Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Buch. Viertes Capitel.

Es ist merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältnisse
zusammenwirkten, um ihn dabei festzuhalten.

Wir berührten schon, daß er der Ehre seines Hauses
wegen den Zweifel gar nicht aufkommen lassen durfte, ob
der Papst befugt gewesen sey, Heinrich VIII jenen Ehedis-
pens zu geben, den dieser jetzt selbst für unstatthaft erklärte.

In den nordischen Reichen offenbarten die Gegner,
welche seinen Schwager Christiern von da vertrieben hatten,
eine starke Hinneigung zu den Reformideen der Deutschen,
die sogar in Schweden schon beinahe zur Herrschaft gelangt
waren. Wollte der Kaiser seinen Schwager und den Einfluß
des Hauses Oestreich im Norden wiederherstellen, so war
das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis-
mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.

Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir-
ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenossen in dem
benachbarten Oberdeutschland traten, veranlaßte die katho-
lischen Cantone, sich einen Rückhalt an dem Hause Oestreich
zu suchen; sie vergaßen die gleichsam ererbte Feindseligkeit
gegen dasselbe und schlossen in den ersten Monaten des Jah-
res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.

Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und dessen
Anhängern in Ungarn konnte es diesem Hause nicht anders
als sehr vortheilhaft seyn, wenn die Kirche seine Rechte
anerkannte.

Und warf der Kaiser die Augen auf das deutsche
Reich selbst, so konnte er nicht verkennen, daß seine Au-
torität das Meiste von einer Verbindung mit den geist-

Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.

Es iſt merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältniſſe
zuſammenwirkten, um ihn dabei feſtzuhalten.

Wir berührten ſchon, daß er der Ehre ſeines Hauſes
wegen den Zweifel gar nicht aufkommen laſſen durfte, ob
der Papſt befugt geweſen ſey, Heinrich VIII jenen Ehedis-
pens zu geben, den dieſer jetzt ſelbſt für unſtatthaft erklärte.

In den nordiſchen Reichen offenbarten die Gegner,
welche ſeinen Schwager Chriſtiern von da vertrieben hatten,
eine ſtarke Hinneigung zu den Reformideen der Deutſchen,
die ſogar in Schweden ſchon beinahe zur Herrſchaft gelangt
waren. Wollte der Kaiſer ſeinen Schwager und den Einfluß
des Hauſes Oeſtreich im Norden wiederherſtellen, ſo war
das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis-
mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.

Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir-
ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenoſſen in dem
benachbarten Oberdeutſchland traten, veranlaßte die katho-
liſchen Cantone, ſich einen Rückhalt an dem Hauſe Oeſtreich
zu ſuchen; ſie vergaßen die gleichſam ererbte Feindſeligkeit
gegen daſſelbe und ſchloſſen in den erſten Monaten des Jah-
res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.

Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und deſſen
Anhängern in Ungarn konnte es dieſem Hauſe nicht anders
als ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn die Kirche ſeine Rechte
anerkannte.

