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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
Madrid und sprach mit seiner Umgebung von dem Gang
der Dinge in Italien, von der Lage seines Heeres, die er
noch für sehr gefährlich hielt, als ein Courier von diesem
Heere ankam. Ohne etwas von seinem Auftrag zu sagen
trat er ein: dem Kaiser zuerst wollte er die Nachricht ver-
kündigen. "Sire," hub er an, "bei Pavia ist es zur
Schlacht gekommen:" "Ew. Majestät Truppen," fuhr er
fort, "haben den Sieg davon getragen: die französische
Armee ist vernichtet: der König selbst ist gefangen und be-
findet sich in der Gewalt Ew. Majestät." Ein entschei-
dendes nicht gehofftes Glück muß wohl im ersten Moment
eine ähnliche Wirkung hervorbringen wie ein plötzlicher Un-
fall. Indem Carl diese Worte vernahm, schien das Blut
in seinen Adern zu erstarren und ein paar Augenblicke sagte
er kein Wort. Dann wiederholte er nur: der König von
Frankreich ist gefangen und in meiner Gewalt: die Schlacht
ist für mich gewonnen! Hierauf entfernte er sich in das
Nebenzimmer, wo sein Bett stand: vor einem Marienbilde
kniete er nieder, um seine Gedanken zu Gott und zu der
Größe seines Berufes zu erheben. Er ließ Processionen
veranstalten, und Gott bitten, ihm dereinst noch andre,
höhere Gnaden zu verleihen, im Kampfe gegen die Ungläu-
bigen. Er sprach von einer Unternehmung gegen Constan-
tinopel und Jerusalem. 1

Gedanken dieser Art lagen jedoch in weiter Ferne.
Zunächst kam es auf eine Benutzung des gegenwärtigen
Momentes an.


1 Schreiben des mantuanischen Gesandten Suardin an den
Markgrafen von Mantua 15 März 1525 bei Sanuto Bd 38.

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
Madrid und ſprach mit ſeiner Umgebung von dem Gang
der Dinge in Italien, von der Lage ſeines Heeres, die er
noch für ſehr gefährlich hielt, als ein Courier von dieſem
Heere ankam. Ohne etwas von ſeinem Auftrag zu ſagen
trat er ein: dem Kaiſer zuerſt wollte er die Nachricht ver-
kündigen. „Sire,“ hub er an, „bei Pavia iſt es zur
Schlacht gekommen:“ „Ew. Majeſtät Truppen,“ fuhr er
fort, „haben den Sieg davon getragen: die franzöſiſche
Armee iſt vernichtet: der König ſelbſt iſt gefangen und be-
findet ſich in der Gewalt Ew. Majeſtät.“ Ein entſchei-
dendes nicht gehofftes Glück muß wohl im erſten Moment
eine ähnliche Wirkung hervorbringen wie ein plötzlicher Un-
fall. Indem Carl dieſe Worte vernahm, ſchien das Blut
in ſeinen Adern zu erſtarren und ein paar Augenblicke ſagte
er kein Wort. Dann wiederholte er nur: der König von
Frankreich iſt gefangen und in meiner Gewalt: die Schlacht
iſt für mich gewonnen! Hierauf entfernte er ſich in das
Nebenzimmer, wo ſein Bett ſtand: vor einem Marienbilde
kniete er nieder, um ſeine Gedanken zu Gott und zu der
Größe ſeines Berufes zu erheben. Er ließ Proceſſionen
veranſtalten, und Gott bitten, ihm dereinſt noch andre,
höhere Gnaden zu verleihen, im Kampfe gegen die Ungläu-
bigen. Er ſprach von einer Unternehmung gegen Conſtan-
tinopel und Jeruſalem. 1

Gedanken dieſer Art lagen jedoch in weiter Ferne.
Zunächſt kam es auf eine Benutzung des gegenwärtigen
Momentes an.


1 Schreiben des mantuaniſchen Geſandten Suardin an den
Markgrafen von Mantua 15 Maͤrz 1525 bei Sanuto Bd 38.
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[316/0326] Viertes Buch. Erſtes Capitel. Madrid und ſprach mit ſeiner Umgebung von dem Gang der Dinge in Italien, von der Lage ſeines Heeres, die er noch für ſehr gefährlich hielt, als ein Courier von dieſem Heere ankam. Ohne etwas von ſeinem Auftrag zu ſagen trat er ein: dem Kaiſer zuerſt wollte er die Nachricht ver- kündigen. „Sire,“ hub er an, „bei Pavia iſt es zur Schlacht gekommen:“ „Ew. Majeſtät Truppen,“ fuhr er fort, „haben den Sieg davon getragen: die franzöſiſche Armee iſt vernichtet: der König ſelbſt iſt gefangen und be- findet ſich in der Gewalt Ew. Majeſtät.“ Ein entſchei- dendes nicht gehofftes Glück muß wohl im erſten Moment eine ähnliche Wirkung hervorbringen wie ein plötzlicher Un- fall. Indem Carl dieſe Worte vernahm, ſchien das Blut in ſeinen Adern zu erſtarren und ein paar Augenblicke ſagte er kein Wort. Dann wiederholte er nur: der König von Frankreich iſt gefangen und in meiner Gewalt: die Schlacht iſt für mich gewonnen! Hierauf entfernte er ſich in das Nebenzimmer, wo ſein Bett ſtand: vor einem Marienbilde kniete er nieder, um ſeine Gedanken zu Gott und zu der Größe ſeines Berufes zu erheben. Er ließ Proceſſionen veranſtalten, und Gott bitten, ihm dereinſt noch andre, höhere Gnaden zu verleihen, im Kampfe gegen die Ungläu- bigen. Er ſprach von einer Unternehmung gegen Conſtan- tinopel und Jeruſalem. 1 Gedanken dieſer Art lagen jedoch in weiter Ferne. Zunächſt kam es auf eine Benutzung des gegenwärtigen Momentes an. 1 Schreiben des mantuaniſchen Geſandten Suardin an den Markgrafen von Mantua 15 Maͤrz 1525 bei Sanuto Bd 38.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/326>, abgerufen am 27.11.2024.