieſe Hofnung ſich in weite Ferne verzog, ſo mußte man wohl Hand anle- gen, um für ſich ſelber zu ſorgen. Die Anordnungen von 1 Enchiridion seu loci communes contra haereticos: ge- druckt 1525, verfaßt, wie Eck ſich ausdruͤckt, hortatu Cardinalis de Campegiis, ut simpliciores, quibus cortice natare opus est, sum- marium haberent credendorum, ne a pseudoprophetis subverte- rentur. 11*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/173>, abgerufen am 25.11.2024.