Das große Weltverhältniß, von welchem im Laufe der mittleren Jahrhunderte alles abgehangen, zwischen Orient und Occident war noch einmal zweifelhaft geworden. Der mächtige Fürst, in welchem sich die kriegerischen Kräfte des Orients concentrirten, stand wieder im Begriff, einen An- fall auf die Christenheit zu versuchen, von dem er sich ei- nen so großen Erfolg versprechen durfte, wie ihn seine letzte Unternehmung nur immer gehabt; es ließ sich schon gar nicht erwarten, daß ihn die nur sehr schwachen Vorkehrungen, die seitdem von der deutschen Seite her in Ungarn getroffen wa- ren, aufhalten würden. Ein unmittelbares Zusammentreffen der germanischen Kräfte zu Lande und der romanischen zur See mit den osmanischen stand nunmehr bevor.
In der Christenheit selber aber war alles in Entzweiung.
Noch war der Friede zwischen den beiden obersten Häup- tern nicht hergestellt. Der Kaiser hatte wohl einmal den Gedanken gehegt, den Papst aller weltlichen Herrschaft zu berauben; in den Gegnern des Kaisers war dagegen der
Viertes Capitel. Politik des Jahres 1529.
Das war nun die Lage der damaligen Welt.
Das große Weltverhältniß, von welchem im Laufe der mittleren Jahrhunderte alles abgehangen, zwiſchen Orient und Occident war noch einmal zweifelhaft geworden. Der mächtige Fürſt, in welchem ſich die kriegeriſchen Kräfte des Orients concentrirten, ſtand wieder im Begriff, einen An- fall auf die Chriſtenheit zu verſuchen, von dem er ſich ei- nen ſo großen Erfolg verſprechen durfte, wie ihn ſeine letzte Unternehmung nur immer gehabt; es ließ ſich ſchon gar nicht erwarten, daß ihn die nur ſehr ſchwachen Vorkehrungen, die ſeitdem von der deutſchen Seite her in Ungarn getroffen wa- ren, aufhalten würden. Ein unmittelbares Zuſammentreffen der germaniſchen Kräfte zu Lande und der romaniſchen zur See mit den osmaniſchen ſtand nunmehr bevor.
In der Chriſtenheit ſelber aber war alles in Entzweiung.
Noch war der Friede zwiſchen den beiden oberſten Häup- tern nicht hergeſtellt. Der Kaiſer hatte wohl einmal den Gedanken gehegt, den Papſt aller weltlichen Herrſchaft zu berauben; in den Gegnern des Kaiſers war dagegen der
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[[102]/0118]
Viertes Capitel.
Politik des Jahres 1529.
Das war nun die Lage der damaligen Welt.
Das große Weltverhältniß, von welchem im Laufe der
mittleren Jahrhunderte alles abgehangen, zwiſchen Orient
und Occident war noch einmal zweifelhaft geworden. Der
mächtige Fürſt, in welchem ſich die kriegeriſchen Kräfte des
Orients concentrirten, ſtand wieder im Begriff, einen An-
fall auf die Chriſtenheit zu verſuchen, von dem er ſich ei-
nen ſo großen Erfolg verſprechen durfte, wie ihn ſeine letzte
Unternehmung nur immer gehabt; es ließ ſich ſchon gar nicht
erwarten, daß ihn die nur ſehr ſchwachen Vorkehrungen, die
ſeitdem von der deutſchen Seite her in Ungarn getroffen wa-
ren, aufhalten würden. Ein unmittelbares Zuſammentreffen
der germaniſchen Kräfte zu Lande und der romaniſchen zur
See mit den osmaniſchen ſtand nunmehr bevor.
In der Chriſtenheit ſelber aber war alles in Entzweiung.
Noch war der Friede zwiſchen den beiden oberſten Häup-
tern nicht hergeſtellt. Der Kaiſer hatte wohl einmal den
Gedanken gehegt, den Papſt aller weltlichen Herrſchaft zu
berauben; in den Gegnern des Kaiſers war dagegen der
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. [102]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/118>, abgerufen am 21.11.2024.
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