Schon am 2. October ward eine halbvollendete Mine des Feindes gefunden und zerstört. Bald darauf ward eine an- dere gerade noch im rechten Moment entdeckt, als man schon anfing sie mit Pulver zu füllen. Die Minirer ka- men einander zuweilen so nahe, daß eine Partei die andre arbeiten hörte; dann wichen die Türken in einer andern Richtung bei Seite. Um den Kärnthner Thurm auf alle Fälle zu sichern, hielten die Deutschen für nothwendig, ihn mit einem Graben von hinreichender Tiefe zu umgeben.
Natürlich aber war das nicht allenthalben möglich.
Am 9. October gelang es den Türken wirklich, einen nicht unbedeutenden Theil der Mauer zwischen dem Kärnth- ner Thor und der Burg zu sprengen; in demselben Mo- ment traten sie unter wildem Schlachtruf den Sturm an.
Allein schon war man auch hierauf vorbereitet. Eck von Reischach, der bei der Vertheidigung von Pavia ge- lernt, wie man stürmenden Feinden begegnen müsse, hatte die Leute unterwiesen, mit welchem Geschrei und Anlauf der Sturm geschehe, und wie man ihm zu begegnen habe. Diese jungen Landsknechte, von denen uns ein Be- richt versichert, daß Reischachs Anweisung ihnen "ein tapfer männlich Herz" gemacht, standen in der That vortreff- lich. Mit einem furchtbaren Her erwiederten sie das os- manische Schlachtgeschrei. Hallbarden, Handröhre und Kanonen unterstützten einander mit dem glücklichsten Er- folg. "Die Kugeln der Karthaunen und Flinten," sagt Dschelalsade, "flogen wie die Schwärme kleiner Vögel durch die Luft; es war ein Festgelage, bei dem die Genien des Todes die Gläser credenzten." Die deutschen Berichte
Belagerung von Wien.
Schon am 2. October ward eine halbvollendete Mine des Feindes gefunden und zerſtört. Bald darauf ward eine an- dere gerade noch im rechten Moment entdeckt, als man ſchon anfing ſie mit Pulver zu füllen. Die Minirer ka- men einander zuweilen ſo nahe, daß eine Partei die andre arbeiten hörte; dann wichen die Türken in einer andern Richtung bei Seite. Um den Kärnthner Thurm auf alle Fälle zu ſichern, hielten die Deutſchen für nothwendig, ihn mit einem Graben von hinreichender Tiefe zu umgeben.
Natürlich aber war das nicht allenthalben möglich.
Am 9. October gelang es den Türken wirklich, einen nicht unbedeutenden Theil der Mauer zwiſchen dem Kärnth- ner Thor und der Burg zu ſprengen; in demſelben Mo- ment traten ſie unter wildem Schlachtruf den Sturm an.
Allein ſchon war man auch hierauf vorbereitet. Eck von Reiſchach, der bei der Vertheidigung von Pavia ge- lernt, wie man ſtürmenden Feinden begegnen müſſe, hatte die Leute unterwieſen, mit welchem Geſchrei und Anlauf der Sturm geſchehe, und wie man ihm zu begegnen habe. Dieſe jungen Landsknechte, von denen uns ein Be- richt verſichert, daß Reiſchachs Anweiſung ihnen „ein tapfer männlich Herz“ gemacht, ſtanden in der That vortreff- lich. Mit einem furchtbaren Her erwiederten ſie das os- maniſche Schlachtgeſchrei. Hallbarden, Handröhre und Kanonen unterſtützten einander mit dem glücklichſten Er- folg. „Die Kugeln der Karthaunen und Flinten,“ ſagt Dſchelalſade, „flogen wie die Schwärme kleiner Vögel durch die Luft; es war ein Feſtgelage, bei dem die Genien des Todes die Gläſer credenzten.“ Die deutſchen Berichte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0221"n="205"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Belagerung von Wien</hi>.</fw><lb/>
Schon am 2. October ward eine halbvollendete Mine des<lb/>
