Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Kirchliche Ideale.
sammeln, wo alle Klagen zu erledigen, alle Zweifel aus-
zumachen sind. Es wird ein Ausschuß von Dreizehn ge-
wählt, der die Sachen vorbereiten und sie der Versamm-
lung zur Entscheidung nach dem Worte Gottes vorlegen soll.
Von der Generalsynode, deren Zusammenkunft man immer
auf den dritten Sonntag nach Ostern festsetzt, werden drei
Visitatoren gewählt, welche den Zustand jeder einzelnen
Kirche zu untersuchen haben.

Es ist sehr bemerkenswerth, daß ein Ausländer es
war, ein Franzose, von Avignon, welcher jedoch von Zwingli
bekehrt, in Luthers Schule von der evangelischen Lehre
durchdrungen worden, -- der diese Ideen so weit ausbil-
dete. Es sind dieselben, auf welche die französische, schot-
tische und amerikanische Kirche späterhin gegründet wor-
den: von denen man wohl sagen kann, daß das Daseyn,
die Entwickelung von Nordamerika auf ihnen beruht. Sie
haben eine unermeßliche welthistorische Wichtigkeit. Gleich
bei dem ersten Versuche traten sie auf: eine kleine deutsche
Synode nahm sie an.

Eine andre Frage aber war es, ob sie in Deutsch-
land und zwar damals auszuführen seyn würden.

Wenigstens Luther war schon wieder davon zurückge-
kommen.

Einmal er hätte dabei fast unüberwindliche Schwie-
rigkeiten gefunden. Bei seinem ganzen Unternehmen war
ihm der Wunsch des höhern weltlichen Standes, sich von
dem Druck der unmittelbaren geistlichen Aufsicht zu eman-
cipiren, zu Statten gekommen: die Menschen wollten sich
einen gleichen Zwang unter anderer Form nicht wieder

28*

Kirchliche Ideale.
ſammeln, wo alle Klagen zu erledigen, alle Zweifel aus-
zumachen ſind. Es wird ein Ausſchuß von Dreizehn ge-
wählt, der die Sachen vorbereiten und ſie der Verſamm-
lung zur Entſcheidung nach dem Worte Gottes vorlegen ſoll.
Von der Generalſynode, deren Zuſammenkunft man immer
auf den dritten Sonntag nach Oſtern feſtſetzt, werden drei
Viſitatoren gewählt, welche den Zuſtand jeder einzelnen
Kirche zu unterſuchen haben.

Es iſt ſehr bemerkenswerth, daß ein Ausländer es
war, ein Franzoſe, von Avignon, welcher jedoch von Zwingli
bekehrt, in Luthers Schule von der evangeliſchen Lehre
durchdrungen worden, — der dieſe Ideen ſo weit ausbil-
dete. Es ſind dieſelben, auf welche die franzöſiſche, ſchot-
tiſche und amerikaniſche Kirche ſpäterhin gegründet wor-
den: von denen man wohl ſagen kann, daß das Daſeyn,
die Entwickelung von Nordamerika auf ihnen beruht. Sie
haben eine unermeßliche welthiſtoriſche Wichtigkeit. Gleich
bei dem erſten Verſuche traten ſie auf: eine kleine deutſche
Synode nahm ſie an.

Eine andre Frage aber war es, ob ſie in Deutſch-
land und zwar damals auszuführen ſeyn würden.

Wenigſtens Luther war ſchon wieder davon zurückge-
kommen.

Einmal er hätte dabei faſt unüberwindliche Schwie-
rigkeiten gefunden. Bei ſeinem ganzen Unternehmen war
ihm der Wunſch des höhern weltlichen Standes, ſich von
dem Druck der unmittelbaren geiſtlichen Aufſicht zu eman-
cipiren, zu Statten gekommen: die Menſchen wollten ſich
einen gleichen Zwang unter anderer Form nicht wieder

