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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Reichsrechtliche Streitfrage.
daß man nicht, wie der Churprinz bei jenem Entwurf des
Bundes vorausgesetzt hatte, blos mit den Ständen zu thun
haben werde. Schon in der Instruction des Churfürsten
für seine Gesandtschaft nach Schwabach heißt es: die große
Gefahr werde jetzt an der höchsten Stelle seyn.

Da trat nun erst jene weitere Frage ein, ohne de-
ren Beantwortung auch die im Glauben Gleichförmigen sich
nur vergeblich verbanden, in wie fern es nemlich überhaupt
erlaubt sey, dem Kaiser zu widerstehn.

Mit Recht bemerkte Sachsen, daß wenn man sich nicht
vor allen Dingen hierüber verstehe, jedes Bündniß nur zum
Schein dienen, keine Zuversicht geben, keine Rettung mög-
lich machen werde.

War aber nicht der Kaiser die höchste Obrigkeit?
Mußte man ihm nicht nach den Worten der Schrift, die man
selbst so oft aufgerufen, in jedem Falle Gehorsam leisten?

Keinesweges war dieß etwa vergessen. So eben ward
die Frage auf das scrupulöseste untersucht.

In Sachsen war man noch zur Zeit der schwabacher
Zusammenkunft für das Recht des Widerstandes. Die Ju-
risten stützten sich auf den Grundsatz des Rechtes, daß dem
Bedrängten die Gegenwehr gestattet sey. Dann ward die
Frage auch den Theologen vorgelegt, jedoch in Luthers und
Melanchthons Abwesenheit, die sich eben in Marburg be-
fanden. Bugenhagen, dem nun die Entscheidung oblag,
kam den Juristen mit einem theologischen Grunde zu Hülfe.
Er urtheilte, wenn eine Gewalt, die allerdings von Gott
stamme, sich wider Gott auflehne, so könne sie nicht mehr
als eine rechte Obrigkeit betrachtet werden.


1
1 Instruction nach Schwabach bei Müller 282.

Reichsrechtliche Streitfrage.
daß man nicht, wie der Churprinz bei jenem Entwurf des
Bundes vorausgeſetzt hatte, blos mit den Ständen zu thun
haben werde. Schon in der Inſtruction des Churfürſten
für ſeine Geſandtſchaft nach Schwabach heißt es: die große
Gefahr werde jetzt an der höchſten Stelle ſeyn.

Da trat nun erſt jene weitere Frage ein, ohne de-
ren Beantwortung auch die im Glauben Gleichförmigen ſich
nur vergeblich verbanden, in wie fern es nemlich überhaupt
erlaubt ſey, dem Kaiſer zu widerſtehn.

Mit Recht bemerkte Sachſen, daß wenn man ſich nicht
vor allen Dingen hierüber verſtehe, jedes Bündniß nur zum
Schein dienen, keine Zuverſicht geben, keine Rettung mög-
lich machen werde.

War aber nicht der Kaiſer die höchſte Obrigkeit?
Mußte man ihm nicht nach den Worten der Schrift, die man
ſelbſt ſo oft aufgerufen, in jedem Falle Gehorſam leiſten?

Keinesweges war dieß etwa vergeſſen. So eben ward
die Frage auf das ſcrupulöſeſte unterſucht.

In Sachſen war man noch zur Zeit der ſchwabacher
Zuſammenkunft für das Recht des Widerſtandes. Die Ju-
riſten ſtützten ſich auf den Grundſatz des Rechtes, daß dem
Bedrängten die Gegenwehr geſtattet ſey. Dann ward die
Frage auch den Theologen vorgelegt, jedoch in Luthers und
Melanchthons Abweſenheit, die ſich eben in Marburg be-
fanden. Bugenhagen, dem nun die Entſcheidung oblag,
kam den Juriſten mit einem theologiſchen Grunde zu Hülfe.
Er urtheilte, wenn eine Gewalt, die allerdings von Gott
ſtamme, ſich wider Gott auflehne, ſo könne ſie nicht mehr
als eine rechte Obrigkeit betrachtet werden.


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1 Inſtruction nach Schwabach bei Muͤller 282.
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[181/0197] Reichsrechtliche Streitfrage. daß man nicht, wie der Churprinz bei jenem Entwurf des Bundes vorausgeſetzt hatte, blos mit den Ständen zu thun haben werde. Schon in der Inſtruction des Churfürſten für ſeine Geſandtſchaft nach Schwabach heißt es: die große Gefahr werde jetzt an der höchſten Stelle ſeyn. Da trat nun erſt jene weitere Frage ein, ohne de- ren Beantwortung auch die im Glauben Gleichförmigen ſich nur vergeblich verbanden, in wie fern es nemlich überhaupt erlaubt ſey, dem Kaiſer zu widerſtehn. Mit Recht bemerkte Sachſen, daß wenn man ſich nicht vor allen Dingen hierüber verſtehe, jedes Bündniß nur zum Schein dienen, keine Zuverſicht geben, keine Rettung mög- lich machen werde. War aber nicht der Kaiſer die höchſte Obrigkeit? Mußte man ihm nicht nach den Worten der Schrift, die man ſelbſt ſo oft aufgerufen, in jedem Falle Gehorſam leiſten? Keinesweges war dieß etwa vergeſſen. So eben ward die Frage auf das ſcrupulöſeſte unterſucht. In Sachſen war man noch zur Zeit der ſchwabacher Zuſammenkunft für das Recht des Widerſtandes. Die Ju- riſten ſtützten ſich auf den Grundſatz des Rechtes, daß dem Bedrängten die Gegenwehr geſtattet ſey. Dann ward die Frage auch den Theologen vorgelegt, jedoch in Luthers und Melanchthons Abweſenheit, die ſich eben in Marburg be- fanden. Bugenhagen, dem nun die Entſcheidung oblag, kam den Juriſten mit einem theologiſchen Grunde zu Hülfe. Er urtheilte, wenn eine Gewalt, die allerdings von Gott ſtamme, ſich wider Gott auflehne, ſo könne ſie nicht mehr als eine rechte Obrigkeit betrachtet werden. 1 1 Inſtruction nach Schwabach bei Muͤller 282.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/197>, abgerufen am 28.11.2024.