befreien. Ein Unternehmen, für die Fortentwickelung der Welt von der größten Bedeutung und Aussicht.
Aber es leuchtet ein, auf wie mannichfaltige Hinder- nisse man dabei nun auch stoßen mußte.
Einmal, wie sollte es möglich seyn, auch unter De- nen, die sich demselben anschlossen, Verschiedenheiten der Auffassung, Entzweiungen zu vermeiden?
Durfte man ferner wohl verständiger Weise voraus- setzen, daß die thatkräftigen Fürsten, welche die Neuerung vollzogen, sich in dem neuen Verhältniß ganz ohne Tadel, ohne Gewaltsamkeiten, die dem Zeitalter so natürlich gewor- den, bewegen würden?
Vor allem aber, wie ließ sich erwarten, daß der Geist der Alleinherrschaft, der in der römischen Kirche von jeher vorgewaltet, kraft dessen sie noch immer eine höchste Auto- rität über die Welt in Anspruch nahm, sich in Verluste so drohender Art finden, nicht alle seine Kräfte anstrengen sollte, die Abgewichenen wieder herbei zu bringen?
Der Sinn der Nation wäre gewesen, daß der Kaiser seine in Italien erworbene Macht behauptet, ihr dagegen gestattet hätte, ihre kirchlichen Ideen, womit sie den Wil- len und das Geheiß Gottes zu vollziehen überzeugt war, durchzuführen. Dazu hätte aber gehört, daß der Kaiser persönlich einen lebendigen, und über die Berechnungen der Politik erhabenen Antheil an ihren Ideen genommen hätte. War dies nicht der Fall, wie sich denn davon keine Spur zeigt, so stand seine eigene Gewalt in viel zu engen und mannichfaltigen Beziehungen zu dem Papstthum, als daß er lange im Kriege mit demselben hätte verharren können.
Fuͤnftes Buch.
befreien. Ein Unternehmen, für die Fortentwickelung der Welt von der größten Bedeutung und Ausſicht.
Aber es leuchtet ein, auf wie mannichfaltige Hinder- niſſe man dabei nun auch ſtoßen mußte.
Einmal, wie ſollte es möglich ſeyn, auch unter De- nen, die ſich demſelben anſchloſſen, Verſchiedenheiten der Auffaſſung, Entzweiungen zu vermeiden?
Durfte man ferner wohl verſtändiger Weiſe voraus- ſetzen, daß die thatkräftigen Fürſten, welche die Neuerung vollzogen, ſich in dem neuen Verhältniß ganz ohne Tadel, ohne Gewaltſamkeiten, die dem Zeitalter ſo natürlich gewor- den, bewegen würden?
Vor allem aber, wie ließ ſich erwarten, daß der Geiſt der Alleinherrſchaft, der in der römiſchen Kirche von jeher vorgewaltet, kraft deſſen ſie noch immer eine höchſte Auto- rität über die Welt in Anſpruch nahm, ſich in Verluſte ſo drohender Art finden, nicht alle ſeine Kräfte anſtrengen ſollte, die Abgewichenen wieder herbei zu bringen?
Der Sinn der Nation wäre geweſen, daß der Kaiſer ſeine in Italien erworbene Macht behauptet, ihr dagegen geſtattet hätte, ihre kirchlichen Ideen, womit ſie den Wil- len und das Geheiß Gottes zu vollziehen überzeugt war, durchzuführen. Dazu hätte aber gehört, daß der Kaiſer perſönlich einen lebendigen, und über die Berechnungen der Politik erhabenen Antheil an ihren Ideen genommen hätte. War dies nicht der Fall, wie ſich denn davon keine Spur zeigt, ſo ſtand ſeine eigene Gewalt in viel zu engen und mannichfaltigen Beziehungen zu dem Papſtthum, als daß er lange im Kriege mit demſelben hätte verharren können.
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Fuͤnftes Buch.
befreien. Ein Unternehmen, für die Fortentwickelung der
Welt von der größten Bedeutung und Ausſicht.
Aber es leuchtet ein, auf wie mannichfaltige Hinder-
niſſe man dabei nun auch ſtoßen mußte.
Einmal, wie ſollte es möglich ſeyn, auch unter De-
nen, die ſich demſelben anſchloſſen, Verſchiedenheiten der
Auffaſſung, Entzweiungen zu vermeiden?
Durfte man ferner wohl verſtändiger Weiſe voraus-
ſetzen, daß die thatkräftigen Fürſten, welche die Neuerung
vollzogen, ſich in dem neuen Verhältniß ganz ohne Tadel,
ohne Gewaltſamkeiten, die dem Zeitalter ſo natürlich gewor-
den, bewegen würden?
Vor allem aber, wie ließ ſich erwarten, daß der Geiſt
der Alleinherrſchaft, der in der römiſchen Kirche von jeher
vorgewaltet, kraft deſſen ſie noch immer eine höchſte Auto-
rität über die Welt in Anſpruch nahm, ſich in Verluſte ſo
drohender Art finden, nicht alle ſeine Kräfte anſtrengen ſollte,
die Abgewichenen wieder herbei zu bringen?
Der Sinn der Nation wäre geweſen, daß der Kaiſer
ſeine in Italien erworbene Macht behauptet, ihr dagegen
geſtattet hätte, ihre kirchlichen Ideen, womit ſie den Wil-
len und das Geheiß Gottes zu vollziehen überzeugt war,
durchzuführen. Dazu hätte aber gehört, daß der Kaiſer
perſönlich einen lebendigen, und über die Berechnungen der
Politik erhabenen Antheil an ihren Ideen genommen hätte.
War dies nicht der Fall, wie ſich denn davon keine Spur
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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