dieß bestätigen sollte, war sie nicht dahin zu bringen. Ei- nige der angesehensten Mitglieder blieben von der Versamm- lung weg, mit der Erklärung: sie seyen zu gering um die Kirche reformiren zu wollen. 1
Da nun weder der Convent noch auch die Universi- tät sich geradezu für die Neuerung erklärten, so war auch der Churfürst nicht weiter zu bringen: er meinte, wenn man sich schon in Wittenberg nicht vereinigen könne, wie ungleich würde die Welt über jede Änderung urtheilen! Man möge von der Sache lesen, disputiren und predigen, aber indeß bei dem alten Gebrauche bleiben. 2
Schon waren aber die feurigen Gemüther durch An- ordnungen eines von jeher so nachgiebigen Fürsten nicht mehr in Zaum zu halten: dem Befehl desselben zum Trotz kündigte Dr Carlstadt an, er werde zum Fest der Beschnei- dung Christi die Messe nach einem neuen Ritus feiern, das Abendmahl nach den Worten der Einsetzung austhei- len. Schon einmal, im October, hatte er etwas Ähnliches versucht, jedoch in engerm Kreise, ganz nach dem Vorbild Christi, nur mit zwölf Theilnehmern. Da es schien, als werde man ihm jetzt Hindernisse in den Weg legen, so war- tete er nicht bis auf den angekündigten Tag. An dem Christtag 1521 predigte er in der Pfarrkirche von der Nothwendigkeit, von der bisherigen Weise abzulassen und beide Gestalten des Sacraments zu empfangen: nach der Predigt trat er vor den Altar, sprach die Messe, jedoch ohne die Worte welche sich auf die Idee des Opfers be-
1 Bericht Christian Beiers 13 Dez. ib. 500.
2 Instruction des Churfürsten Lochau 19 Dez. ib. 507.
Ranke d. Gesch. II. 2
Unruhen in Wittenberg.
dieß beſtätigen ſollte, war ſie nicht dahin zu bringen. Ei- nige der angeſehenſten Mitglieder blieben von der Verſamm- lung weg, mit der Erklärung: ſie ſeyen zu gering um die Kirche reformiren zu wollen. 1
Da nun weder der Convent noch auch die Univerſi- tät ſich geradezu für die Neuerung erklärten, ſo war auch der Churfürſt nicht weiter zu bringen: er meinte, wenn man ſich ſchon in Wittenberg nicht vereinigen könne, wie ungleich würde die Welt über jede Änderung urtheilen! Man möge von der Sache leſen, disputiren und predigen, aber indeß bei dem alten Gebrauche bleiben. 2
Schon waren aber die feurigen Gemüther durch An- ordnungen eines von jeher ſo nachgiebigen Fürſten nicht mehr in Zaum zu halten: dem Befehl deſſelben zum Trotz kündigte Dr Carlſtadt an, er werde zum Feſt der Beſchnei- dung Chriſti die Meſſe nach einem neuen Ritus feiern, das Abendmahl nach den Worten der Einſetzung austhei- len. Schon einmal, im October, hatte er etwas Ähnliches verſucht, jedoch in engerm Kreiſe, ganz nach dem Vorbild Chriſti, nur mit zwölf Theilnehmern. Da es ſchien, als werde man ihm jetzt Hinderniſſe in den Weg legen, ſo war- tete er nicht bis auf den angekündigten Tag. An dem Chriſttag 1521 predigte er in der Pfarrkirche von der Nothwendigkeit, von der bisherigen Weiſe abzulaſſen und beide Geſtalten des Sacraments zu empfangen: nach der Predigt trat er vor den Altar, ſprach die Meſſe, jedoch ohne die Worte welche ſich auf die Idee des Opfers be-
