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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Fünftes Buch. Achtes Capitel.
und Gut dabei zuzusetzen versprochen, so hoffe er, werde das
auch von ihnen geschehen. Die Städte baten sich aus, erst
bei ihren Oberen anfragen zu dürfen; der Kaiser drang
auf unverzügliche Antwort.

Hierauf trugen nun diejenigen, die noch katholisch ge-
blieben, kleinere so gut wie größere, Rottweil, Ueberlin-
gen, Cöln, Hagenau, selbst Regensburg kein Bedenken, sich
dem Kaiser anzuschließen.

In nicht geringe Verlegenheit dagegen geriethen die an-
dern, die dem Bekenntniß bisher Raum gegeben, ohne doch,
so viel es irgend möglich, mit dem Kaiser und der Majorität
in Opposition zu treten. Jetzt aber zogen sie in Betracht,
daß sie durch die Annahme des Abschieds die Confession
für widerlegt erklären, daß sie dann gezwungen werden wür-
den, wider ihre eigenen Glaubensgenossen zu fechten; nach und
nach erklärten sich Frankfurt, Ulm, Schwäbisch-Hall, endlich
auch Augsburg verweigernd. In Augsburg hatte das, wie
sich denken läßt, bei der Anwesenheit des Kaisers die meiste
Schwierigkeit; man hielt für nothwendig, was hier nur selten
geschah, den größern Rath zu berufen, an welchem Mitglieder
aller Zünfte Theil nahmen. Aber schon war der protestanti-
sche Geist allzutief in die Bürgerschaft gedrungen, als daß
sie ihn hätte verläugnen können. Im Angesichte des Kai-
sers verweigerte Augsburg seinen Abschied anzunehmen. 1


1 Kreß und Volkamer an Nürnberg im Corp. Ref. II, 422.
Besonders merkwürdig ist der Briefwechsel zwischen der Stadt Frank-
furt und ihren Abgeordneten. "Sollte es aber mit sich bringen, wie
es on Zweyfel thut," schrieb Fürstenberg am 3. October, "daß wir
stillschweygend gehellen, daß die Bekenntniß des Churfürsten und sey-
nes Anhangs mit den heyligen Evangelien und Geschriften gründlich
abgeleynet worden, welche Ableynung wir doch nie gesehn noch an

Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
und Gut dabei zuzuſetzen verſprochen, ſo hoffe er, werde das
auch von ihnen geſchehen. Die Städte baten ſich aus, erſt
bei ihren Oberen anfragen zu dürfen; der Kaiſer drang
auf unverzügliche Antwort.

Hierauf trugen nun diejenigen, die noch katholiſch ge-
blieben, kleinere ſo gut wie größere, Rottweil, Ueberlin-
gen, Cöln, Hagenau, ſelbſt Regensburg kein Bedenken, ſich
dem Kaiſer anzuſchließen.

In nicht geringe Verlegenheit dagegen geriethen die an-
dern, die dem Bekenntniß bisher Raum gegeben, ohne doch,
ſo viel es irgend möglich, mit dem Kaiſer und der Majorität
in Oppoſition zu treten. Jetzt aber zogen ſie in Betracht,
daß ſie durch die Annahme des Abſchieds die Confeſſion
für widerlegt erklären, daß ſie dann gezwungen werden wür-
den, wider ihre eigenen Glaubensgenoſſen zu fechten; nach und
nach erklärten ſich Frankfurt, Ulm, Schwäbiſch-Hall, endlich
auch Augsburg verweigernd. In Augsburg hatte das, wie
ſich denken läßt, bei der Anweſenheit des Kaiſers die meiſte
Schwierigkeit; man hielt für nothwendig, was hier nur ſelten
geſchah, den größern Rath zu berufen, an welchem Mitglieder
aller Zünfte Theil nahmen. Aber ſchon war der proteſtanti-
ſche Geiſt allzutief in die Bürgerſchaft gedrungen, als daß
ſie ihn hätte verläugnen können. Im Angeſichte des Kai-
ſers verweigerte Augsburg ſeinen Abſchied anzunehmen. 1


1 Kreß und Volkamer an Nuͤrnberg im Corp. Ref. II, 422.
Beſonders merkwuͤrdig iſt der Briefwechſel zwiſchen der Stadt Frank-
furt und ihren Abgeordneten. „Sollte es aber mit ſich bringen, wie
es on Zweyfel thut,“ ſchrieb Fuͤrſtenberg am 3. October, „daß wir
ſtillſchweygend gehellen, daß die Bekenntniß des Churfuͤrſten und ſey-
nes Anhangs mit den heyligen Evangelien und Geſchriften gruͤndlich
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[290/0306] Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel. und Gut dabei zuzuſetzen verſprochen, ſo hoffe er, werde das auch von ihnen geſchehen. Die Städte baten ſich aus, erſt bei ihren Oberen anfragen zu dürfen; der Kaiſer drang auf unverzügliche Antwort. Hierauf trugen nun diejenigen, die noch katholiſch ge- blieben, kleinere ſo gut wie größere, Rottweil, Ueberlin- gen, Cöln, Hagenau, ſelbſt Regensburg kein Bedenken, ſich dem Kaiſer anzuſchließen. In nicht geringe Verlegenheit dagegen geriethen die an- dern, die dem Bekenntniß bisher Raum gegeben, ohne doch, ſo viel es irgend möglich, mit dem Kaiſer und der Majorität in Oppoſition zu treten. Jetzt aber zogen ſie in Betracht, daß ſie durch die Annahme des Abſchieds die Confeſſion für widerlegt erklären, daß ſie dann gezwungen werden wür- den, wider ihre eigenen Glaubensgenoſſen zu fechten; nach und nach erklärten ſich Frankfurt, Ulm, Schwäbiſch-Hall, endlich auch Augsburg verweigernd. In Augsburg hatte das, wie ſich denken läßt, bei der Anweſenheit des Kaiſers die meiſte Schwierigkeit; man hielt für nothwendig, was hier nur ſelten geſchah, den größern Rath zu berufen, an welchem Mitglieder aller Zünfte Theil nahmen. Aber ſchon war der proteſtanti- ſche Geiſt allzutief in die Bürgerſchaft gedrungen, als daß ſie ihn hätte verläugnen können. Im Angeſichte des Kai- ſers verweigerte Augsburg ſeinen Abſchied anzunehmen. 1 1 Kreß und Volkamer an Nuͤrnberg im Corp. Ref. II, 422. Beſonders merkwuͤrdig iſt der Briefwechſel zwiſchen der Stadt Frank- furt und ihren Abgeordneten. „Sollte es aber mit ſich bringen, wie es on Zweyfel thut,“ ſchrieb Fuͤrſtenberg am 3. October, „daß wir ſtillſchweygend gehellen, daß die Bekenntniß des Churfuͤrſten und ſey- nes Anhangs mit den heyligen Evangelien und Geſchriften gruͤndlich abgeleynet worden, welche Ableynung wir doch nie geſehn noch an

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/306>, abgerufen am 21.11.2024.