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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Fünftes Capitel.
festgehalten, bis endlich dieser besiegte, beschränkte, gepei-
nigte, und seiner Vorsteher beraubte Rath sich entschloß,
das große Insiegel der Stadt an die Vier und sechzig zu
überliefern. Die Gemeinde ging nicht so weit, ihn abzu-
setzen, niemals hätten das die lutherischen Prediger gutge-
heißen. Aber indem sie eine Satzung hervorsuchte, nach
welcher der Rath aus einer größern Anzahl von Mitglie-
dern bestehen sollte, als die er wirklich zählte, und sogleich
zur Ernennung der fehlenden schritt, indem sie auch an die
Stelle der zwei ausgetretenen Bürgermeister zwei neue er-
nannte, kam sie doch dahin, den Rath umzuwandeln, und
der siegreichen Meinung einen überwiegenden Einfluß auf
die Beschlüsse desselben zu verschaffen. Nur widerstrebend
gaben die Prediger nach, die ihren Begriff von der hohen
Würde der Obrigkeit auch auf die Stadträthe ausdehnte,
und bei jeder Bewegung auf der Kanzel eifrig davor warn-
ten, daß man sich an der Obrigkeit vergreife. 1

Herzog Ernst von Lüneburg war höchlich erfreut, als er
von Augsburg nach Hause kam, und rings um sich her
wahrnahm, wie wenig man sich aus kaiserlicher Gnade
oder Ungnade mache, wie vielmehr in allen jenen Städten
die Predigt eben jetzt bessern Fortgang habe als jemals
vorher. 2 Der Kaiser hatte so eben die Stadt Lüneburg
durch ein besonderes Schreiben ermahnt, bei dem alten

1 In der Chronik des Hermannus Bonnus heißt es sogar,
es gebe kein besseres Mittel ein beständiges Regiment zu erhalten,
als daß die Wahl des Rathes bei der Obrigkeit selbst stehe.
2 Ernst an Chf. Johann, Zelle Montag nach Galli (17. Oct.)
Befinde, das wynzig Gottlob in diesen umliegenden Städten kais. Maj.
Gnaden oder Ungnaden gescheuet; denn sye itzunder heftiger als vor
nie, in allen Städten predigen und das Wort Gottes fürdern. (W. A.)

Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel.
feſtgehalten, bis endlich dieſer beſiegte, beſchränkte, gepei-
nigte, und ſeiner Vorſteher beraubte Rath ſich entſchloß,
das große Inſiegel der Stadt an die Vier und ſechzig zu
überliefern. Die Gemeinde ging nicht ſo weit, ihn abzu-
ſetzen, niemals hätten das die lutheriſchen Prediger gutge-
heißen. Aber indem ſie eine Satzung hervorſuchte, nach
welcher der Rath aus einer größern Anzahl von Mitglie-
dern beſtehen ſollte, als die er wirklich zählte, und ſogleich
zur Ernennung der fehlenden ſchritt, indem ſie auch an die
Stelle der zwei ausgetretenen Bürgermeiſter zwei neue er-
nannte, kam ſie doch dahin, den Rath umzuwandeln, und
der ſiegreichen Meinung einen überwiegenden Einfluß auf
die Beſchlüſſe deſſelben zu verſchaffen. Nur widerſtrebend
gaben die Prediger nach, die ihren Begriff von der hohen
Würde der Obrigkeit auch auf die Stadträthe ausdehnte,
und bei jeder Bewegung auf der Kanzel eifrig davor warn-
ten, daß man ſich an der Obrigkeit vergreife. 1

Herzog Ernſt von Lüneburg war höchlich erfreut, als er
von Augsburg nach Hauſe kam, und rings um ſich her
wahrnahm, wie wenig man ſich aus kaiſerlicher Gnade
oder Ungnade mache, wie vielmehr in allen jenen Städten
die Predigt eben jetzt beſſern Fortgang habe als jemals
vorher. 2 Der Kaiſer hatte ſo eben die Stadt Lüneburg
durch ein beſonderes Schreiben ermahnt, bei dem alten

1 In der Chronik des Hermannus Bonnus heißt es ſogar,
es gebe kein beſſeres Mittel ein beſtaͤndiges Regiment zu erhalten,
als daß die Wahl des Rathes bei der Obrigkeit ſelbſt ſtehe.
2 Ernſt an Chf. Johann, Zelle Montag nach Galli (17. Oct.)
Befinde, das wynzig Gottlob in dieſen umliegenden Staͤdten kaiſ. Maj.
Gnaden oder Ungnaden geſcheuet; denn ſye itzunder heftiger als vor
nie, in allen Staͤdten predigen und das Wort Gottes fuͤrdern. (W. A.)
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[388/0404] Sechstes Buch. Fuͤnftes Capitel. feſtgehalten, bis endlich dieſer beſiegte, beſchränkte, gepei- nigte, und ſeiner Vorſteher beraubte Rath ſich entſchloß, das große Inſiegel der Stadt an die Vier und ſechzig zu überliefern. Die Gemeinde ging nicht ſo weit, ihn abzu- ſetzen, niemals hätten das die lutheriſchen Prediger gutge- heißen. Aber indem ſie eine Satzung hervorſuchte, nach welcher der Rath aus einer größern Anzahl von Mitglie- dern beſtehen ſollte, als die er wirklich zählte, und ſogleich zur Ernennung der fehlenden ſchritt, indem ſie auch an die Stelle der zwei ausgetretenen Bürgermeiſter zwei neue er- nannte, kam ſie doch dahin, den Rath umzuwandeln, und der ſiegreichen Meinung einen überwiegenden Einfluß auf die Beſchlüſſe deſſelben zu verſchaffen. Nur widerſtrebend gaben die Prediger nach, die ihren Begriff von der hohen Würde der Obrigkeit auch auf die Stadträthe ausdehnte, und bei jeder Bewegung auf der Kanzel eifrig davor warn- ten, daß man ſich an der Obrigkeit vergreife. 1 Herzog Ernſt von Lüneburg war höchlich erfreut, als er von Augsburg nach Hauſe kam, und rings um ſich her wahrnahm, wie wenig man ſich aus kaiſerlicher Gnade oder Ungnade mache, wie vielmehr in allen jenen Städten die Predigt eben jetzt beſſern Fortgang habe als jemals vorher. 2 Der Kaiſer hatte ſo eben die Stadt Lüneburg durch ein beſonderes Schreiben ermahnt, bei dem alten 1 In der Chronik des Hermannus Bonnus heißt es ſogar, es gebe kein beſſeres Mittel ein beſtaͤndiges Regiment zu erhalten, als daß die Wahl des Rathes bei der Obrigkeit ſelbſt ſtehe. 2 Ernſt an Chf. Johann, Zelle Montag nach Galli (17. Oct.) Befinde, das wynzig Gottlob in dieſen umliegenden Staͤdten kaiſ. Maj. Gnaden oder Ungnaden geſcheuet; denn ſye itzunder heftiger als vor nie, in allen Staͤdten predigen und das Wort Gottes fuͤrdern. (W. A.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/404>, abgerufen am 24.11.2024.