Und warf der Kaiſer die Augen auf das deutſche
Reich ſelbſt, ſo konnte er nicht verkennen, daß ſeine Au-
torität das Meiſte von einer Verbindung mit den geiſt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0122" n="106"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
zu&#x017F;ammenwirkten, um ihn dabei fe&#x017F;tzuhalten.</p><lb/>
          <p>Wir berührten &#x017F;chon, daß er der Ehre &#x017F;eines Hau&#x017F;es<lb/>
wegen den Zweifel gar nicht aufkommen la&#x017F;&#x017F;en durfte, ob<lb/>
der Pap&#x017F;t befugt gewe&#x017F;en &#x017F;ey, Heinrich <hi rendition="#aq">VIII</hi> jenen Ehedis-<lb/>
pens zu geben, den die&#x017F;er jetzt &#x017F;elb&#x017F;t für un&#x017F;tatthaft erklärte.</p><lb/>
          <p>In den nordi&#x017F;chen Reichen offenbarten die Gegner,<lb/>
welche &#x017F;einen Schwager Chri&#x017F;tiern von da vertrieben hatten,<lb/>
eine &#x017F;tarke Hinneigung zu den Reformideen der Deut&#x017F;chen,<lb/>
die &#x017F;ogar in Schweden &#x017F;chon beinahe zur Herr&#x017F;chaft gelangt<lb/>
waren. Wollte der Kai&#x017F;er &#x017F;einen Schwager und den Einfluß<lb/>
des Hau&#x017F;es Oe&#x017F;treich im Norden wiederher&#x017F;tellen, &#x017F;o war<lb/>
das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis-<lb/>
mus zugethan verbliebenen Elementen möglich.</p><lb/>
          <p>Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir-<lb/>
ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgeno&#x017F;&#x017F;en in dem<lb/>
benachbarten Oberdeut&#x017F;chland traten, veranlaßte die katho-<lb/>
li&#x017F;chen Cantone, &#x017F;ich einen Rückhalt an dem Hau&#x017F;e Oe&#x017F;treich<lb/>
zu &#x017F;uchen; &#x017F;ie vergaßen die gleich&#x017F;am ererbte Feind&#x017F;eligkeit<lb/>
gegen da&#x017F;&#x017F;elbe und &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en in den er&#x017F;ten Monaten des Jah-<lb/>
res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab.</p><lb/>
          <p>Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Anhängern in Ungarn konnte es die&#x017F;em Hau&#x017F;e nicht anders<lb/>
als &#x017F;ehr vortheilhaft &#x017F;eyn, wenn die Kirche &#x017F;eine Rechte<lb/>
anerkannte.</p><lb/>
          <p>Und warf der Kai&#x017F;er die Augen auf das deut&#x017F;che<lb/>
Reich &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o konnte er nicht verkennen, daß &#x017F;eine Au-<lb/>
torität das Mei&#x017F;te von einer Verbindung mit den gei&#x017F;t-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0122] Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. Es iſt merkwürdig, wie alle auswärtigen Verhältniſſe zuſammenwirkten, um ihn dabei feſtzuhalten. Wir berührten ſchon, daß er der Ehre ſeines Hauſes wegen den Zweifel gar nicht aufkommen laſſen durfte, ob der Papſt befugt geweſen ſey, Heinrich VIII jenen Ehedis- pens zu geben, den dieſer jetzt ſelbſt für unſtatthaft erklärte. In den nordiſchen Reichen offenbarten die Gegner, welche ſeinen Schwager Chriſtiern von da vertrieben hatten, eine ſtarke Hinneigung zu den Reformideen der Deutſchen, die ſogar in Schweden ſchon beinahe zur Herrſchaft gelangt waren. Wollte der Kaiſer ſeinen Schwager und den Einfluß des Hauſes Oeſtreich im Norden wiederherſtellen, ſo war das nur durch eine Verbindung mit den dem Katholicis- mus zugethan verbliebenen Elementen möglich. Ferner aber: die Verbindung, in welche die reformir- ten Städte der Schweiz mit ihren Glaubensgenoſſen in dem benachbarten Oberdeutſchland traten, veranlaßte die katho- liſchen Cantone, ſich einen Rückhalt an dem Hauſe Oeſtreich zu ſuchen; ſie vergaßen die gleichſam ererbte Feindſeligkeit gegen daſſelbe und ſchloſſen in den erſten Monaten des Jah- res 1529 mit König Ferdinand einen förmlichen Bund ab. Auch in dem Streite mit dem Woiwoden und deſſen Anhängern in Ungarn konnte es dieſem Hauſe nicht anders als ſehr vortheilhaft ſeyn, wenn die Kirche ſeine Rechte anerkannte. Und warf der Kaiſer die Augen auf das deutſche Reich ſelbſt, ſo konnte er nicht verkennen, daß ſeine Au- torität das Meiſte von einer Verbindung mit den geiſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/122
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/122>, abgerufen am 24.11.2024.