28*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0445" n="435"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kirchliche Ideale</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ammeln, wo alle Klagen zu erledigen, alle Zweifel aus-<lb/>
zumachen &#x017F;ind. Es wird ein Aus&#x017F;chuß von Dreizehn ge-<lb/>
wählt, der die Sachen vorbereiten und &#x017F;ie der Ver&#x017F;amm-<lb/>
lung zur Ent&#x017F;cheidung nach dem Worte Gottes vorlegen &#x017F;oll.<lb/>
Von der General&#x017F;ynode, deren Zu&#x017F;ammenkunft man immer<lb/>
auf den dritten Sonntag nach O&#x017F;tern fe&#x017F;t&#x017F;etzt, werden drei<lb/>
Vi&#x017F;itatoren gewählt, welche den Zu&#x017F;tand jeder einzelnen<lb/>
Kirche zu unter&#x017F;uchen haben.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t &#x017F;ehr bemerkenswerth, daß ein Ausländer es<lb/>
war, ein Franzo&#x017F;e, von Avignon, welcher jedoch von Zwingli<lb/>
bekehrt, in Luthers Schule von der evangeli&#x017F;chen Lehre<lb/>
durchdrungen worden, &#x2014; der die&#x017F;e Ideen &#x017F;o weit ausbil-<lb/>
dete. Es &#x017F;ind die&#x017F;elben, auf welche die franzö&#x017F;i&#x017F;che, &#x017F;chot-<lb/>
ti&#x017F;che und amerikani&#x017F;che Kirche &#x017F;päterhin gegründet wor-<lb/>
den: von denen man wohl &#x017F;agen kann, daß das Da&#x017F;eyn,<lb/>
die Entwickelung von Nordamerika auf ihnen beruht. Sie<lb/>
haben eine unermeßliche welthi&#x017F;tori&#x017F;che Wichtigkeit. Gleich<lb/>
bei dem er&#x017F;ten Ver&#x017F;uche traten &#x017F;ie auf: eine kleine deut&#x017F;che<lb/>
Synode nahm &#x017F;ie an.</p><lb/>
          <p>Eine andre Frage aber war es, ob &#x017F;ie in Deut&#x017F;ch-<lb/>
land und zwar damals auszuführen &#x017F;eyn würden.</p><lb/>
          <p>Wenig&#x017F;tens Luther war &#x017F;chon wieder davon zurückge-<lb/>
kommen.</p><lb/>
          <p>Einmal er hätte dabei fa&#x017F;t unüberwindliche Schwie-<lb/>
rigkeiten gefunden. Bei &#x017F;einem ganzen Unternehmen war<lb/>
ihm der Wun&#x017F;ch des höhern weltlichen Standes, &#x017F;ich von<lb/>
dem Druck der unmittelbaren gei&#x017F;tlichen Auf&#x017F;icht zu eman-<lb/>
cipiren, zu Statten gekommen: die Men&#x017F;chen wollten &#x017F;ich<lb/>
einen gleichen Zwang unter anderer Form nicht wieder<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">28*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[435/0445] Kirchliche Ideale. ſammeln, wo alle Klagen zu erledigen, alle Zweifel aus- zumachen ſind. Es wird ein Ausſchuß von Dreizehn ge- wählt, der die Sachen vorbereiten und ſie der Verſamm- lung zur Entſcheidung nach dem Worte Gottes vorlegen ſoll. Von der Generalſynode, deren Zuſammenkunft man immer auf den dritten Sonntag nach Oſtern feſtſetzt, werden drei Viſitatoren gewählt, welche den Zuſtand jeder einzelnen Kirche zu unterſuchen haben. Es iſt ſehr bemerkenswerth, daß ein Ausländer es war, ein Franzoſe, von Avignon, welcher jedoch von Zwingli bekehrt, in Luthers Schule von der evangeliſchen Lehre durchdrungen worden, — der dieſe Ideen ſo weit ausbil- dete. Es ſind dieſelben, auf welche die franzöſiſche, ſchot- tiſche und amerikaniſche Kirche ſpäterhin gegründet wor- den: von denen man wohl ſagen kann, daß das Daſeyn, die Entwickelung von Nordamerika auf ihnen beruht. Sie haben eine unermeßliche welthiſtoriſche Wichtigkeit. Gleich bei dem erſten Verſuche traten ſie auf: eine kleine deutſche Synode nahm ſie an. Eine andre Frage aber war es, ob ſie in Deutſch- land und zwar damals auszuführen ſeyn würden. Wenigſtens Luther war ſchon wieder davon zurückge- kommen. Einmal er hätte dabei faſt unüberwindliche Schwie- rigkeiten gefunden. Bei ſeinem ganzen Unternehmen war ihm der Wunſch des höhern weltlichen Standes, ſich von dem Druck der unmittelbaren geiſtlichen Aufſicht zu eman- cipiren, zu Statten gekommen: die Menſchen wollten ſich einen gleichen Zwang unter anderer Form nicht wieder 28*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/445
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/445>, abgerufen am 20.05.2024.