1 Bericht Chriſtian Beiers 13 Dez. ib. 500.
2 Inſtruction des Churfuͤrſten Lochau 19 Dez. ib. 507.
Ranke d. Geſch. II. 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0027"n="17"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Unruhen in Wittenberg</hi>.</fw><lb/>
dieß beſtätigen ſollte, war ſie nicht dahin zu bringen. Ei-<lb/>
nige der angeſehenſten Mitglieder blieben von der Verſamm-<lb/>
lung weg, mit der Erklärung: ſie ſeyen zu gering um die<lb/>
Kirche reformiren zu wollen. <noteplace="foot"n="1">Bericht Chriſtian Beiers 13 Dez. <hirendition="#aq">ib.</hi> 500.</note></p><lb/><p>Da nun weder der Convent noch auch die Univerſi-<lb/>
tät ſich geradezu für die Neuerung erklärten, ſo war auch<lb/>
der Churfürſt nicht weiter zu bringen: er meinte, wenn<lb/>
man ſich ſchon in Wittenberg nicht vereinigen könne, wie<lb/>
ungleich würde die Welt über jede Änderung urtheilen!<lb/>
Man möge von der Sache leſen, disputiren und predigen,<lb/>
aber indeß bei dem alten Gebrauche bleiben. <noteplace="foot"n="2">Inſtruction des Churfuͤrſten Lochau 19 Dez. <hirendition="#aq">ib.</hi> 507.</note></p><lb/><p>Schon waren aber die feurigen Gemüther durch An-<lb/>
ordnungen eines von jeher ſo nachgiebigen Fürſten nicht<lb/>
mehr in Zaum zu halten: dem Befehl deſſelben zum Trotz<lb/>
kündigte Dr Carlſtadt an, er werde zum Feſt der Beſchnei-<lb/>
dung Chriſti die Meſſe nach einem neuen Ritus feiern,<lb/>
das Abendmahl nach den Worten der Einſetzung austhei-<lb/>
len. Schon einmal, im October, hatte er etwas Ähnliches<lb/>
verſucht, jedoch in engerm Kreiſe, ganz nach dem Vorbild<lb/>
Chriſti, nur mit zwölf Theilnehmern. Da es ſchien, als<lb/>
werde man ihm jetzt Hinderniſſe in den Weg legen, ſo war-<lb/>
tete er nicht bis auf den angekündigten Tag. An dem<lb/>
Chriſttag 1521 predigte er in der Pfarrkirche von der<lb/>
Nothwendigkeit, von der bisherigen Weiſe abzulaſſen und<lb/>
beide Geſtalten des Sacraments zu empfangen: nach der<lb/>
Predigt trat er vor den Altar, ſprach die Meſſe, jedoch<lb/>
ohne die Worte welche ſich auf die Idee des Opfers be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Ranke d. Geſch. <hirendition="#aq">II.</hi> 2</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[17/0027]
Unruhen in Wittenberg.
dieß beſtätigen ſollte, war ſie nicht dahin zu bringen. Ei-
nige der angeſehenſten Mitglieder blieben von der Verſamm-
lung weg, mit der Erklärung: ſie ſeyen zu gering um die
Kirche reformiren zu wollen. 1
Da nun weder der Convent noch auch die Univerſi-
tät ſich geradezu für die Neuerung erklärten, ſo war auch
der Churfürſt nicht weiter zu bringen: er meinte, wenn
man ſich ſchon in Wittenberg nicht vereinigen könne, wie
ungleich würde die Welt über jede Änderung urtheilen!
Man möge von der Sache leſen, disputiren und predigen,
aber indeß bei dem alten Gebrauche bleiben. 2
Schon waren aber die feurigen Gemüther durch An-
ordnungen eines von jeher ſo nachgiebigen Fürſten nicht
mehr in Zaum zu halten: dem Befehl deſſelben zum Trotz
kündigte Dr Carlſtadt an, er werde zum Feſt der Beſchnei-
dung Chriſti die Meſſe nach einem neuen Ritus feiern,
das Abendmahl nach den Worten der Einſetzung austhei-
len. Schon einmal, im October, hatte er etwas Ähnliches
verſucht, jedoch in engerm Kreiſe, ganz nach dem Vorbild
Chriſti, nur mit zwölf Theilnehmern. Da es ſchien, als
werde man ihm jetzt Hinderniſſe in den Weg legen, ſo war-
tete er nicht bis auf den angekündigten Tag. An dem
Chriſttag 1521 predigte er in der Pfarrkirche von der
Nothwendigkeit, von der bisherigen Weiſe abzulaſſen und
beide Geſtalten des Sacraments zu empfangen: nach der
Predigt trat er vor den Altar, ſprach die Meſſe, jedoch
ohne die Worte welche ſich auf die Idee des Opfers be-
1 Bericht Chriſtian Beiers 13 Dez. ib. 500.
2 Inſtruction des Churfuͤrſten Lochau 19 Dez. ib. 507.
Ranke d. Geſch. II. 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/27>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.