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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Drittes Buch. Zweites Capitel.
berg dulde; er wollte es nicht Wort haben daß der Mönch
Ketzereien lehre. "Daß dort das Abendmahl unter beiden
Gestalten genommen werde, ein und der andre Priester sich
verheirathe, ein paar Mönche ihr Kloster verlassen, könne
man nicht Ketzereien nennen; das betreffe Anordnungen,
welche von Papst und Concilien vor nicht gar langer Zeit
gegeben worden, und daher auch am Ende zurückzunehmen
seyen. Würde man dagegen Luthern entfernen, so würden
sich Nachahmer erheben, jedoch ohne seinen Geist; die möch-
ten dann leicht nicht allein gegen Satzungen der Kirche,
sondern gegen Christenthum und Gott predigen; ein Auf-
ruhr, ja ein vollkommner Mißglaube dürfte sich erheben."
Dieser Gesandte ist überhaupt ein Mann von Geist, eben
so entschlossen, wie gewandt; er ist ganz für Luther, we-
niger jedoch aus theologischer Überzeugung, obwohl er
ihm auch darin beistimmt, als weil er in der Sache des-
selben zugleich eine Sache seines Fürsten, des Regimentes
und des Reiches sieht.

Im Sommer 1522 traf nun die Reihe, an dem Re-
giment persönlich anwesend zu seyn, den Churfürsten Frie-
drich selbst. Er war noch aus der Schule jener alten Für-
sten, aus deren Ideen das Institut des Regimentes her-
vorgegangen: auch jetzt hatte er an der Festsetzung der Ver-
fassung persönlich den lebendigsten Antheil genommen. Schon
war er öfter wegen einzelner Förmlichkeiten zu Rathe ge-
zogen worden. Die besonnene Ruhe mit der er verfuhr,
die Erfahrung die er besaß, die allgemeine Hochachtung
welche er sich durch Redlichkeit und Geschäftstalent erwor-
ben, brachten ihm eine ungemeine Autorität zu Wege. 1

1 Der Churf. v. Trier hörte von einem Unwohlseyn Friedrichs.

Drittes Buch. Zweites Capitel.
berg dulde; er wollte es nicht Wort haben daß der Mönch
Ketzereien lehre. „Daß dort das Abendmahl unter beiden
Geſtalten genommen werde, ein und der andre Prieſter ſich
verheirathe, ein paar Mönche ihr Kloſter verlaſſen, könne
man nicht Ketzereien nennen; das betreffe Anordnungen,
welche von Papſt und Concilien vor nicht gar langer Zeit
gegeben worden, und daher auch am Ende zurückzunehmen
ſeyen. Würde man dagegen Luthern entfernen, ſo würden
ſich Nachahmer erheben, jedoch ohne ſeinen Geiſt; die möch-
ten dann leicht nicht allein gegen Satzungen der Kirche,
ſondern gegen Chriſtenthum und Gott predigen; ein Auf-
ruhr, ja ein vollkommner Mißglaube dürfte ſich erheben.“
Dieſer Geſandte iſt überhaupt ein Mann von Geiſt, eben
ſo entſchloſſen, wie gewandt; er iſt ganz für Luther, we-
niger jedoch aus theologiſcher Überzeugung, obwohl er
ihm auch darin beiſtimmt, als weil er in der Sache deſ-
ſelben zugleich eine Sache ſeines Fürſten, des Regimentes
und des Reiches ſieht.

Im Sommer 1522 traf nun die Reihe, an dem Re-
giment perſönlich anweſend zu ſeyn, den Churfürſten Frie-
drich ſelbſt. Er war noch aus der Schule jener alten Für-
ſten, aus deren Ideen das Inſtitut des Regimentes her-
vorgegangen: auch jetzt hatte er an der Feſtſetzung der Ver-
faſſung perſönlich den lebendigſten Antheil genommen. Schon
war er öfter wegen einzelner Förmlichkeiten zu Rathe ge-
zogen worden. Die beſonnene Ruhe mit der er verfuhr,
die Erfahrung die er beſaß, die allgemeine Hochachtung
welche er ſich durch Redlichkeit und Geſchäftstalent erwor-
ben, brachten ihm eine ungemeine Autorität zu Wege. 1

1 Der Churf. v. Trier hoͤrte von einem Unwohlſeyn Friedrichs.
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[50/0060] Drittes Buch. Zweites Capitel. berg dulde; er wollte es nicht Wort haben daß der Mönch Ketzereien lehre. „Daß dort das Abendmahl unter beiden Geſtalten genommen werde, ein und der andre Prieſter ſich verheirathe, ein paar Mönche ihr Kloſter verlaſſen, könne man nicht Ketzereien nennen; das betreffe Anordnungen, welche von Papſt und Concilien vor nicht gar langer Zeit gegeben worden, und daher auch am Ende zurückzunehmen ſeyen. Würde man dagegen Luthern entfernen, ſo würden ſich Nachahmer erheben, jedoch ohne ſeinen Geiſt; die möch- ten dann leicht nicht allein gegen Satzungen der Kirche, ſondern gegen Chriſtenthum und Gott predigen; ein Auf- ruhr, ja ein vollkommner Mißglaube dürfte ſich erheben.“ Dieſer Geſandte iſt überhaupt ein Mann von Geiſt, eben ſo entſchloſſen, wie gewandt; er iſt ganz für Luther, we- niger jedoch aus theologiſcher Überzeugung, obwohl er ihm auch darin beiſtimmt, als weil er in der Sache deſ- ſelben zugleich eine Sache ſeines Fürſten, des Regimentes und des Reiches ſieht. Im Sommer 1522 traf nun die Reihe, an dem Re- giment perſönlich anweſend zu ſeyn, den Churfürſten Frie- drich ſelbſt. Er war noch aus der Schule jener alten Für- ſten, aus deren Ideen das Inſtitut des Regimentes her- vorgegangen: auch jetzt hatte er an der Feſtſetzung der Ver- faſſung perſönlich den lebendigſten Antheil genommen. Schon war er öfter wegen einzelner Förmlichkeiten zu Rathe ge- zogen worden. Die beſonnene Ruhe mit der er verfuhr, die Erfahrung die er beſaß, die allgemeine Hochachtung welche er ſich durch Redlichkeit und Geſchäftstalent erwor- ben, brachten ihm eine ungemeine Autorität zu Wege. 1 1 Der Churf. v. Trier hoͤrte von einem Unwohlſeyn Friedrichs.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/60>, abgerufen am 24.11.2024.