Bulle verurtheilt. Der Reichstag von Speier hatte so eben eine Wendung genommen, durch die sich alle An- hänger der kirchlichen Umwandlung bedroht und gefährdet fühlten. Es war ihnen wie berührt sehr bedenklich, daß sie dem Oberhaupt jener Majorität, welche sie von sich stieß, dem König Ferdinand, Hülfe leisten sollten.
Was nun Luther anbetrifft, so ist ganz wahr, daß er jene Meinung geäußert hat, allein er redet da nur von den Christen als solchen, von dem religiösen Prinzip an und für sich, wie es in einigen Stellen des Evangeliums erscheint. Jenes frommthuende Geschrei, welches um der christlichen Religion willen zu einem Kriege gegen die Tür- ken anreizte und dann die Beiträge der Gläubigen zu fremd- artigen Zwecken verwandte, hatte seinen Widerwillen er- weckt. Er sagte sich überhaupt los von dem kriegerischen Christenthum; er wollte die religiöse Gesinnung nicht so un- mittelbar mit dem Schwerte in Verbindung bringen. War aber nun von einer wirklichen Gefahr und von den An- strengungen der weltlichen Gewalt dagegen die Rede, so erklärte er desto entschiedener, daß man sich mit allem Ernst den Türken entgegenstellen müsse. 1 Dazu sey das Reich dem Kaiser anvertraut, er und die Fürsten würden sonst schuldig seyn an dem Blute ihrer Unterthanen, das Gott von ihnen fordern werde. Es kommt ihm sonderbar vor, daß man sich in Speier wieder so viel darum bekümmert hat, ob
1 "Darum sol man auch das reizen und hetzen lassen anstehen, da man den Kaiser und Fürsten bisher gereizt hat, zum Streit wi- der die Türken, als das Haupt der Christenheit, als den Beschirmer der Kirchen, und Beschützer des Glaubens, daß er sol des Türken Glauben ausrotten." -- Vom Kriege wider die Türken. Erschienen gegen Ostern 1529. Altenb. IV, 525
Meinung Luthers.
Bulle verurtheilt. Der Reichstag von Speier hatte ſo eben eine Wendung genommen, durch die ſich alle An- hänger der kirchlichen Umwandlung bedroht und gefährdet fühlten. Es war ihnen wie berührt ſehr bedenklich, daß ſie dem Oberhaupt jener Majorität, welche ſie von ſich ſtieß, dem König Ferdinand, Hülfe leiſten ſollten.
Was nun Luther anbetrifft, ſo iſt ganz wahr, daß er jene Meinung geäußert hat, allein er redet da nur von den Chriſten als ſolchen, von dem religiöſen Prinzip an und für ſich, wie es in einigen Stellen des Evangeliums erſcheint. Jenes frommthuende Geſchrei, welches um der chriſtlichen Religion willen zu einem Kriege gegen die Tür- ken anreizte und dann die Beiträge der Gläubigen zu fremd- artigen Zwecken verwandte, hatte ſeinen Widerwillen er- weckt. Er ſagte ſich überhaupt los von dem kriegeriſchen Chriſtenthum; er wollte die religiöſe Geſinnung nicht ſo un- mittelbar mit dem Schwerte in Verbindung bringen. War aber nun von einer wirklichen Gefahr und von den An- ſtrengungen der weltlichen Gewalt dagegen die Rede, ſo erklärte er deſto entſchiedener, daß man ſich mit allem Ernſt den Türken entgegenſtellen müſſe. 1 Dazu ſey das Reich dem Kaiſer anvertraut, er und die Fürſten würden ſonſt ſchuldig ſeyn an dem Blute ihrer Unterthanen, das Gott von ihnen fordern werde. Es kommt ihm ſonderbar vor, daß man ſich in Speier wieder ſo viel darum bekümmert hat, ob
1 „Darum ſol man auch das reizen und hetzen laſſen anſtehen, da man den Kaiſer und Fuͤrſten bisher gereizt hat, zum Streit wi- der die Tuͤrken, als das Haupt der Chriſtenheit, als den Beſchirmer der Kirchen, und Beſchuͤtzer des Glaubens, daß er ſol des Tuͤrken Glauben ausrotten.“ — Vom Kriege wider die Tuͤrken. Erſchienen gegen Oſtern 1529. Altenb. IV, 525
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Meinung Luthers.
Bulle verurtheilt. Der Reichstag von Speier hatte ſo
eben eine Wendung genommen, durch die ſich alle An-
hänger der kirchlichen Umwandlung bedroht und gefährdet
fühlten. Es war ihnen wie berührt ſehr bedenklich, daß ſie
dem Oberhaupt jener Majorität, welche ſie von ſich ſtieß,
dem König Ferdinand, Hülfe leiſten ſollten.
Was nun Luther anbetrifft, ſo iſt ganz wahr, daß er
jene Meinung geäußert hat, allein er redet da nur von
den Chriſten als ſolchen, von dem religiöſen Prinzip an
und für ſich, wie es in einigen Stellen des Evangeliums
erſcheint. Jenes frommthuende Geſchrei, welches um der
chriſtlichen Religion willen zu einem Kriege gegen die Tür-
ken anreizte und dann die Beiträge der Gläubigen zu fremd-
artigen Zwecken verwandte, hatte ſeinen Widerwillen er-
weckt. Er ſagte ſich überhaupt los von dem kriegeriſchen
Chriſtenthum; er wollte die religiöſe Geſinnung nicht ſo un-
mittelbar mit dem Schwerte in Verbindung bringen. War
aber nun von einer wirklichen Gefahr und von den An-
ſtrengungen der weltlichen Gewalt dagegen die Rede, ſo
erklärte er deſto entſchiedener, daß man ſich mit allem Ernſt
den Türken entgegenſtellen müſſe. 1 Dazu ſey das Reich dem
Kaiſer anvertraut, er und die Fürſten würden ſonſt ſchuldig
ſeyn an dem Blute ihrer Unterthanen, das Gott von ihnen
fordern werde. Es kommt ihm ſonderbar vor, daß man
ſich in Speier wieder ſo viel darum bekümmert hat, ob
1 „Darum ſol man auch das reizen und hetzen laſſen anſtehen,
da man den Kaiſer und Fuͤrſten bisher gereizt hat, zum Streit wi-
der die Tuͤrken, als das Haupt der Chriſtenheit, als den Beſchirmer
der Kirchen, und Beſchuͤtzer des Glaubens, daß er ſol des Tuͤrken
Glauben ausrotten.“ — Vom Kriege wider die Tuͤrken. Erſchienen
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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