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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Siebentes Capitel.
einst schon des Herzogthums verlustig erklärt, vor ihm er-
scheinen durfte.

Es schadete dem Sforza wohl nicht, daß er sehr krank
war. Er mußte sich auf einen Stab stützen, wenn er mit
dem Kaiser redete; der Papst vermied, sich den Fuß von
ihm küssen zu lassen. Aber übrigens zeigte er sich gescheidt
und wohlgesinnt; er sprach sehr gut und verstand sein In-
teresse hinreichend, um eine völlige Hingebung gegen den
Herrn zu zeigen. 1 Den Großen des Hofes kam er mit
andern Mitteln bei. Allmählig ließ man da den alten Wi-
derwillen gegen ihn fallen.

Indessen bemühte sich auch der venezianische Gesandte
die Verstimmung zu beseitigen, die der Kaiser gegen seine
Republik fühlen mochte. Er hatte wohl einmal eine zwei
Stunden lange Audienz; er fand doch, daß der Kaiser die
Lage der Republik einsah, ihre Rechtfertigung begriff.

So ward man denn sehr bald über die Grundlage
eines Abkommens einig; die Venezianer sollten herausge-
ben, was sie vom Kirchenstaat oder von Neapel besaßen,
aber übrigens ohne Anfechtung bleiben. Auch Franz Sforza
sollte mit dem Staat von Mailand belehnt werden.

Die einzige Schwierigkeit machten die Geldforderun-
gen, sowohl an Venedig als an Mailand. Um der mai-
ländischen Zahlungen sicher zu seyn, wünschte der Kaiser
für's Erste die Castelle von Mailand und Como mit seinen
Truppen besetzt zu halten. Am 12. Dez. traf der Courier
ein, welcher die Einwilligung des venezianischen Senates

1 Confidarsi in lei (S. M.) ponersi in man sua. Conta-
rini Relatione di Bologna
1530.

Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel.
einſt ſchon des Herzogthums verluſtig erklärt, vor ihm er-
ſcheinen durfte.

Es ſchadete dem Sforza wohl nicht, daß er ſehr krank
war. Er mußte ſich auf einen Stab ſtützen, wenn er mit
dem Kaiſer redete; der Papſt vermied, ſich den Fuß von
ihm küſſen zu laſſen. Aber übrigens zeigte er ſich geſcheidt
und wohlgeſinnt; er ſprach ſehr gut und verſtand ſein In-
tereſſe hinreichend, um eine völlige Hingebung gegen den
Herrn zu zeigen. 1 Den Großen des Hofes kam er mit
andern Mitteln bei. Allmählig ließ man da den alten Wi-
derwillen gegen ihn fallen.

Indeſſen bemühte ſich auch der venezianiſche Geſandte
die Verſtimmung zu beſeitigen, die der Kaiſer gegen ſeine
Republik fühlen mochte. Er hatte wohl einmal eine zwei
Stunden lange Audienz; er fand doch, daß der Kaiſer die
Lage der Republik einſah, ihre Rechtfertigung begriff.

So ward man denn ſehr bald über die Grundlage
eines Abkommens einig; die Venezianer ſollten herausge-
ben, was ſie vom Kirchenſtaat oder von Neapel beſaßen,
aber übrigens ohne Anfechtung bleiben. Auch Franz Sforza
ſollte mit dem Staat von Mailand belehnt werden.

Die einzige Schwierigkeit machten die Geldforderun-
gen, ſowohl an Venedig als an Mailand. Um der mai-
ländiſchen Zahlungen ſicher zu ſeyn, wünſchte der Kaiſer
für’s Erſte die Caſtelle von Mailand und Como mit ſeinen
Truppen beſetzt zu halten. Am 12. Dez. traf der Courier
ein, welcher die Einwilligung des venezianiſchen Senates

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rini Relatione di Bologna
1530.
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[216/0232] Fuͤnftes Buch. Siebentes Capitel. einſt ſchon des Herzogthums verluſtig erklärt, vor ihm er- ſcheinen durfte. Es ſchadete dem Sforza wohl nicht, daß er ſehr krank war. Er mußte ſich auf einen Stab ſtützen, wenn er mit dem Kaiſer redete; der Papſt vermied, ſich den Fuß von ihm küſſen zu laſſen. Aber übrigens zeigte er ſich geſcheidt und wohlgeſinnt; er ſprach ſehr gut und verſtand ſein In- tereſſe hinreichend, um eine völlige Hingebung gegen den Herrn zu zeigen. 1 Den Großen des Hofes kam er mit andern Mitteln bei. Allmählig ließ man da den alten Wi- derwillen gegen ihn fallen. Indeſſen bemühte ſich auch der venezianiſche Geſandte die Verſtimmung zu beſeitigen, die der Kaiſer gegen ſeine Republik fühlen mochte. Er hatte wohl einmal eine zwei Stunden lange Audienz; er fand doch, daß der Kaiſer die Lage der Republik einſah, ihre Rechtfertigung begriff. So ward man denn ſehr bald über die Grundlage eines Abkommens einig; die Venezianer ſollten herausge- ben, was ſie vom Kirchenſtaat oder von Neapel beſaßen, aber übrigens ohne Anfechtung bleiben. Auch Franz Sforza ſollte mit dem Staat von Mailand belehnt werden. Die einzige Schwierigkeit machten die Geldforderun- gen, ſowohl an Venedig als an Mailand. Um der mai- ländiſchen Zahlungen ſicher zu ſeyn, wünſchte der Kaiſer für’s Erſte die Caſtelle von Mailand und Como mit ſeinen Truppen beſetzt zu halten. Am 12. Dez. traf der Courier ein, welcher die Einwilligung des venezianiſchen Senates 1 Confidarsi in lei (S. M.) ponersi in man sua. Conta- rini Relatione di Bologna 1530.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/232>, abgerufen am 22.05.2024.