Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch. Zweites Capitel.
Ständeversammlung zurückgekommen, dem Nuntius über-
geben. 1

Dieser verbarg sein Erstaunen, seinen Mißmuth nicht:
weder der Papst, sagt er, noch der Kaiser noch irgend ein
anderer Fürst habe solch einen Beschluß von ihnen erwartet:
er erneuerte seine Anträge auf die Ausführung des Worm-
ser Edictes, die Einrichtung einer bischöflichen Censur; allein
wie hätte eine Versammlung, die sich so langsam und
schwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be-
schlüsse denken können? Es war alles vergeblich.

Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiserliches
Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürst von Sach-
sen, Luther selbst war damit höchlich zufrieden. Luther
fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgesprochen
worden, dadurch eigentlich zurückgenommen seyen.

In der That waren diese Beschlüsse von Nürnberg
das grade Gegentheil der Wormsischen. Was man von
Carl V erwartet hatte, daß er sich an die Spitze der na-
tionalen Bewegung stellen würde, das that das Regiment
nun wirklich. Die politische Opposition, die sich schon so
lange vorbereitet, trat dem Papst kräftiger als jemals ent-
gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräsentanten der
kaiserlichen Macht geschützt konnte nun auch die religiöse
Bewegung sich ungehindert entwickeln.



Drit-
1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift ist dem päpstl. Nuntius
auf die Maß übergeben wie ich E Chf D. zugeschickt. Der ist der
nicht zu frieden und hat darauf replicirt. -- -- Er will den Kayser
dabei nit haben, so gefällt ihm auch nit daß es sogar frei seyn soll
wie begehrt.

Drittes Buch. Zweites Capitel.
Ständeverſammlung zurückgekommen, dem Nuntius über-
geben. 1

Dieſer verbarg ſein Erſtaunen, ſeinen Mißmuth nicht:
weder der Papſt, ſagt er, noch der Kaiſer noch irgend ein
anderer Fürſt habe ſolch einen Beſchluß von ihnen erwartet:
er erneuerte ſeine Anträge auf die Ausführung des Worm-
ſer Edictes, die Einrichtung einer biſchöflichen Cenſur; allein
wie hätte eine Verſammlung, die ſich ſo langſam und
ſchwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be-
ſchlüſſe denken können? Es war alles vergeblich.

Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiſerliches
Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürſt von Sach-
ſen, Luther ſelbſt war damit höchlich zufrieden. Luther
fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgeſprochen
worden, dadurch eigentlich zurückgenommen ſeyen.

In der That waren dieſe Beſchlüſſe von Nürnberg
das grade Gegentheil der Wormſiſchen. Was man von
Carl V erwartet hatte, daß er ſich an die Spitze der na-
tionalen Bewegung ſtellen würde, das that das Regiment
nun wirklich. Die politiſche Oppoſition, die ſich ſchon ſo
lange vorbereitet, trat dem Papſt kräftiger als jemals ent-
gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräſentanten der
kaiſerlichen Macht geſchützt konnte nun auch die religiöſe
Bewegung ſich ungehindert entwickeln.



