hin, und man vergaß fast, daß der Reichstag schon längst hätte angehn sollen; ein jeder suchte hier ohne Verzug seine Geschäfte abzumachen.
Schon glaubte man an einem Beispiel abnehmen zu können, welche Wirkung die Erscheinung des Kaisers auch auf die religiösen Angelegenheiten ausüben werde. Der Schwager desselben, der verjagte König Christiern von Dä- nemark, der sich bisher an Luther gehalten, mit diesem in Briefwechsel gestanden, und sich unumwunden zu dessen Lehre bekannt hatte, fühlte sich in Insbruck bewogen, zu dem alten Glauben zurückzukehren. Der Papst war entzückt, als er es vernahm. "Ich kann nicht ausdrücken," schreibt er dem Kaiser, "mit welcher Rührung mich diese Nachricht erfüllt hat. Der Glanz der Tugenden Ew. Majestät be- ginnt die Nacht zu verscheuchen, dieß Beispiel wird auf Unzählige wirken." 1 Er genehmigte die Absolution Chri- stierns und legte demselben eine Buße auf, die er nach der Herstellung in seinem Reiche zu vollziehen habe. Der Kai- ser selbst hoffte, wie es ihm wider sein eignes Erwarten gelungen, Italien zu beruhigen, so werde es ihm auch in Deutschland nicht fehlen. In Rom erwartete man alles von dem glücklichen Gestirn, unter dem er zu stehen schien.
Und ließen sich nicht die Dinge in der That auch hiezu sehr günstig an?
Auch bei den Protestanten hatte das Ausschreiben des Kaisers die beste Aufnahme gefunden. Von allen Fürsten 2
1Relatio viri nobiiis Nic. Theupulo doctoris, 1533: ne in esso vi erano spese se non di doni fatti a diversi signori (wohl auch italienische).
2Roma 3 Giugno 1530. Lettere di principi II, p. 194.
Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen.
hin, und man vergaß faſt, daß der Reichstag ſchon längſt hätte angehn ſollen; ein jeder ſuchte hier ohne Verzug ſeine Geſchäfte abzumachen.
Schon glaubte man an einem Beiſpiel abnehmen zu können, welche Wirkung die Erſcheinung des Kaiſers auch auf die religiöſen Angelegenheiten ausüben werde. Der Schwager deſſelben, der verjagte König Chriſtiern von Dä- nemark, der ſich bisher an Luther gehalten, mit dieſem in Briefwechſel geſtanden, und ſich unumwunden zu deſſen Lehre bekannt hatte, fühlte ſich in Insbruck bewogen, zu dem alten Glauben zurückzukehren. Der Papſt war entzückt, als er es vernahm. „Ich kann nicht ausdrücken,“ ſchreibt er dem Kaiſer, „mit welcher Rührung mich dieſe Nachricht erfüllt hat. Der Glanz der Tugenden Ew. Majeſtät be- ginnt die Nacht zu verſcheuchen, dieß Beiſpiel wird auf Unzählige wirken.“ 1 Er genehmigte die Abſolution Chri- ſtierns und legte demſelben eine Buße auf, die er nach der Herſtellung in ſeinem Reiche zu vollziehen habe. Der Kai- ſer ſelbſt hoffte, wie es ihm wider ſein eignes Erwarten gelungen, Italien zu beruhigen, ſo werde es ihm auch in Deutſchland nicht fehlen. In Rom erwartete man alles von dem glücklichen Geſtirn, unter dem er zu ſtehen ſchien.
Und ließen ſich nicht die Dinge in der That auch hiezu ſehr günſtig an?
Auch bei den Proteſtanten hatte das Ausſchreiben des Kaiſers die beſte Aufnahme gefunden. Von allen Fürſten 2
1Relatio viri nobiiis Nic. Theupulo doctoris, 1533: ne in esso vi erano spese se non di doni fatti a diversi signori (wohl auch italieniſche).