Feindes gefunden und zerſtört. Bald darauf ward eine an-<lb/>
dere gerade noch im rechten Moment entdeckt, als man<lb/>ſchon anfing ſie mit Pulver zu füllen. Die Minirer ka-<lb/>
men einander zuweilen ſo nahe, daß eine Partei die andre<lb/>
arbeiten hörte; dann wichen die Türken in einer andern<lb/>
Richtung bei Seite. Um den Kärnthner Thurm auf alle<lb/>
Fälle zu ſichern, hielten die Deutſchen für nothwendig, ihn<lb/>
mit einem Graben von hinreichender Tiefe zu umgeben.</p><lb/><p>Natürlich aber war das nicht allenthalben möglich.</p><lb/><p>Am 9. October gelang es den Türken wirklich, einen<lb/>
nicht unbedeutenden Theil der Mauer zwiſchen dem Kärnth-<lb/>
ner Thor und der Burg zu ſprengen; in demſelben Mo-<lb/>
ment traten ſie unter wildem Schlachtruf den Sturm an.</p><lb/><p>Allein ſchon war man auch hierauf vorbereitet. Eck<lb/>
von Reiſchach, der bei der Vertheidigung von Pavia ge-<lb/>
lernt, wie man ſtürmenden Feinden begegnen müſſe, hatte<lb/>
die Leute unterwieſen, mit welchem Geſchrei und Anlauf<lb/>
der Sturm geſchehe, und wie man ihm zu begegnen<lb/>
habe. Dieſe jungen Landsknechte, von denen uns ein Be-<lb/>
richt verſichert, daß Reiſchachs Anweiſung ihnen „ein tapfer<lb/>
männlich Herz“ gemacht, ſtanden in der That vortreff-<lb/>
lich. Mit einem furchtbaren Her erwiederten ſie das os-<lb/>
maniſche Schlachtgeſchrei. Hallbarden, Handröhre und<lb/>
Kanonen unterſtützten einander mit dem glücklichſten Er-<lb/>
folg. „Die Kugeln der Karthaunen und Flinten,“ſagt<lb/>
Dſchelalſade, „flogen wie die Schwärme kleiner Vögel<lb/>
durch die Luft; es war ein Feſtgelage, bei dem die Genien<lb/>
des Todes die Gläſer credenzten.“ Die deutſchen Berichte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[205/0221]
Belagerung von Wien.
Schon am 2. October ward eine halbvollendete Mine des
Feindes gefunden und zerſtört. Bald darauf ward eine an-
dere gerade noch im rechten Moment entdeckt, als man
ſchon anfing ſie mit Pulver zu füllen. Die Minirer ka-
men einander zuweilen ſo nahe, daß eine Partei die andre
arbeiten hörte; dann wichen die Türken in einer andern
Richtung bei Seite. Um den Kärnthner Thurm auf alle
Fälle zu ſichern, hielten die Deutſchen für nothwendig, ihn
mit einem Graben von hinreichender Tiefe zu umgeben.
Natürlich aber war das nicht allenthalben möglich.
Am 9. October gelang es den Türken wirklich, einen
nicht unbedeutenden Theil der Mauer zwiſchen dem Kärnth-
ner Thor und der Burg zu ſprengen; in demſelben Mo-
ment traten ſie unter wildem Schlachtruf den Sturm an.
Allein ſchon war man auch hierauf vorbereitet. Eck
von Reiſchach, der bei der Vertheidigung von Pavia ge-
lernt, wie man ſtürmenden Feinden begegnen müſſe, hatte
die Leute unterwieſen, mit welchem Geſchrei und Anlauf
der Sturm geſchehe, und wie man ihm zu begegnen
habe. Dieſe jungen Landsknechte, von denen uns ein Be-
richt verſichert, daß Reiſchachs Anweiſung ihnen „ein tapfer
männlich Herz“ gemacht, ſtanden in der That vortreff-
lich. Mit einem furchtbaren Her erwiederten ſie das os-
maniſche Schlachtgeſchrei. Hallbarden, Handröhre und
Kanonen unterſtützten einander mit dem glücklichſten Er-
folg. „Die Kugeln der Karthaunen und Flinten,“ ſagt
Dſchelalſade, „flogen wie die Schwärme kleiner Vögel
durch die Luft; es war ein Feſtgelage, bei dem die Genien
des Todes die Gläſer credenzten.“ Die deutſchen Berichte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/221>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.