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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Sechstes Capitel.
Nothdurft deutscher Nation, ausgesprochen sind, jetzt aber
von ein paar geschickten und kühnen Bauernanführern, Fried-
rich Weigant von Miltenberg, und Wendel Hipler, früher ho-
henlohischem Canzler, aufgenommen und ausgebildet wurden. 1
Besonders die Doctoren des römischen Rechtes waren den
Bauern verhaßt: zu keinem Gericht sollten sie zugelassen
werden: nur an den Universitäten wollte man sie dulden,
um sich in dringenden Fällen Raths bei ihnen zu erholen.
Auch übrigens sollten alle Stände auf ihre ursprüngliche
Bestimmung zurückgeführt werden: die Geistlichen nur die
Hüter ihrer Gemeine seyn: Fürsten und Ritter sich den
Schutz der Schwachen angelegen seyn lassen und sich brü-
derlich halten: alle Communen eine Reformation nach göttli-
chem und natürlichem Recht erfahren: nur Eine Münze sollte
gelten: man wollte gleiches Maaß und Gewicht einführen.

Ideen einer radicalen Umwälzung, wie sie erst in der fran-
zösischen Revolution wieder zum Vorschein gekommen sind.

Allein ohne Aussicht waren sie nicht. Jeden Moment

1 Vgl. Entwürfe der Bauern bei Öchsle p. 163 und im An-
hang. Es ist schon von Eichhorn (Deutsche Staats und Rechtsgesch.
III, p. 119 Ausg. IV) bemerkt worden, daß durch diese Entwürfe ein
neues Licht auf die sog. Reformation Friedrichs III fällt. Zwar trägt
Goldast die Schuld nicht, die ihm Eichhorn beimißt, -- er hat dieß
Werkchen nicht zuerst für eine Reformation des Kaisers ausgegeben; die
alte Schrift, die er citirt, führt wirklich den Titel: Teutscher Nation
Notturft: die Ordnung und Reformation aller Stend im Röm Reych,
durch Kayser Friedrich III Gott zu Lob, der ganzen Christenheyt zu
Nutz und Seligkeit fürgenommen. (Panzer II, p. 226.) Allein das
ist ohne Zweifel nur eine schriftstellerische Fiction: die Schrift athmet
durchaus den Geist der ersten Reformationsjahre. -- Das Unglück
von Erfurt, dessen dort unter den Communen gedacht wird, die durch
eigen Nutz zu Grund gegangen, bezieht sich auch wohl mehr auf die
verderblichen Unruhen von 1510 als auf frühere wenig bemerkte Er-
eignisse.

Drittes Buch. Sechstes Capitel.
Nothdurft deutſcher Nation, ausgeſprochen ſind, jetzt aber
von ein paar geſchickten und kühnen Bauernanführern, Fried-
rich Weigant von Miltenberg, und Wendel Hipler, früher ho-
henlohiſchem Canzler, aufgenommen und ausgebildet wurden. 1
Beſonders die Doctoren des römiſchen Rechtes waren den
Bauern verhaßt: zu keinem Gericht ſollten ſie zugelaſſen
werden: nur an den Univerſitäten wollte man ſie dulden,
um ſich in dringenden Fällen Raths bei ihnen zu erholen.
Auch übrigens ſollten alle Stände auf ihre urſprüngliche
Beſtimmung zurückgeführt werden: die Geiſtlichen nur die
Hüter ihrer Gemeine ſeyn: Fürſten und Ritter ſich den
Schutz der Schwachen angelegen ſeyn laſſen und ſich brü-
derlich halten: alle Communen eine Reformation nach göttli-
chem und natürlichem Recht erfahren: nur Eine Münze ſollte
gelten: man wollte gleiches Maaß und Gewicht einführen.

Ideen einer radicalen Umwälzung, wie ſie erſt in der fran-
zöſiſchen Revolution wieder zum Vorſchein gekommen ſind.