2Roma 3 Giugno 1530. Lettere di principi II, p. 194.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0247"n="231"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen</hi>.</fw><lb/>
hin, und man vergaß faſt, daß der Reichstag ſchon längſt<lb/>
hätte angehn ſollen; ein jeder ſuchte hier ohne Verzug ſeine<lb/>
Geſchäfte abzumachen.</p><lb/><p>Schon glaubte man an einem Beiſpiel abnehmen zu<lb/>
können, welche Wirkung die Erſcheinung des Kaiſers auch<lb/>
auf die religiöſen Angelegenheiten ausüben werde. Der<lb/>
Schwager deſſelben, der verjagte König Chriſtiern von Dä-<lb/>
nemark, der ſich bisher an Luther gehalten, mit dieſem in<lb/>
Briefwechſel geſtanden, und ſich unumwunden zu deſſen Lehre<lb/>
bekannt hatte, fühlte ſich in Insbruck bewogen, zu dem<lb/>
alten Glauben zurückzukehren. Der Papſt war entzückt,<lb/>
als er es vernahm. „Ich kann nicht ausdrücken,“ſchreibt<lb/>
er dem Kaiſer, „mit welcher Rührung mich dieſe Nachricht<lb/>
erfüllt hat. Der Glanz der Tugenden Ew. Majeſtät be-<lb/>
ginnt die Nacht zu verſcheuchen, dieß Beiſpiel wird auf<lb/>
Unzählige wirken.“<noteplace="foot"n="1"><hirendition="#aq">Relatio viri nobiiis Nic. Theupulo doctoris, 1533: ne in<lb/>
esso vi erano spese se non di doni fatti a diversi signori</hi> (wohl<lb/>
auch italieniſche).</note> Er genehmigte die Abſolution Chri-<lb/>ſtierns und legte demſelben eine Buße auf, die er nach der<lb/>
Herſtellung in ſeinem Reiche zu vollziehen habe. Der Kai-<lb/>ſer ſelbſt hoffte, wie es ihm wider ſein eignes Erwarten<lb/>
gelungen, Italien zu beruhigen, ſo werde es ihm auch in<lb/>
Deutſchland nicht fehlen. In Rom erwartete man alles<lb/>
von dem glücklichen Geſtirn, unter dem er zu ſtehen ſchien.</p><lb/><p>Und ließen ſich nicht die Dinge in der That auch<lb/>
hiezu ſehr günſtig an?</p><lb/><p>Auch bei den Proteſtanten hatte das Ausſchreiben des<lb/>
Kaiſers die beſte Aufnahme gefunden. Von allen Fürſten<lb/><noteplace="foot"n="2"><hirendition="#aq">Roma 3 Giugno 1530. Lettere di principi II, p.</hi> 194.</note><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[231/0247]
Reichstag zu Augsburg. Vorbereitungen.
hin, und man vergaß faſt, daß der Reichstag ſchon längſt
hätte angehn ſollen; ein jeder ſuchte hier ohne Verzug ſeine
Geſchäfte abzumachen.
Schon glaubte man an einem Beiſpiel abnehmen zu
können, welche Wirkung die Erſcheinung des Kaiſers auch
auf die religiöſen Angelegenheiten ausüben werde. Der
Schwager deſſelben, der verjagte König Chriſtiern von Dä-
nemark, der ſich bisher an Luther gehalten, mit dieſem in
Briefwechſel geſtanden, und ſich unumwunden zu deſſen Lehre
bekannt hatte, fühlte ſich in Insbruck bewogen, zu dem
alten Glauben zurückzukehren. Der Papſt war entzückt,
als er es vernahm. „Ich kann nicht ausdrücken,“ ſchreibt
er dem Kaiſer, „mit welcher Rührung mich dieſe Nachricht
erfüllt hat. Der Glanz der Tugenden Ew. Majeſtät be-
ginnt die Nacht zu verſcheuchen, dieß Beiſpiel wird auf
Unzählige wirken.“ 1 Er genehmigte die Abſolution Chri-
ſtierns und legte demſelben eine Buße auf, die er nach der
Herſtellung in ſeinem Reiche zu vollziehen habe. Der Kai-
ſer ſelbſt hoffte, wie es ihm wider ſein eignes Erwarten
gelungen, Italien zu beruhigen, ſo werde es ihm auch in
Deutſchland nicht fehlen. In Rom erwartete man alles
von dem glücklichen Geſtirn, unter dem er zu ſtehen ſchien.
Und ließen ſich nicht die Dinge in der That auch
hiezu ſehr günſtig an?
Auch bei den Proteſtanten hatte das Ausſchreiben des
Kaiſers die beſte Aufnahme gefunden. Von allen Fürſten
2
1 Relatio viri nobiiis Nic. Theupulo doctoris, 1533: ne in
esso vi erano spese se non di doni fatti a diversi signori (wohl
auch italieniſche).
2 Roma 3 Giugno 1530. Lettere di principi II, p. 194.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/247>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.