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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Sächsische Visitation.
Religion verbinden, nichts übertreiben, die Hausherrn, wie
sie ihr Gesinde zur Gottesfurcht anhalten sollen; er schreibt
einem jeden Sprüche seines Wohlverhaltens vor, den Pfar-
rern und den Gemeinen, Männern und Frauen, Ältern
und Kindern, Knechten und Mägden, Jung und Alt: er
zeigt ihnen eine Formel des Benedicite und des Gratias
bei Tische, des Morgen und des Abendsegens an. Er ist
der Patriarch der häuslichen, mit Andacht durchdrungnen
strengen Zucht und Sitte des norddeutschen Hauswesens.
Wie unzählige Millionen Male hat sein herzliches Das
walt Gott den im dumpfen Treiben des Werkeltags da-
hin lebenden Bürger und Bauersmann seiner Beziehung zu
dem Ewigen wieder erinnert! Der Katechismus, den er
im Jahr 1529 herausgab, von dem er sagt, er bete ihn
selbst, so ein alter Doctor er auch sey, ist eben so kindlich
wie tiefsinnig, so faßlich wie unergründlich, einfach und
erhaben. Glückselig wer seine Seele damit nährte, wer
daran festhält! Er besitzt einen unvergänglichen Trost in
jedem Momente: nur hinter einer leichten Hülle den Kern
der Wahrheit, der dem Weisesten der Weisen genug thut.

Um aber dieser Tendenz der populären Unterweisung,
dem gesammten Predigerwesen, das an die Stelle des Prie-
sterthums trat, ein festes Bestehen zu sichern, war zunächst
eine äußerliche Begründung der Kirchen nothwendig.

Da dürfen wir nun nicht vergessen, daß die geistli-
chen Güter von allen Seiten gefährdet wurden. Wir ha-
ben berührt, wie man zuerst von der streng katholischen
Seite Klöster aufzuheben anfieng, welche Ansprüche die öst-
reichische Regierung an die Verwaltung der Weltlichkeit

Saͤchſiſche Viſitation.
Religion verbinden, nichts übertreiben, die Hausherrn, wie
ſie ihr Geſinde zur Gottesfurcht anhalten ſollen; er ſchreibt
einem jeden Sprüche ſeines Wohlverhaltens vor, den Pfar-
rern und den Gemeinen, Männern und Frauen, Ältern
und Kindern, Knechten und Mägden, Jung und Alt: er
zeigt ihnen eine Formel des Benedicite und des Gratias
bei Tiſche, des Morgen und des Abendſegens an. Er iſt
der Patriarch der häuslichen, mit Andacht durchdrungnen
ſtrengen Zucht und Sitte des norddeutſchen Hausweſens.
Wie unzählige Millionen Male hat ſein herzliches Das
walt Gott den im dumpfen Treiben des Werkeltags da-
hin lebenden Bürger und Bauersmann ſeiner Beziehung zu
dem Ewigen wieder erinnert! Der Katechismus, den er
im Jahr 1529 herausgab, von dem er ſagt, er bete ihn
ſelbſt, ſo ein alter Doctor er auch ſey, iſt eben ſo kindlich
wie tiefſinnig, ſo faßlich wie unergründlich, einfach und
erhaben. Glückſelig wer ſeine Seele damit nährte, wer
daran feſthält! Er beſitzt einen unvergänglichen Troſt in
jedem Momente: nur hinter einer leichten Hülle den Kern
der Wahrheit, der dem Weiſeſten der Weiſen genug thut.

Um aber dieſer Tendenz der populären Unterweiſung,
dem geſammten Predigerweſen, das an die Stelle des Prie-
ſterthums trat, ein feſtes Beſtehen zu ſichern, war zunächſt
eine äußerliche Begründung der Kirchen nothwendig.

Da dürfen wir nun nicht vergeſſen, daß die geiſtli-
chen Güter von allen Seiten gefährdet wurden. Wir ha-
ben berührt, wie man zuerſt von der ſtreng katholiſchen
Seite Klöſter aufzuheben anfieng, welche Anſprüche die öſt-
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[445/0455] Saͤchſiſche Viſitation. Religion verbinden, nichts übertreiben, die Hausherrn, wie ſie ihr Geſinde zur Gottesfurcht anhalten ſollen; er ſchreibt einem jeden Sprüche ſeines Wohlverhaltens vor, den Pfar- rern und den Gemeinen, Männern und Frauen, Ältern und Kindern, Knechten und Mägden, Jung und Alt: er zeigt ihnen eine Formel des Benedicite und des Gratias bei Tiſche, des Morgen und des Abendſegens an. Er iſt der Patriarch der häuslichen, mit Andacht durchdrungnen ſtrengen Zucht und Sitte des norddeutſchen Hausweſens. Wie unzählige Millionen Male hat ſein herzliches Das walt Gott den im dumpfen Treiben des Werkeltags da- hin lebenden Bürger und Bauersmann ſeiner Beziehung zu dem Ewigen wieder erinnert! Der Katechismus, den er im Jahr 1529 herausgab, von dem er ſagt, er bete ihn ſelbſt, ſo ein alter Doctor er auch ſey, iſt eben ſo kindlich wie tiefſinnig, ſo faßlich wie unergründlich, einfach und erhaben. Glückſelig wer ſeine Seele damit nährte, wer daran feſthält! Er beſitzt einen unvergänglichen Troſt in jedem Momente: nur hinter einer leichten Hülle den Kern der Wahrheit, der dem Weiſeſten der Weiſen genug thut. Um aber dieſer Tendenz der populären Unterweiſung, dem geſammten Predigerweſen, das an die Stelle des Prie- ſterthums trat, ein feſtes Beſtehen zu ſichern, war zunächſt eine äußerliche Begründung der Kirchen nothwendig. Da dürfen wir nun nicht vergeſſen, daß die geiſtli- chen Güter von allen Seiten gefährdet wurden. Wir ha- ben berührt, wie man zuerſt von der ſtreng katholiſchen Seite Klöſter aufzuheben anfieng, welche Anſprüche die öſt- reichiſche Regierung an die Verwaltung der Weltlichkeit

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/455>, abgerufen am 27.11.2024.