Es ist merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältnisse zusammenwirkten, um ihn dabei festzuhalten.
Wir berührten schon, daß er der Ehre seines Hauses wegen den Zweifel gar nicht aufkommen lassen durfte, ob der Papst befugt gewesen sey, Heinrich VIII jenen Ehedis- pens zu geben, den dieser jetzt selbst für unstatthaft erklärte.
In den nordischen Reichen offenbarten die Gegner, welche seinen Schwager Christiern von da vertrieben hatten, eine starke Hinneigung zu den Reformideen der Deutschen, die sogar in Schweden schon beinahe zur Herrschaft gelangt waren. Wollte der Kaiser seinen Schwager und den Einfluß des Hauses Oestreich im Norden wiederherstellen, so war das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis- mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.
Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir- ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenossen in dem benachbarten Oberdeutschland traten, veranlaßte die katho- lischen Cantone, sich einen Rückhalt an dem Hause Oestreich zu suchen; sie vergaßen die gleichsam ererbte Feindseligkeit gegen dasselbe und schlossen in den ersten Monaten des Jah- res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.
Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und dessen Anhängern in Ungarn konnte es diesem Hause nicht anders als sehr vortheilhaft seyn, wenn die Kirche seine Rechte anerkannte.
Und warf der Kaiser die Augen auf das deutsche Reich selbst, so konnte er nicht verkennen, daß seine Au- torität das Meiste von einer Verbindung mit den geist-
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
Es iſt merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältniſſe zuſammenwirkten, um ihn dabei feſtzuhalten.
Wir berührten ſchon, daß er der Ehre ſeines Hauſes wegen den Zweifel gar nicht aufkommen laſſen durfte, ob der Papſt befugt geweſen ſey, Heinrich VIII jenen Ehedis- pens zu geben, den dieſer jetzt ſelbſt für unſtatthaft erklärte.
In den nordiſchen Reichen offenbarten die Gegner, welche ſeinen Schwager Chriſtiern von da vertrieben hatten, eine ſtarke Hinneigung zu den Reformideen der Deutſchen, die ſogar in Schweden ſchon beinahe zur Herrſchaft gelangt waren. Wollte der Kaiſer ſeinen Schwager und den Einfluß des Hauſes Oeſtreich im Norden wiederherſtellen, ſo war das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis- mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.
Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir- ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenoſſen in dem benachbarten Oberdeutſchland traten, veranlaßte die katho- liſchen Cantone, ſich einen Rückhalt an dem Hauſe Oeſtreich zu ſuchen; ſie vergaßen die gleichſam ererbte Feindſeligkeit gegen daſſelbe und ſchloſſen in den erſten Monaten des Jah- res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.
Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und deſſen Anhängern in Ungarn konnte es dieſem Hauſe nicht anders als ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn die Kirche ſeine Rechte anerkannte.
Und warf der Kaiſer die Augen auf das deutſche Reich ſelbſt, ſo konnte er nicht verkennen, daß ſeine Au- torität das Meiſte von einer Verbindung mit den geiſt-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0122"n="106"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/><p>Es iſt merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältniſſe<lb/>
zuſammenwirkten, um ihn dabei feſtzuhalten.</p><lb/><p>Wir berührten ſchon, daß er der Ehre ſeines Hauſes<lb/>
wegen den Zweifel gar nicht aufkommen laſſen durfte, ob<lb/>
der Papſt befugt geweſen ſey, Heinrich <hirendition="#aq">VIII</hi> jenen Ehedis-<lb/>
pens zu geben, den dieſer jetzt ſelbſt für unſtatthaft erklärte.</p><lb/><p>In den nordiſchen Reichen offenbarten die Gegner,<lb/>
welche ſeinen Schwager Chriſtiern von da vertrieben hatten,<lb/>
eine ſtarke Hinneigung zu den Reformideen der Deutſchen,<lb/>
die ſogar in Schweden ſchon beinahe zur Herrſchaft gelangt<lb/>
waren. Wollte der Kaiſer ſeinen Schwager und den Einfluß<lb/>
des Hauſes Oeſtreich im Norden wiederherſtellen, ſo war<lb/>
das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis-<lb/>
mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.</p><lb/><p>Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir-<lb/>
ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenoſſen in dem<lb/>
benachbarten Oberdeutſchland traten, veranlaßte die katho-<lb/>
liſchen Cantone, ſich einen Rückhalt an dem Hauſe Oeſtreich<lb/>
zu ſuchen; ſie vergaßen die gleichſam ererbte Feindſeligkeit<lb/>
gegen daſſelbe und ſchloſſen in den erſten Monaten des Jah-<lb/>
res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.</p><lb/><p>Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und deſſen<lb/>
Anhängern in Ungarn konnte es dieſem Hauſe nicht anders<lb/>
als ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn die Kirche ſeine Rechte<lb/>
anerkannte.</p><lb/><p>Und warf der Kaiſer die Augen auf das deutſche<lb/>
Reich ſelbſt, ſo konnte er nicht verkennen, daß ſeine Au-<lb/>
torität das Meiſte von einer Verbindung mit den geiſt-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[106/0122]
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
Es iſt merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältniſſe
zuſammenwirkten, um ihn dabei feſtzuhalten.
Wir berührten ſchon, daß er der Ehre ſeines Hauſes
wegen den Zweifel gar nicht aufkommen laſſen durfte, ob
der Papſt befugt geweſen ſey, Heinrich VIII jenen Ehedis-
pens zu geben, den dieſer jetzt ſelbſt für unſtatthaft erklärte.
In den nordiſchen Reichen offenbarten die Gegner,
welche ſeinen Schwager Chriſtiern von da vertrieben hatten,
eine ſtarke Hinneigung zu den Reformideen der Deutſchen,
die ſogar in Schweden ſchon beinahe zur Herrſchaft gelangt
waren. Wollte der Kaiſer ſeinen Schwager und den Einfluß
des Hauſes Oeſtreich im Norden wiederherſtellen, ſo war
das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis-
mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.
Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir-
ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenoſſen in dem
benachbarten Oberdeutſchland traten, veranlaßte die katho-
liſchen Cantone, ſich einen Rückhalt an dem Hauſe Oeſtreich
zu ſuchen; ſie vergaßen die gleichſam ererbte Feindſeligkeit
gegen daſſelbe und ſchloſſen in den erſten Monaten des Jah-
res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.
Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und deſſen
Anhängern in Ungarn konnte es dieſem Hauſe nicht anders
als ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn die Kirche ſeine Rechte
anerkannte.
Und warf der Kaiſer die Augen auf das deutſche
Reich ſelbſt, ſo konnte er nicht verkennen, daß ſeine Au-
torität das Meiſte von einer Verbindung mit den geiſt-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/122>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.