Drit-
1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift iſt dem paͤpſtl. Nuntius
auf die Maß uͤbergeben wie ich E Chf D. zugeſchickt. Der iſt der
nicht zu frieden und hat darauf replicirt. — — Er will den Kayſer
dabei nit haben, ſo gefaͤllt ihm auch nit daß es ſogar frei ſeyn ſoll
wie begehrt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0074" n="64"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Drittes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
Ständever&#x017F;ammlung zurückgekommen, dem Nuntius über-<lb/>
geben. <note place="foot" n="1">Planitz 9ten Febr. Die Schrift i&#x017F;t dem pa&#x0364;p&#x017F;tl. Nuntius<lb/>
auf die Maß u&#x0364;bergeben wie ich E Chf D. zuge&#x017F;chickt. Der i&#x017F;t der<lb/>
nicht zu frieden und hat darauf replicirt. &#x2014; &#x2014; Er will den Kay&#x017F;er<lb/>
dabei nit haben, &#x017F;o gefa&#x0364;llt ihm auch nit daß es &#x017F;ogar frei &#x017F;eyn &#x017F;oll<lb/>
wie begehrt.</note></p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er verbarg &#x017F;ein Er&#x017F;taunen, &#x017F;einen Mißmuth nicht:<lb/>
weder der Pap&#x017F;t, &#x017F;agt er, noch der Kai&#x017F;er noch irgend ein<lb/>
anderer Für&#x017F;t habe &#x017F;olch einen Be&#x017F;chluß von ihnen erwartet:<lb/>
er erneuerte &#x017F;eine Anträge auf die Ausführung des Worm-<lb/>
&#x017F;er Edictes, die Einrichtung einer bi&#x017F;chöflichen Cen&#x017F;ur; allein<lb/>
wie hätte eine Ver&#x017F;ammlung, die &#x017F;ich &#x017F;o lang&#x017F;am und<lb/>
&#x017F;chwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be-<lb/>
&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e denken können? Es war alles vergeblich.</p><lb/>
          <p>Der Inhalt der Antwort ward als ein kai&#x017F;erliches<lb/>
Edict in das Reich verkündigt. Der Churfür&#x017F;t von Sach-<lb/>
&#x017F;en, Luther &#x017F;elb&#x017F;t war damit höchlich zufrieden. Luther<lb/>
fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausge&#x017F;prochen<lb/>
worden, dadurch eigentlich zurückgenommen &#x017F;eyen.</p><lb/>
          <p>In der That waren die&#x017F;e Be&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;e von Nürnberg<lb/>
das grade Gegentheil der Worm&#x017F;i&#x017F;chen. Was man von<lb/>
Carl <hi rendition="#aq">V</hi> erwartet hatte, daß er &#x017F;ich an die Spitze der na-<lb/>
tionalen Bewegung &#x017F;tellen würde, das that das Regiment<lb/>
nun wirklich. Die politi&#x017F;che Oppo&#x017F;ition, die &#x017F;ich &#x017F;chon &#x017F;o<lb/>
lange vorbereitet, trat dem Pap&#x017F;t kräftiger als jemals ent-<lb/>
gegen. Mit ihr verbündet, durch die Reprä&#x017F;entanten der<lb/>
kai&#x017F;erlichen Macht ge&#x017F;chützt konnte nun auch die religiö&#x017F;e<lb/>
Bewegung &#x017F;ich ungehindert entwickeln.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Drit-</hi> </fw>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0074] Drittes Buch. Zweites Capitel. Ständeverſammlung zurückgekommen, dem Nuntius über- geben. 1 Dieſer verbarg ſein Erſtaunen, ſeinen Mißmuth nicht: weder der Papſt, ſagt er, noch der Kaiſer noch irgend ein anderer Fürſt habe ſolch einen Beſchluß von ihnen erwartet: er erneuerte ſeine Anträge auf die Ausführung des Worm- ſer Edictes, die Einrichtung einer biſchöflichen Cenſur; allein wie hätte eine Verſammlung, die ſich ſo langſam und ſchwer bewegte, auf eine Zurücknahme einmal gefaßter Be- ſchlüſſe denken können? Es war alles vergeblich. Der Inhalt der Antwort ward als ein kaiſerliches Edict in das Reich verkündigt. Der Churfürſt von Sach- ſen, Luther ſelbſt war damit höchlich zufrieden. Luther fand, daß Bann und Acht, die über ihn ausgeſprochen worden, dadurch eigentlich zurückgenommen ſeyen. In der That waren dieſe Beſchlüſſe von Nürnberg das grade Gegentheil der Wormſiſchen. Was man von Carl V erwartet hatte, daß er ſich an die Spitze der na- tionalen Bewegung ſtellen würde, das that das Regiment nun wirklich. Die politiſche Oppoſition, die ſich ſchon ſo lange vorbereitet, trat dem Papſt kräftiger als jemals ent- gegen. Mit ihr verbündet, durch die Repräſentanten der kaiſerlichen Macht geſchützt konnte nun auch die religiöſe Bewegung ſich ungehindert entwickeln. Drit- 1 Planitz 9ten Febr. Die Schrift iſt dem paͤpſtl. Nuntius auf die Maß uͤbergeben wie ich E Chf D. zugeſchickt. Der iſt der nicht zu frieden und hat darauf replicirt. — — Er will den Kayſer dabei nit haben, ſo gefaͤllt ihm auch nit daß es ſogar frei ſeyn ſoll wie begehrt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/74
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/74>, abgerufen am 21.11.2024.