Allein ohne Ausſicht waren ſie nicht. Jeden Moment

1 Vgl. Entwuͤrfe der Bauern bei Oͤchsle p. 163 und im An-
hang. Es iſt ſchon von Eichhorn (Deutſche Staats und Rechtsgeſch.
III, p. 119 Ausg. IV) bemerkt worden, daß durch dieſe Entwuͤrfe ein
neues Licht auf die ſog. Reformation Friedrichs III faͤllt. Zwar traͤgt
Goldaſt die Schuld nicht, die ihm Eichhorn beimißt, — er hat dieß
Werkchen nicht zuerſt fuͤr eine Reformation des Kaiſers ausgegeben; die
alte Schrift, die er citirt, fuͤhrt wirklich den Titel: Teutſcher Nation
Notturft: die Ordnung und Reformation aller Stend im Roͤm Reych,
durch Kayſer Friedrich III Gott zu Lob, der ganzen Chriſtenheyt zu
Nutz und Seligkeit fuͤrgenommen. (Panzer II, p. 226.) Allein das
iſt ohne Zweifel nur eine ſchriftſtelleriſche Fiction: die Schrift athmet
durchaus den Geiſt der erſten Reformationsjahre. — Das Ungluͤck
von Erfurt, deſſen dort unter den Communen gedacht wird, die durch
eigen Nutz zu Grund gegangen, bezieht ſich auch wohl mehr auf die
verderblichen Unruhen von 1510 als auf fruͤhere wenig bemerkte Er-
eigniſſe.
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[204/0214] Drittes Buch. Sechstes Capitel. Nothdurft deutſcher Nation, ausgeſprochen ſind, jetzt aber von ein paar geſchickten und kühnen Bauernanführern, Fried- rich Weigant von Miltenberg, und Wendel Hipler, früher ho- henlohiſchem Canzler, aufgenommen und ausgebildet wurden. 1 Beſonders die Doctoren des römiſchen Rechtes waren den Bauern verhaßt: zu keinem Gericht ſollten ſie zugelaſſen werden: nur an den Univerſitäten wollte man ſie dulden, um ſich in dringenden Fällen Raths bei ihnen zu erholen. Auch übrigens ſollten alle Stände auf ihre urſprüngliche Beſtimmung zurückgeführt werden: die Geiſtlichen nur die Hüter ihrer Gemeine ſeyn: Fürſten und Ritter ſich den Schutz der Schwachen angelegen ſeyn laſſen und ſich brü- derlich halten: alle Communen eine Reformation nach göttli- chem und natürlichem Recht erfahren: nur Eine Münze ſollte gelten: man wollte gleiches Maaß und Gewicht einführen. Ideen einer radicalen Umwälzung, wie ſie erſt in der fran- zöſiſchen Revolution wieder zum Vorſchein gekommen ſind. Allein ohne Ausſicht waren ſie nicht. Jeden Moment 1 Vgl. Entwuͤrfe der Bauern bei Oͤchsle p. 163 und im An- hang. Es iſt ſchon von Eichhorn (Deutſche Staats und Rechtsgeſch. III, p. 119 Ausg. IV) bemerkt worden, daß durch dieſe Entwuͤrfe ein neues Licht auf die ſog. Reformation Friedrichs III faͤllt. Zwar traͤgt Goldaſt die Schuld nicht, die ihm Eichhorn beimißt, — er hat dieß Werkchen nicht zuerſt fuͤr eine Reformation des Kaiſers ausgegeben; die alte Schrift, die er citirt, fuͤhrt wirklich den Titel: Teutſcher Nation Notturft: die Ordnung und Reformation aller Stend im Roͤm Reych, durch Kayſer Friedrich III Gott zu Lob, der ganzen Chriſtenheyt zu Nutz und Seligkeit fuͤrgenommen. (Panzer II, p. 226.) Allein das iſt ohne Zweifel nur eine ſchriftſtelleriſche Fiction: die Schrift athmet durchaus den Geiſt der erſten Reformationsjahre. — Das Ungluͤck von Erfurt, deſſen dort unter den Communen gedacht wird, die durch eigen Nutz zu Grund gegangen, bezieht ſich auch wohl mehr auf die verderblichen Unruhen von 1510 als auf fruͤhere wenig bemerkte Er- eigniſſe.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/214>, abgerufen am 29.11.2024.