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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Nach der sächsischen Seite hin war demnach die Be-
mühung Butzers gelungen; und er ging nun daran, seine
Ansicht auch in der Schweiz geltend zu machen.

Ohne Mühe gewann er von den beiden vornehmsten
Reformatoren in der Schweiz wenigstens den Einen. Der
friedfertige Oekolampadius urtheilte, 1 Butzer befleißige sich
eben so sehr der Wahrheit, wie der Liebe; er empfahl des-
sen Auffassung seinem zürcherischen Collegen Zwingli.

Unmöglich aber konnte auch Zwingli so geneigt seyn.

Einmal hatte er Luthern allzuhäufig und allzubestimmt
jene grobe Vorstellung Schuld gegeben, als daß er davon
so leicht hätte zurückgebracht werden können. Sodann
war auch nicht zu läugnen, daß sich Butzer bei allem Fest-
halten des Begriffes vom geistlichen Genuß doch der luthe-
rischen Vorstellung vom Mysterium auf eine Weise näherte,
die Zwingli nicht billigen konnte. Er war sich zu gut be-
wußt, daß seine Ansicht von ganz anderem Ursprung aus-
gegangen. Er verwarf die Formel Butzers nicht geradezu,
aber sehr anstößig war ihm die dreimalige Wiederholung
des Wortes wahr; er meinte, man werde darunter nichts
anders verstehn, als natürlich. Er hatte nichts dagegen, daß
Butzer einen Brief, den er über die Identität beider Leh-
ren verfaßt und den Schweizern mitgetheilt, ausgehn lasse,
aber er behielt sich vor darüber eine Erläuterung zu geben,
die seinen eigenthümlichen Sinn ausspreche. Wenn er sich
zu der Formel bequemte, der Leib Christi sey im Nacht-
mahl gegenwärtig, so geschah das doch immer mit dem

1 Vtriusque (veritatis et caritatis) Bucerus mea sententia
observantissimus est. Proinde confido non ingratum tibi fore,
quicquid ille in medium attulit. 19. Nov.
1530 bei Hottinger II, 320.
Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Nach der ſächſiſchen Seite hin war demnach die Be-
mühung Butzers gelungen; und er ging nun daran, ſeine
Anſicht auch in der Schweiz geltend zu machen.

Ohne Mühe gewann er von den beiden vornehmſten
Reformatoren in der Schweiz wenigſtens den Einen. Der
friedfertige Oekolampadius urtheilte, 1 Butzer befleißige ſich
eben ſo ſehr der Wahrheit, wie der Liebe; er empfahl deſ-
ſen Auffaſſung ſeinem zürcheriſchen Collegen Zwingli.

Unmöglich aber konnte auch Zwingli ſo geneigt ſeyn.

Einmal hatte er Luthern allzuhäufig und allzubeſtimmt
jene grobe Vorſtellung Schuld gegeben, als daß er davon
ſo leicht hätte zurückgebracht werden können. Sodann
war auch nicht zu läugnen, daß ſich Butzer bei allem Feſt-
halten des Begriffes vom geiſtlichen Genuß doch der luthe-
riſchen Vorſtellung vom Myſterium auf eine Weiſe näherte,
die Zwingli nicht billigen konnte. Er war ſich zu gut be-
wußt, daß ſeine Anſicht von ganz anderem Urſprung aus-
gegangen. Er verwarf die Formel Butzers nicht geradezu,
aber ſehr anſtößig war ihm die dreimalige Wiederholung
des Wortes wahr; er meinte, man werde darunter nichts
anders verſtehn, als natürlich. Er hatte nichts dagegen, daß
Butzer einen Brief, den er über die Identität beider Leh-
ren verfaßt und den Schweizern mitgetheilt, ausgehn laſſe,
aber er behielt ſich vor darüber eine Erläuterung zu geben,
die ſeinen eigenthümlichen Sinn ausſpreche. Wenn er ſich
zu der Formel bequemte, der Leib Chriſti ſey im Nacht-
mahl gegenwärtig, ſo geſchah das doch immer mit dem

1 Vtriusque (veritatis et caritatis) Bucerus mea sententia
observantissimus est. Proinde confido non ingratum tibi fore,
quicquid ille in medium attulit. 19. Nov.
1530 bei Hottinger II, 320.
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[348/0364] Sechstes Buch. Drittes Capitel. Nach der ſächſiſchen Seite hin war demnach die Be- mühung Butzers gelungen; und er ging nun daran, ſeine Anſicht auch in der Schweiz geltend zu machen. Ohne Mühe gewann er von den beiden vornehmſten Reformatoren in der Schweiz wenigſtens den Einen. Der friedfertige Oekolampadius urtheilte, 1 Butzer befleißige ſich eben ſo ſehr der Wahrheit, wie der Liebe; er empfahl deſ- ſen Auffaſſung ſeinem zürcheriſchen Collegen Zwingli. Unmöglich aber konnte auch Zwingli ſo geneigt ſeyn. Einmal hatte er Luthern allzuhäufig und allzubeſtimmt jene grobe Vorſtellung Schuld gegeben, als daß er davon ſo leicht hätte zurückgebracht werden können. Sodann war auch nicht zu läugnen, daß ſich Butzer bei allem Feſt- halten des Begriffes vom geiſtlichen Genuß doch der luthe- riſchen Vorſtellung vom Myſterium auf eine Weiſe näherte, die Zwingli nicht billigen konnte. Er war ſich zu gut be- wußt, daß ſeine Anſicht von ganz anderem Urſprung aus- gegangen. Er verwarf die Formel Butzers nicht geradezu, aber ſehr anſtößig war ihm die dreimalige Wiederholung des Wortes wahr; er meinte, man werde darunter nichts anders verſtehn, als natürlich. Er hatte nichts dagegen, daß Butzer einen Brief, den er über die Identität beider Leh- ren verfaßt und den Schweizern mitgetheilt, ausgehn laſſe, aber er behielt ſich vor darüber eine Erläuterung zu geben, die ſeinen eigenthümlichen Sinn ausſpreche. Wenn er ſich zu der Formel bequemte, der Leib Chriſti ſey im Nacht- mahl gegenwärtig, ſo geſchah das doch immer mit dem 1 Vtriusque (veritatis et caritatis) Bucerus mea sententia observantissimus est. Proinde confido non ingratum tibi fore, quicquid ille in medium attulit. 19. Nov. 1530 bei Hottinger II, 320.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/364>, abgerufen am 24.11.2024.