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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Festsetzung italienischer Verhältnisse.

Auch Mailands konnte der Kaiser sicher seyn. Sforza
wußte sehr wohl, daß Franz I seine lombardischen Ansprüche
nicht völlig aufgegeben hatte; wie denn auch vornehme Mi-
lanesen ihre Verbindung mit Frankreich so bald wie möglich
zu erneuern suchten. So mußte sich Sforza wohl unbe-
dingt an den Kaiser, der ihn allein schützen konnte, an-
schließen. In Kurzem trat auch er in östreichische Ver-
wandtschaft; ein kaiserlicher General commandirte fortwäh-
rend die Truppen in der Lombardei.

Bei weitem unabhängiger hielt sich Venedig. Aber
auch hier hatte im Gegensatz mit dem Dogen eine Partei
den Frieden bewirkt, die der freundschaftlichen Verhältnisse
mit Oestreich und Spanien bedurfte, um sich zu behaupten.
Ueberdieß ward die Republik durch die Osmanen in die
Nothwendigkeit gesetzt, einen Rückhalt in Europa zu suchen,
den ihr keine andre Macht gewähren konnte als die spa-
nische. Sie hatte sich allmählig überzeugt, daß die Zeit
der Eroberung und Ausbreitung für sie auf immer vorüber
sey; für Venedig begann eine neue Aera, deren Charakter
durch die Verhältnisse zu Spanien bestimmt wurde.

Und nicht minder hatte der Kaiser Sorge getragen,
die kleineren Fürsten und Republiken an sich zu fesseln.

Der Markgraf von Mantua empfing die herzogliche
Würde; dem Herzoge von Ferrara überließ der Kaiser Carpi;
dem Herzog von Savoyen, seinem Schwager, übergab er Asti,
das Franz I abgetreten hatte, zu dessen nicht geringem Ver-
druß; dem Herzoge von Urbino, damals dem namhaftesten
italienischen Kriegsmanne, hatte er seine Dienste angeboten
und in Bologna persönlich viele Gnade erwiesen.


Feſtſetzung italieniſcher Verhaͤltniſſe.

Auch Mailands konnte der Kaiſer ſicher ſeyn. Sforza
wußte ſehr wohl, daß Franz I ſeine lombardiſchen Anſprüche
nicht völlig aufgegeben hatte; wie denn auch vornehme Mi-
laneſen ihre Verbindung mit Frankreich ſo bald wie möglich
zu erneuern ſuchten. So mußte ſich Sforza wohl unbe-
dingt an den Kaiſer, der ihn allein ſchützen konnte, an-
ſchließen. In Kurzem trat auch er in öſtreichiſche Ver-
wandtſchaft; ein kaiſerlicher General commandirte fortwäh-
rend die Truppen in der Lombardei.

Bei weitem unabhängiger hielt ſich Venedig. Aber
auch hier hatte im Gegenſatz mit dem Dogen eine Partei
den Frieden bewirkt, die der freundſchaftlichen Verhältniſſe
mit Oeſtreich und Spanien bedurfte, um ſich zu behaupten.
Ueberdieß ward die Republik durch die Osmanen in die
Nothwendigkeit geſetzt, einen Rückhalt in Europa zu ſuchen,
den ihr keine andre Macht gewähren konnte als die ſpa-
niſche. Sie hatte ſich allmählig überzeugt, daß die Zeit
der Eroberung und Ausbreitung für ſie auf immer vorüber
ſey; für Venedig begann eine neue Aera, deren Charakter
durch die Verhältniſſe zu Spanien beſtimmt wurde.

Und nicht minder hatte der Kaiſer Sorge getragen,
die kleineren Fürſten und Republiken an ſich zu feſſeln.

Der Markgraf von Mantua empfing die herzogliche
Würde; dem Herzoge von Ferrara überließ der Kaiſer Carpi;
dem Herzog von Savoyen, ſeinem Schwager, übergab er Aſti,
das Franz I abgetreten hatte, zu deſſen nicht geringem Ver-
druß; dem Herzoge von Urbino, damals dem namhafteſten
italieniſchen Kriegsmanne, hatte er ſeine Dienſte angeboten
und in Bologna perſönlich viele Gnade erwieſen.


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[223/0239] Feſtſetzung italieniſcher Verhaͤltniſſe. Auch Mailands konnte der Kaiſer ſicher ſeyn. Sforza wußte ſehr wohl, daß Franz I ſeine lombardiſchen Anſprüche nicht völlig aufgegeben hatte; wie denn auch vornehme Mi- laneſen ihre Verbindung mit Frankreich ſo bald wie möglich zu erneuern ſuchten. So mußte ſich Sforza wohl unbe- dingt an den Kaiſer, der ihn allein ſchützen konnte, an- ſchließen. In Kurzem trat auch er in öſtreichiſche Ver- wandtſchaft; ein kaiſerlicher General commandirte fortwäh- rend die Truppen in der Lombardei. Bei weitem unabhängiger hielt ſich Venedig. Aber auch hier hatte im Gegenſatz mit dem Dogen eine Partei den Frieden bewirkt, die der freundſchaftlichen Verhältniſſe mit Oeſtreich und Spanien bedurfte, um ſich zu behaupten. Ueberdieß ward die Republik durch die Osmanen in die Nothwendigkeit geſetzt, einen Rückhalt in Europa zu ſuchen, den ihr keine andre Macht gewähren konnte als die ſpa- niſche. Sie hatte ſich allmählig überzeugt, daß die Zeit der Eroberung und Ausbreitung für ſie auf immer vorüber ſey; für Venedig begann eine neue Aera, deren Charakter durch die Verhältniſſe zu Spanien beſtimmt wurde. Und nicht minder hatte der Kaiſer Sorge getragen, die kleineren Fürſten und Republiken an ſich zu feſſeln. Der Markgraf von Mantua empfing die herzogliche Würde; dem Herzoge von Ferrara überließ der Kaiſer Carpi; dem Herzog von Savoyen, ſeinem Schwager, übergab er Aſti, das Franz I abgetreten hatte, zu deſſen nicht geringem Ver- druß; dem Herzoge von Urbino, damals dem namhafteſten italieniſchen Kriegsmanne, hatte er ſeine Dienſte angeboten und in Bologna perſönlich viele Gnade erwieſen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/239>, abgerufen am 21.11.2024.